Die Überprüfung von Einsteins berühmter Gleichung im Weltall

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie krümmen große Massen, zum Beispiel Planeten wie die Erde, den Raum. (Illustration: NASA)
Nach der allgemeinen Relativitätstheorie krümmen große Massen, zum Beispiel Planeten wie die Erde, den Raum. (Illustration: NASA)

Der Physiker Andrei Lebed von der University of Arizona (UA) hat die Physik-Gemeinde mit einer faszinierenden Theorie verblüfft, die noch experimentell getestet werden muss: Dass die berühmteste Formel der Welt, Albert Einsteins E=mc2, korrekt sein könnte oder auch nicht – abhängig davon, wo im Weltraum man sich befindet.

Mit den ersten Atombomben-Explosionen wurde die Welt Zeuge eines der wichtigsten und folgenreichsten Prinzipien in der Physik: Energie und Masse sind grundsätzlich gesehen dasselbe und können tatsächlich ineinander umgewandelt werden.

Dies wurde erstmals durch Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie demonstriert und bekanntlich in seiner berühmten Formel E=mc2 ausgedrückt, in der E für Energie steht, m für Masse und c für die Lichtgeschwindigkeit (zum Quadrat).

Obwohl Physiker Einsteins Gleichung seitdem mit zahllosen Experimenten und Berechnungen bestätigt haben und sich viele Technologien wie Mobiltelefone und GPS-Navigation auf sie stützen, hat der Physik-Professor Andrei Lebed von der University of Arizona die Physik-Gemeinde aufgerüttelt, indem er andeutet, dass E=mc2 unter bestimmten Umständen nicht mehr gelten könnte.

Der Schlüssel zu Lebeds Argument liegt im Konzept der Masse selbst. Dem akzeptierten Paradigma zufolge gibt es keinen Unterschied zwischen der Masse eines bewegten Objekts, die durch ihre Trägheit definiert werden kann, und der Masse, die dem Objekt durch ein Gravitationsfeld verliehen wird. In einfachen Worten: Die träge Masse lässt den Kotflügel eines Autos beim Aufprall auf ein anderes Fahrzeug verbiegen, wohingegen die gravitative Masse gemeinhin als “Gewicht” angesehen wird.

Dieses Äquivalenzprinzip zwischen den trägen und den gravitativen Massen – in der klassischen Physik von Galileo Galilei und in der modernen Physik von Albert Einstein eingeführt – wurde mit einem hohen Grad an Genauigkeit bestätigt. “Aber meine Berechnungen zeigen, dass es oberhalb einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine kleine, aber reelle Möglichkeit gibt, dass die Gleichung für eine gravitative Masse zusammenbricht”, sagte Lebed.

Wenn man das Gewicht von Quantenobjekten (etwa einem Wasserstoffatom) misst, dann wird das Ergebnis im Großteil der Fälle dasselbe sein, aber ein winziger Bruchteil dieser Messungen gibt eine andere Interpretation, eine scheinbare Verletzung von E=mc2. Das hat Physikern Kopfzerbrechen bereitet, aber es könnte erklärt werden, falls die gravitative Masse nicht die gleiche wie die träge Masse war, was ein Paradigma in der Physik ist.

“Die meisten Physiker stimmen dem nicht zu, weil sie glauben, dass gravitative Masse und träge Masse exakt gleich sind”, sagte Lebed. “Aber mein Standpunkt ist, dass die gravitative Masse aufgrund von einigen Quanteneffekten in der Allgemeinen Relativität (das ist Einsteins Gravitationstheorie) möglicherweise nicht mit der trägen Masse übereinstimmt. Meines Wissens nach hat dies bislang noch niemand vorgeschlagen.”

Lebed präsentierte seine Berechnungen und deren Auswirkungen im vergangenen Sommer auf dem Marcel Grossmann Meeting in Stockholm, wo die Gemeinschaft sie gleichermaßen mit Skepsis und Neugier begrüßte. Die Konferenz wird alle drei Jahre abgehalten und von rund 1.000 Wissenschaftlern aus aller Welt besucht. Sie konzentriert sich auf theoretische und experimentelle Allgemeine Relativität, Astrophysik und relativistische Feldtheorien. Lebeds Ergebnisse werden im Februar in den Berichten der Konferenz veröffentlicht.

In der Zwischenzeit hat Lebed seine Gutachter eingeladen, seine Berechnungen zu prüfen und ein Experiment vorgeschlagen, um seine Schlussfolgerungen zu testen. Er veröffentlichte es in der weltgrößten Preprint-Sammlung der Cornell University Library:
http://xxx.lanl.gov/abs/1111.5365
http://xxx.lanl.gov/abs/1205.3134
http://xxx.lanl.gov/abs/1208.5756

“Das wichtigste Problem in der Physik ist die vereinheitlichende Theorie von Allem (Unifying Theory of Everything) – eine Theorie, die alle in der Natur beobachteten Kräfte beschreiben kann”, sagte Lebed. “Das Hauptproblem auf dem Weg zu solch einer Theorie ist die Vereinigung der relativistischen Quantenmechanik mit der Gravitation. Ich versuche, eine Verbindung zwischen Quantenobjekten und der Allgemeinen Relativität herzustellen.” Der Schlüssel zum Verständnis von Lebeds Schlussfolgerung ist die Gravitation. Zumindest auf dem Papier zeigte er, dass E=mc2 für die träge Masse immer korrekt ist, nicht aber für die gravitative Masse. “Das bedeutet vermutlich, dass gravitative Masse und träge Masse nicht das Gleiche sind”, sagte er.

Laut Einstein ist die Gravitation eine Folge einer Krümmung des Raums selbst. Man denke an eine Matratze, auf der verschiedene Objekte liegen, sagen wir ein Tischtennisball, ein Baseball und eine Bowlingkugel. Der Tischtennisball wird keine sichtbare Delle verursachen, der Baseball wird eine sehr kleine erzeugen und die Bowlingkugel wird in den Schaumstoff einsinken. Sterne und Planeten tun dasselbe mit dem Raum. Je größer die Masse eines Objekts ist, desto größer wird die Delle sein, die es im Gefüge des Raums hervorruft.

Mit anderen Worten: je mehr Masse, desto stärker die Gravitationskraft. In diesem Konzeptmodell der Gravitation ist es leicht zu sehen, wie ein kleines Objekt (zum Beispiel ein Asteroid, der durch den Weltraum fliegt) letztendlich in der Vertiefung eines Planeten gefangen würde – eingefangen von dessen Gravitationsfeld.

“Der Raum hat eine Krümmung”, sagte Lebed, “und wenn man eine Masse im Weltraum bewegt, dann stört die Krümmung diese Bewegung.” Dem Physiker der UA zufolge ist es die Krümmung des Raums, was die gravitative Masse von der trägen Masse unterscheidet.

Schematische Darstellung eines Wasserstoffatoms. Wenn das Elektron (blau) von einem höheren Energiezustand in den ursprünglichen Energiezustand zurückfällt, wird ein Photon emittiert. (University of Arizona)
Schematische Darstellung eines Wasserstoffatoms. Wenn das Elektron (blau) von einem höheren Energiezustand in den ursprünglichen Energiezustand zurückfällt, wird ein Photon emittiert. (University of Arizona)

Lebed schlug vor, seine Theorie zu testen, indem man das Gewicht des einfachsten Quantenobjekts misst: ein einzelnes Wasserstoffatom, das nur aus einem Kern (einem einzelnen Proton) und einem einsamen Elektron besteht, das den Kern umkreist. Weil er erwartet, dass der Effekt extrem klein sein wird, würden viele Wasserstoffatome benötigt werden.

Hier ist die Theorie: Gelegentlich springt das Elektron, das den Atomkern umkreist, in einen höheren Energiezustand, was man sich grob als einen größeren Orbit vorstellen kann. Nach kurzer Zeit fällt das Elektron zurück in seinen vorherigen Energiezustand. Laut E=mc2 wird sich die Masse des Wasserstoffatoms mit der Veränderung der Energiezustände verändern.

So weit, so gut. Aber was würde passieren, wenn wir dasselbe Atom von der Erde wegbewegen, wo der Raum nicht länger gekrümmt sondern flach ist? Richtig vermutet: Das Elektron könnte nicht in höhere Energiezustände springen, weil es im flachen Raum auf seinen primären Energiezustand beschränkt wäre. Im flachen Raum gibt es kein Herumspringen. “In diesem Fall kann das Elektron nur den ersten Zustand des Wasserstoffatoms besetzen”, erklärte Lebed. “Es erfährt die Krümmung der Gravitation nicht.”

“Dann bewegen wir es nahe an das Gravitationsfeld der Erde und durch die Krümmung des Raums gibt es eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Elektron vom ersten Energiezustand in den zweiten springt. Und jetzt wird die Masse eine andere sein”, fuhr Lebed fort.

“Man hat Berechnungen der Energiezustände hier auf der Erde durchgeführt, aber das sagt nichts aus, weil die Krümmung dieselbe bleibt – es gibt keine Störung”, sagte Lebed. “Aber was man vorher nicht berücksichtigt hatte war die Möglichkeit, dass das Elektron vom ersten in den zweiten Energiezustand springt, weil die Krümmung das Atom stört.”

“Anstelle das Gewicht direkt zu messen, würden wir diese Energiesprung-Ereignisse registrieren, die sich durch emittierte Photonen, also Licht, bemerkbar machen würden”, erklärte er. Lebed schlug das folgende Experiment vor, um seine Hypothese zu testen: Man schickt eine kleine Raumsonde mit einem Wasserstofftank und einem empfindlichen Fotodetektor auf eine Reise in den Weltraum. Im Weltall ist das Verhältnis zwischen Masse und Energie für das Atom dasselbe, aber nur weil der flache Raum dem Elektron keinen Wechsel der Energiezustände erlaubt. “Wenn wir näher an der Erde sind, stört die Krümmung des Raums das Atom und es gibt eine Möglichkeit für das Elektron, [in einen anderen Energiezustand] zu springen und dadurch ein Photon zu emittieren, das von dem Detektor registriert wird”, sagte er.

Abhängig von seinem Energiezustand ist das Verhältnis zwischen Masse und Energie unter dem Einfluss eines Gravitationsfeldes nicht länger feststehend. Lebed sagte, die Raumsonde müsse nicht sehr weit fliegen. “Wir müssten die Sonde zwei oder drei Erdradien weit schicken und es wird funktionieren.”

Laut Lebed ist seine Arbeit der erste Vorschlag, um die Kombination aus Quantenmechanik und Einsteins Gravitationstheorie im Sonnensystem zu überprüfen. “Es gibt keine direkten Tests über die Verbindung dieser beiden Theorien”, sagte er. Es ist nicht nur aus dem Blickwinkel wichtig, dass gravitative Masse nicht das Gleiche wie träge Masse ist, sondern auch, weil viele diese Verbindung als eine Art Monster ansehen. Ich möchte diese Verbindung gerne testen. Ich möchte sehen, ob es funktioniert oder nicht.”

Quelle: http://www.uanews.org/story/testing-einsteins-emc2-outer-space

(THK)

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