Ein internationales Team unter Leitung von Forschern der University of Warwick und der Oxford University beschäftigt sich derzeit mit unerwarteten Ergebnissen eines Experiments mit stark erhitztem (bis zu 17.000 Kelvin) Graphit. Die Ergebnisse könnten ein neues Problem für Physiker bedeuten, die sich mit laserinduzierter Kernfusion befassen, und könnte auch Astrophysiker dazu bringen, unser Wissen über den Lebenskreislauf von Riesenplaneten und Sternen neu zu überdenken.
Die Forscher hatten versucht, ein besseres Verständnis dessen zu bekommen, wie Energie zwischen den verschiedenen Materiearten geteilt wird, insbesondere wie sie von stark erhitzten Elektronen zu den schweren Atomkernen transferiert wird, die kühl blieben. Der Temperaturunterschied zwischen den heißen Elektronen und kühleren Ionen sollte sich schnell ausgleichen, wenn die Elektronen mit den Ionen interagieren. Deshalb ist die Zeit bis zum Erreichen einer gemeinsamen Temperatur ein gutes Maß für die Stärke der Wechselwirkung zwischen ihnen. Diese Interaktion definiert zum Beispiel auch, wie Wärme oder Strahlung aus dem Innern eines Planeten oder Sterns an seine Oberfläche transportiert wird und damit die planetare und stellare Entwicklung. Der Prozess ist außerdem entscheidend für die Kernfusion, wo die Elektronen durch Fusionsprodukte erhitzt werden, aber die Ionen müssen heiß sein, damit weitere Fusionsprozesse stattfinden.
Vorherige Experimente mit direkter Erhitzung mittels Laser wurden von Unsicherheiten bei der Präparation des Ziels und den Erhitzungsprozessen heimgesucht, was die Beobachtungen und Analyse erschwerte. Theoretische Modelle konnten zudem nicht die lange Zeit bis zum Temperaturausgleich erklären, die experimentell beobachtet wurde. Das von Wissenschaftlern aus Warwick und Oxford geleitete Team hoffte, diesen Unterschied mit einem wesentlich präziseren Experiment auflösen zu können. Statt der direkten Erhitzung durch einen Laser verwendeten sie intensive Protonenstrahlen, die durch eine neuartige Anordnung aus Lasern beschleunigt wurden. Die Erhitzung durch die Protonen resultiert in viel besser definierten Bedingungen, weil die Protonen nur die Elektronen aufheizen, allerdings in der gesamten Probe. Als Folge erhielten die Forscher eine saubere Probe mit Elektronen bei 17.000 Kelvin, während die Ionen bei ungefähr Raumtemperatur (etwa 300 Kelvin) verblieben.
Die Wissenschaftler fanden jedoch heraus, dass sich der Unterschied zwischen dem Modell und den beobachteten Ergebnissen stark vergrößerte, anstatt die Lücke zu schließen. Ihre präziseres Experiment zeigt, dass der Temperaturausgleich für heiße Elektronen und kühle Ionen tatsächlich dreimal langsamer ist, als vorherige Messungen gezeigt haben und mehr als zehnmal langsamer als das mathematische Modell vorhersagt. Das bedeutet, dass der grundlegende Prozess der Wechselwirkung zwischen Elektronen und Ionen nur schlecht verstanden ist. Weil derselbe Prozess auch viele andere Materialeigenschaften bestimmt, haben die Ergebnisse weitreichende Auswirkungen – von der Materialverarbeitung über Trägheitsfusion bis zu unserem Verständnis von astrophysikalischen Objekten. Dieses verblüffende Ergebnis wird sogar noch wichtiger, wenn es mit vorherigen Hinweisen für noch viel heißere Systeme kombiniert wird: All diese Daten deuten auf einen allgemeinen Mangel an Wissen hin, wenn Forscher die Wechselwirkungen von Elektronen und Ionen simulieren.
Dr. Dirk Gericke von der University of Warwick sagte: „Dies ist ein verblüffendes Ergebnis, was von uns erfordert, dass wir die Plasmaphysikmodelle nochmals betrachten, aber es wird auch eine entscheidende Bedeutung für Forscher haben, die Planeten und Weiße Zwerge studieren. Meine Kollegen bei der Laser-Fusion, die davon abhängen, dass ihre Laser eine hohe Energiemenge an Ionen und Elektronen gleichzeitig abgeben, werden sicherlich auch an unseren Resultaten interessiert sein.“
Dr. Gianluca Gregori von der University of Oxford sagte: „Ich denke, die Ergebnisse schicken die Theoretiker zurück ans Reißbrett, was die Simulation der Wechselwirkungen zwischen Teilchen in dichter Materie angeht. Das breite Spektrum der Auswirkungen und der große Temperaturbereich, in dem diese Probleme gefunden wurden, machen die Resultate so wichtig.“
Quelle: http://www2.warwick.ac.uk/newsandevents/pressreleases/graphite_experiment_shines
(THK)
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