Auf der Suche nach 1,5 Millionen Jahren aufgezeichneter Klimageschichte

Die blauen Gebiete kennzeichnen die Regionen in Antarktika, in denen man bis zu 1,5 Millionen Jahre altes Eis finden könnte. Sie befinden sich in der Nähe des Südpols und nahe der größten Erhebungen des antarktischen Eisschildes. (Van Liefferinge and Pattyn)
Die blauen Gebiete kennzeichnen die Regionen in Antarktika, in denen man bis zu 1,5 Millionen Jahre altes Eis finden könnte. Sie befinden sich in der Nähe des Südpols und nahe der größten Erhebungen des antarktischen Eisschildes. (Van Liefferinge and Pattyn)

Wie weit in die Vergangenheit können Eiskern-Aufzeichnungen reichen? Forscher haben in Antarktika jetzt Regionen identifiziert, welche ihnen zufolge Informationen über das Erdklima und Treibhausgase enthalten könnten, die bis zu 1,5 Millionen Jahre zurückreichen – fast doppelt so alt wie der bislang älteste gebohrte Eiskern. Die Ergebnisse wurden am 5. November 2013 in Climate of the Past veröffentlicht, einem Open-Access-Journal der European Geosciences Union (EGU).

Indem sie das Klima der Vergangenheit studieren, können Wissenschaftler besser verstehen, wie die Temperatur auf Veränderungen der Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre reagiert. Das wiederum erlaubt ihnen, bessere Vorhersagen darüber zu treffen, wie sich das Klima in der Zukunft verändern wird.

“Eiskerne enthalten kleine Luftbläschen und stellen daher das einzige direkte Archiv über die Zusammensetzung der Atmosphäre in der Vergangenheit dar”, sagte Hubertus Fischer, ein Professor für experimentelle Klimaphysik von der Universität Bern (Schweiz) und leitender Autor der Studie. Ein 3,2 Kilometer langer Eiskern, der vor fast einem Jahrzehnt in Dome Concordia (Dome C) in Antarktika gebohrt wurde, offenbarte 800.000 Jahre der Klimageschichte und zeigte, dass sich die Treibhausgase und die Temperatur größtenteils im Gleichklang veränderten. Jetzt möchte ein internationales Forschungsteam herausfinden, was davor geschah.

Im Mittelpunkt ihrer Bemühungen liegt ein Klimawandel, der sich laut Untersuchungen an Meeressedimenten vor 1.200.000 bis 900.000 Jahren vollzog. “Der Wandel im Mittelpleistozän ist ein sehr wichtiges und rätselhaftes Zeitintervall in der jüngeren Klimageschichte unseres Planeten”, sagte Fischer. Das Klima der Erde schwankt über tausende Jahre natürlicherweise zwischen Phasen der Erwärmung und Perioden extremer Abkühlung (Eiszeiten). Vor dem Wandel lag die Zeitspanne für die Veränderung bei 41.000 Jahren; danach betrug sie 100.000 Jahre. “Die Ursache für diese Veränderung ist nicht bekannt.”

Klimaforscher denken, dass Treibhausgase bei dem Erzwingen dieses Wandels eine Rolle spielten, aber sie müssen in das Eis hineinbohren, um ihre Vermutungen zu bestätigen. “Die Informationen über Treibhausgas-Konzentrationen zu der Zeit können nur aus antarktischen Eiskernen gewonnen werden, die die vergangenen 1,5 Millionen Jahre abdecken. So ein Eiskern existiert noch nicht, aber das Eis aus dieser Zeit sollte prinzipiell in dem Eisschild der Antarktis verborgen sein.”

Wenn Schnee fällt und sich auf der Oberfläche eines Eisschildes absetzt, wird er durch das Gewicht von neuem Schnee verdichtet und über tausende Jahre in festes Gletschereis verwandelt. Das Gewicht der oberen Eisschichten führt dazu, dass sich das tiefe Eis ausbreitet, wobei die jährlichen Eisschichten mit zunehmender Tiefe dünner und dünner werden. Das produziert sehr altes Eis in Tiefen nahe des Grundgesteins.

Tiefer zu bohren, um einen längeren Eiskern zu bekommen, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man einen Kern findet, der weiter in die Vergangenheit reicht. “Wenn die Eisdicke zu groß ist, wird das alte Eis darunter aufgrund von geothermaler Erwärmung so warm, dass es wegschmilzt”, erklärte Fischer. “Genau das geschieht in Dome Concordia und begrenzt das Alter des Eises auf 800.000 Jahre.” Um die Dinge noch weiter zu erschweren, können horizontale Bewegungen des Eises über das Grundgestein das unterste Eis stören, wodurch sich die jährlichen Schichten vermischen.

“Um die möglichen Orte einzugrenzen, wo solch 1,5 Millionen Jahre altes (und bezogen auf seine Schichtung ungestörtes) Eis in Antarktika gefunden werden könnte, trugen wir die verfügbaren Daten über die Klima- und Eisbedingungen in der Antarktis zusammen. Wir verwendeten ein einfaches Eis- und Wärmeflussmodell, um größere Gebiete zu lokalisieren, in denen derart altes Eis existieren könnte”, erläuterte der Co-Autor Eric Wolff vom British Antarctic Survey, der jetzt an der University of Cambridge arbeitet.

In der neuen Studie schlussfolgert das Team, dass am Boden Ost-Antarktikas, in Regionen nahe den höchsten Erhebungen des Eisschildes (den Domen) und nahe des Südpols noch immer 1,5 Millionen Jahre altes Eis existieren könnte. Diese Ergebnisse bestätigen das Resultat einer anderen Studie, die ebenfalls kürzlich in Climate of the Past veröffentlicht wurde. Außerdem gelangten sie zu der wichtigen Erkenntnis, dass ein Eiskern, der so weit in die Vergangenheit reicht, zwischen 2,4 und drei Kilometer lang sein sollte – kürzer als der 800.000 Jahre alte Eiskern, der im Rahmen der vorherigen Expedition gebohrt wurde.

Der nächste Schritt wird sein, die identifizierten, möglichen Bohrstellen zu untersuchen, um die Eisdicke und Temperatur am Grund des Eisschildes zu bestimmen, bevor eine endgültige Bohrstelle ausgewählt wird. “Ein Tiefbohrprojekt in Antarktika könnte innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre beginnen”, sagte Fischer. “Diese Zeitspanne würde auch gebraucht werden, um die Bohrung logistisch zu planen und die Finanzierung für solch ein aufregendes, großes internationales Forschungsprojekt aufzubringen, das um die 50 Millionen Euro kosten würde.”

Quelle: http://www.egu.eu/news/77/the-oldest-ice-core-finding-a-15-million-year-record-of-earths-climate/

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*