
Astronomen vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) haben 2005 eine bemerkenswerte Zufallsentdeckung gemacht: einen extrem schnellen Stern, der sich mit über drei Millionen Kilometern pro Stunde fortbewegt. Er scheint vor etwa 80 Millionen Jahren aus der Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum fortkatapultiert worden zu sein. Der Grund dafür könnten Auswirkungen der Gravitation gewesen sein, als er an dem Schwarzen Loch vorbeiflog. Der Stern rast aus der Galaxie heraus, was dem Bild eines massereichen Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum noch mehr Plausibilität verleiht. Es unterstützt Berechnungen, wie Schwarze Löcher mit ihren sternreichen Umgebungen interagieren.
Andere Hochgeschwindigkeitssterne und weniger schnell rasende Irrläufer wurden ebenfalls entdeckt. Die meisten von ihnen wurden durch einen der beiden anderen Gravitationsmechanismen beschleunigt: das Herauskatapultieren aus einem dichten Sternhaufen, wenn zufällige Bewegungen die Sterne auf eine katapultähnliche Umlaufbahn bringen, oder das Herauskatapultieren aus einem Supernova-Doppelsternsystem, nachdem die Supernova explodiert ist und den Stern aus seiner Umlaufbahnen entlässt.
Ein Doppelstern ist ein Sternenpaar, das sich gegenseitig umkreist und viele (vielleicht die meisten) Sterne sind Mitglieder von Doppelsternsystemen. Bis jetzt wurden keine Hochgeschwindigkeits-Doppelsterne entdeckt. Ihre Existenz wurde allerdings vorausgesagt, wobei mindestens eine Theorie besagt, dass die Entdeckung eines Hochgeschwindigkeits-Doppelsterns darauf hindeuten könnte, dass das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie selbst ein Doppelsystem ist.
Die CfA-Astronomen Warren Brown und Scott Kenyon und ihre Kollegen entschieden sich, den Fall des besonderen Irrläufer-Doppelsterns LP400-22 zu untersuchen. Das Doppelsternsystem besteht aus zwei sehr alten, einander umkreisenden Sternen, sogenannten Weißen Zwergen, die momentan rund 1.400 Lichtjahre von uns entfernt sind. Das Objekt ist einzigartig und stellt das einzige bekannte Irrläuferpaar aus Weißen Zwergen dar. Außerdem ist seine Geschwindigkeit höher als die der meisten anderen Irrläufer. Die Astronomen untersuchten seine Bewegung am Himmel über einen Zeitraum von fünf Jahren und schlussfolgerten aus seiner Bahn in der Galaxie, dass es mit Sicherheit nicht aus der Umgebung des galaktischen Zentrums herauskatapultiert wurde. Sie berichten, dass der Supernova-Mechanismus ebenfalls sehr unwahrscheinlich sei, weil es im Röntgenbereich keine Hinweise auf den Überrest einer solchen Supernova gebe.
Das Team schließt daraus, dass der wahrscheinliche Ursprung dieses Doppelsternsystems in einem dichten Sternhaufen liegt, und in der Tat konnten sie die Bahn vorläufig zu einem von mehreren in Frage kommenden Kugelsternhaufen zurückverfolgen. Das Irrläuferpaar war dort entweder an einer Mehrkörper-Wechselwirkung beteiligt oder es war ursprünglich Teil eines Dreifachsystems, das von einem mittelschweren Schwarzen Loch in dem Kugelsternhaufen auseinandergerissen wurde. Obwohl das Ergebnis der Arbeit nicht die Eigenschaften des Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum behandelte, liefert es wichtige Einblicke in Irrläufer, Doppelsternsysteme aus Weißen Zwergen und die komplexen Wechselwirkungen in dichten Sternhaufen.
Abhandlung: „The Runaway Binary LP 400-22 is Leaving the Galaxy“ von Mukremin Kilic, A. Gianninas, Warren R. Brown, Hugh C. Harris, Conard C. Dahn, M. A. Agueros, Craig O. Heinke, S. J. Kenyon, J. A. Panei und Fernando Camilo, MNRAS, 434, 3582, 2013.
Quelle: http://www.cfa.harvard.edu/news/2013/su201339.html
(THK)
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