Planeten können sich auch im galaktischen Zentrum bilden

Künstlerische Darstellung einer protoplanetarischen Scheibe aus Gas und Staub (rot), die von den starken Gravitationskräften des zentralen Schwarzen Lochs in unserer Milchstraße auseinander gerissen wird. (David A. Aguilar (CfA))
Künstlerische Darstellung einer protoplanetarischen Scheibe aus Gas und Staub (rot), die von den starken Gravitationskräften des zentralen Schwarzen Lochs in unserer Milchstraße auseinander gerissen wird. (David A. Aguilar (CfA))

Auf den ersten Blick scheint das Zentrum der Milchstraße ein sehr ungastlicher Ort zu sein, um zu versuchen, einen Planeten zu bilden. Sterne bedrängen einander, wenn sie wie Autos auf einer vollen Autobahn durch den Weltraum schwirren. Supernova-Explosionen stoßen Schockwellen aus und überfluten die Region mit intensiver Strahlung. Starke Gravitationskräfte eines supermassiven Schwarzen Lochs verdrehen und verzerren das Gefüge des Raumes selbst.

Dennoch zeigt eine neue Forschungsarbeit von Astronomen am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA), dass sich in diesem kosmischen Strudel trotzdem Planeten bilden können. Als Beweis deuten sie auf die kürzliche Entdeckung einer Wolke aus Wasserstoff und Helium, die in Richtung des galaktischen Zentrums stürzt. Sie argumentieren, dass diese Wolke die zerrissenen Überreste einer planetenbildenden Scheibe ist, die einen unsichtbaren Stern umkreist.

„Dieser unglückliche Stern wurde in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs gezogen. Jetzt ist er auf der Fahrt seines Lebens und während er die Begegnung überstehen wird, wird seine protoplanetarische Scheibe nicht so viel Glück haben“, sagte die leitende Autorin Ruth Murray-Clay vom CfA. Die Ergebnisse erscheinen im Journal Nature. Die betreffende Wolke wurde letztes Jahr von einem Team aus Astronomen mit dem Very Large Telescope in Chile entdeckt. Sie spekulierten, dass sie entstand, als Gasströme zweier benachbarter Sterne kollidierten – wie Sand, der vom Wind fortgeblasen wird und sich in einer Düne ansammelt.

Murray-Clay und Co-Autor Avi Loeb schlagen eine andere Erklärung vor. Neugeborene Sterne behalten eine umgebende Scheibe aus Gas und Staub für Millionen Jahre. Wenn solch ein Stern in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs in unserer Galaxie stürzt, würden Strahlung und Gezeitenkräfte seine Scheibe in wenigen Jahren auseinanderreißen.

Sie identifizieren auch die wahrscheinliche Quelle des verirrten Sterns – ein Ring aus Sternen, von dem man weiß, dass er das galaktische Zentrum in einer Entfernung von etwa einem Zehntel Lichtjahr umkreist. Astronomen haben Dutzende junger, heller O-Typ-Sterne in diesem Ring registriert, was dafür spricht, dass dort auch hunderte schwächere, sonnenähnliche Sterne existieren. Interaktionen zwischen den Sternen könnten einen von ihnen zusammen mit seiner begleitenden Scheibe nach innen schleudern.

Obwohl diese protoplanetarische Scheibe zerstört wird, können die Sterne, die in dem Ring verbleiben, an ihren Scheiben festhalten. Deshalb könnten sie trotz ihrer feindseligen Umgebungen Planeten bilden. Wenn der Stern seinen Sturz im Laufe des nächsten Jahres fortsetzt, wird mehr und mehr Materie der äußeren Scheibe weggerissen werden und nur einen dichten Kern hinterlassen. Das fortgerissene Gas wird in den Schlund des Schwarzen Lochs wirbeln. Reibung wird es auf so hohe Temperaturen aufheizen, dass es im Röntgenbereich leuchten wird.

„Es ist faszinierend, über die Entstehung von Planeten so nah an einem Schwarzen Loch nachzudenken“, sagte Loeb. „Wenn unsere Zivilisation solch einen Planeten bewohnen würde, hätten wir Einsteins Gravitationstheorie viel besser testen können und wir hätten saubere Energie gewinnen können, indem wir unseren Müll in das Schwarze Loch werfen.“

Das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) hat sein Hauptquartier in Cambridge (Massachusetts) und ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Smithsonian Astrophysical Observatory und dem Harvard College Observatory. Wissenschaftler aus sechs Abteilungen untersuchen hier den Ursprung, die Entwicklung und das letztendliche Schicksal des Universums.

Quelle: http://www.cfa.harvard.edu/news/2012/pr201227.html

(THK)

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