Kollisionen am LHC liefern überraschende Ergebnisse

Ein Proton kollidiert mit einem Bleikern, wodurch ein Teilchenschauer auf den ALICE-Detektor niedergeht. (ALICE / CERN)
Ein Proton kollidiert mit einem Bleikern, wodurch ein Teilchenschauer auf den ALICE-Detektor niedergeht. (ALICE / CERN)

Kollisionen zwischen Protonen und Blei-Ionen am Large Hadron Collider (LHC) haben bei einigen der erzeugten Teilchen ein überraschendes Verhalten verursacht. Die neue Beobachtung spricht dafür, dass die Kollisionen einen neuen Materietyp produziert haben könnten, der als Color Glass Condensate (etwa: Farbglas-Kondensat) bekannt ist. (Anm. d. Red.: Der Begriff “Color” bzw. “Farbe” bezieht sich hier auf einen Ladungstyp, den Quarks und Gluonen als Folge der starken Wechselwirkung tragen. Der Begriff “Glas” ist der Bezeichnung für Silikate und andere Materialien entliehen, die sich über kurze Zeitspannen betrachtet wie ein Festkörper verhalten, langfristig jedoch wie eine Flüssigkeit agieren.)

Wenn Partikelstrahlen mit hohen Geschwindigkeiten zusammenprallen, erzeugen die Kollisionen hunderte neuer Teilchen, von denen die meisten mit annähernd Lichtgeschwindigkeit vom Kollisionspunkt wegfliegen. Das Compact Muon Solenoid (CMS) Team am LHC hat in einer Stichprobe von zwei Millionen Blei-Ionen-Protonen-Kollisionen jedoch einige Teilchenpaare entdeckt, die sich entfernen, wobei ihre jeweiligen Richtungen miteinander korrelieren.

“Irgendwie fliegen sie in dieselbe Richtung, obwohl nicht klar ist, wie sie sich gegenseitig ihre Richtung mitteilen. Das hat viele Leute überrascht, uns eingeschlossen”, sagt Gunter Roland, Physik-Professor am MIT, dessen Gruppe die Analyse der Kollisionsdaten zusammen mit Wei Li, einem früheren Postdoktoranden vom MIT leitete. Li ist jetzt Assistenzprofessor an der Rice University. Eine Abhandlung, die die unerwarteten Ergebnisse beschreibt, wird in einer kommenden Ausgabe des Journals Physical Review B erscheinen und ist jetzt online auf arXiv verfügbar.

Die MIT Schwerionen-Gruppe, der Roland und die MIT Physik-Professoren Bolek Wyslouch und Wit Busza angehören, sahen dasselbe einzigartige Muster vor zwei Jahren in Proton-Proton-Kollisionen. Dasselbe Flugmuster wird auch beobachtet, wenn Blei-Ionen oder Ionen anderer Schwermetalle wie Gold und Kupfer miteinander kollidieren.

Diese Schwerionen-Kollisionen erzeugen eine Welle aus Quark-Gluonen-Plasma, die “heiße Suppe” aus Teilchen, welche die ersten paar Millionstel Sekunden nach dem Urknall existierte. In dem Kollidierer fegt die Welle einige der entstandenen Teilchen in dieselbe Richtung, was die Korrelation ihrer Flugbahnen erklärt.

Es wurde vermutet, dass Proton-Proton-Kollisionen eine flüssigkeitsähnliche Welle aus Gluonen erzeugen könnten, ein so genanntes Color Glass Condensate. Dieser dichte Schwarm aus Gluonen könne ebenfalls das ungewöhnliche Kollisionsmuster in den beobachteten Kollisionen zwischen Blei-Ionen und Protonen erzeugen, sagt Raju Venugopalan, ein Seniorwissenschaftler am Brookhaven National Laboratory, der nicht an der aktuellen Forschungsarbeit beteiligt war.

Venugopalan und sein früherer Student Kevin Dusling vermuteten die Existenz des Color Glass Condensate, kurz bevor die Richtungsabhängigkeit in den Proton-Proton-Kollisionen beobachtet wurde. Obwohl Protonen bei normalen Energiezuständen aus drei Quarks bestehen, neigen sie bei höheren Energiezuständen dazu, einen begleitenden Schwarm aus Gluonen zu erlangen. Diese Gluonen existieren als Teilchen und Wellen und ihre Wellenfunktionen können voneinander abhängen. Diese “Quantenverschränkung” würde erklären, wie die Teilchen, die von der Kollision wegfliegen, Informationen wie die Richtung der Flugbahn miteinander teilen können, sagt Venugopalan. Die Korrelation sei “ein sehr kleiner Effekt, aber er deutet auf etwas sehr Fundamentales hin, wie Quarks und Gluonen innerhalb eines Protons räumlich angeordnet sind”, sagt er.

Die CMS-Forscher wollten die Kollisionen von Blei-Ionen und Protonen ursprünglich als ein “Referenzsystem” für den Vergleich mit Kollisionen von Blei-Ionen und Blei-Ionen benutzen. “Man erwartet keine Effekte eines Quark-Gluonen-Plasmas bei Kollisionen zwischen Blei-Ionen und Protonen”, sagt Roland. “Es sollte eine Art Referenzdurchlauf sein – ein Durchlauf, bei dem man Hintergrundeffekte untersuchen kann und sie von den Effekten abzieht, die man in Kollisionen zwischen Blei-Ionen und Blei-Ionen sieht.”

Dieser Durchlauf dauerte nur vier Stunden, aber für Januar plant die CMS Collaboration mehrere Wochen mit Kollisionen von Blei-Ionen und Protonen, was den Wissenschaftlern erlauben sollte zu bestätigen, ob die Kollisionen tatsächlich eine Flüssigkeit erzeugen. Das sollte dabei helfen, die möglichen Erklärungen einzugrenzen und zu bestimmen, ob die Effekte bei Kollisionen zwischen Protonen und Protonen, zwischen Blei-Ionen und Protonen und zwischen Blei-Ionen und Blei-Ionen miteinander zusammenhängen.

Quelle: http://web.mit.edu/newsoffice/2012/lead-proton-collisions-at-large-hadron-collider-yield-surprising-results-1127.html

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*