Neues Archäologieprojekt sucht nach antiken Stätten im Irak

Professor Jason Ur von der Harvard University sucht im Irak nach antiken Stätten. (Rose Lincoln / Harvard Staff Photographer)
Professor Jason Ur von der Harvard University sucht im Irak nach antiken Stätten. (Rose Lincoln / Harvard Staff Photographer)

Nach fast einem Jahrhundert der Abwesenheit kehrt die Harvard-Archäologie in den Irak zurück. Jason Ur, der John L. Loeb Associate Professor für Sozialwissenschaften, hat in diesem Jahr ein fünfjähriges archäologisches Projekt gestartet, um ein 3.200 Quadratkilometer großes Gebiet um Irbil (die Hauptstadt der kurdischen Region im Norden Iraks) nach Anzeichen für alte Städte, Dörfer, Kanäle und Straßen zu abzusuchen. Es ist das erste derartige von der Harvard University geleitete Unterfangen in der vom Krieg zerrissenen Nation seit den frühen 1930er Jahren.

Schon jetzt zahle sich das Unterfangen aus, sagte Ur. In nur ein paar Monaten wurden rund 1.200 potenzielle Standorte identifiziert und in den kommenden Jahren könnten möglicherweise tausende weitere folgen. “Was wir sagen ist, dass dies zweifellos die reichhaltigste archäologische Landschaft im Mittleren Osten ist”, sagte Ur. “Aufgrund der Konfliktgeschichte und ethnischer Streitigkeiten in dieser Region wurden in diesem Gebiet kaum Arbeiten durchgeführt, deshalb ist es wirklich ein Tabula rasa und eine sehr aufregende Zeit.”

Unglücklicherweise, werde dieses unbeschriebene Blatt schnell durch die Entwicklung ausradiert, sagte er. “Eine der Herausforderungen dieses Projekts ist, dass es nur für eine begrenzte Zeit durchgeführt werden kann”, erklärte Ur. “Ich interessiere mich für die Auffindung individueller Orte und ich bin auch an dem Raum zwischen ihnen interessiert, sowie an den physikalischen Spuren der Landwirtschaft und den Straßen und Pfaden, die diese Orte miteinander verbinden. Diese Dinge gehören zu den vergänglichen Strukturen, die die Entwicklung auslöschen wird. Wir kommen genau zur richtigen Zeit, weil die Wirtschaft in Kurdistan wächst und die Entwicklung in dieser Region [förmlich] explodiert.”

Wo sich frühere Harvard-Expeditionen im Irak auf die Ausgrabung und Konservierung von Artefakten aus der antiken Stadt Nuzi konzentrierten, verwendet Ur Luftbilder, um die Region nach Anzeichen für antike Siedlungen und deren Verbindungen abzusuchen. “Diese Art von umfassenden Studien – und insbesondere Studien über ganze Landschaften – wurden vor den 1950er Jahren nicht gemacht”, sagte Ur. “Als Folge davon haben wir einige sehr helle Flecken – Orte, über die wir sehr viel wissen -, aber das umgebende Gebiet ist oft komplett dunkel. Diese Art von Arbeit dreht sich nicht um die Ausgrabung eines bestimmten Gebietes, sondern darum zu versuchen, eine vollständige Karte aller Orte in einer Region zu erstellen und sie zeitabhängig darstellen zu können, so dass wir das Wachstum und das Schrumpfen individueller Orte sehen können.” Um diese Siedlungsgeschichte zu verfolgen, stützt sich Ur auf ein ungewöhnliches archäologisches Werkzeug: Spionagesatelliten.

Mit freigegebenen Spionagesatellitenbildern aus den 1960er Jahren war er in der Lage, eine Reihe landschaftlicher Strukturen zu identifizieren, darunter auch antike Städte und Dörfer, sowie alte Pfade und Bewässerungskanäle. “Man würde mehrere Lebensspannen benötigen, um ein derart großes Gebiet mit – wie wir sagen – Fußgängermethoden zu untersuchen”, sagte Ur. Der echte Vorteil bei der Verwendung dieser Bilder ist jedoch, dass sie alt sind – sie sind älter als jegliche stattgefundene Entwicklung, deswegen sind sie wie eine Zeitmaschine. Wir können diese Bilder betrachten und sehen, wie die historische Landschaft aussah.”

Ur hofft auch, eine Beobachtungstechnik verwenden zu können, die er zusammen mit Bjoern Menze, einem Mitarbeiter des Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory vom MIT, entwickelt hat. Sie stützt sich auf Computer, um die Suche nach antiken Stätten in ausgedehnten Landgebieten zu automatisieren. Aber schon jetzt ist klar, dass die von Ur untersuchte Region bemerkenswert reich an antiken Stätten ist.

“Mit dem freigegebenen Material haben wir etwa 3.200 Quadratkilometer ausgewertet und mit 90-prozentiger Sicherheit rund 1.200 Stätten gefunden”, sagte Ur. “Aufgrund historischer Vorfälle und weil er seit so vielen Jahren ein Konfliktgebiet ist, haben wir einen der wichtigsten Orte der frühen Zivilisation übersehen. Jetzt können wir dorthin gehen und endlich beginnen zu verstehen, was all die Zeit dort war.”

Quelle: http://news.harvard.edu/gazette/story/2012/11/ancient-iraq-revealed/

(THK)

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