Nachdem wir vor einigen Wochen bereits das Deutsche Museum in München besucht hatten und sehr begeistert waren, haben wir kürzlich auch dessen kleinerer Zweigstelle in Bonn einen Besuch abgestattet. Das Deutsche Museum Bonn ist zwar deutlich kleiner, aber keineswegs weniger interessant als das Hauptmuseum in der bayerischen Landeshauptstadt. Es konzentriert sich auf wichtige Meilensteine aus Wissenschaft und Technik, die in den letzten rund 70 Jahren entwickelt wurden. Die Sammlungen umfassen ungefähr 100 Exponate, darunter handschriftliche Aufzeichnungen über bahnbrechende Entdeckungen und zahlreiche technische Errungenschaften, die zum Teil schon vor langer Zeit den Weg in unseren Alltag gefunden haben.
Das Deutsche Museum Bonn kooperiert mit mehreren Verbänden, Regierungsstellen und wissenschaftlichen Einrichtungen, um Kindern möglichst früh einen Einblick in die Welt der Wissenschaft und Technik zu geben – natürlich auf eine spielerische Art und Weise. Zu diesem Zweck unterhält das Museum beispielsweise direkt im Eingangsbereich eine gut ausgestattete Experimentierküche. Das Ziel des spielerischen Lernens und Experimentierens mit handelsüblichen Substanzen, die in jeder Küche zu finden sind, ist es, die Kinder zu kritischen und eigenverantwortlichen Verbrauchern zu erziehen, beziehungsweise die Grundlagen dafür zu schaffen. Selbstverständlich sind sämtliche Experimente völlig ungefährlich und finden unter fachlich und pädagogisch erfahrener Aufsicht statt.
Die Erkenntnisse über die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und kosmetischen Produkten, die aus den Experimenten in Küche gewonnen werden, sind aber nur eine von vielen Möglichkeiten, um den Kindern Wissenschaft nahe zu bringen. Direkt hinter der Küche schließt sich das sogenannte Schlauspielhaus an, in dem die nächste Forschergeneration (?) einen kurzen Streifzug durch die Wissenschaftsgeschichte der letzten 60 Jahre unternehmen kann.
Das Motto des Schlauspielhauses könnte “Greifen und Begreifen” lauten: Die jeweiligen Themen werden nicht nur mit leicht verständlichen Lerntafeln erklärt, sondern sind meist auch als realer Versuchsaufbau vorhanden. Mit einem frei beweglichen Gebläse und einem auf dem Luftstrom schwebenden Plastikball wird etwa das Strömungsverhalten der Luft anschaulich gemacht. Andere physikalische Gesetze werden durch rotierende Scheiben, Kugelbahnen und andere Versuche erklärt. Workshops für Kinder unterschiedlicher Altersklassen und Interessengebiete (Elektrotechnik, Magnetismus, Astronomie, Wetter, etc.) runden das umfassende Angebot ab.
Hinter dem eher auf Kinder zugeschnittenen Schlauspielhaus folgt der Eingangsbereich zu den Sammlungen und Sonderausstellungen des Deutschen Museums. Man betritt den oberen von zwei Rundgängen, die in zwei Etagen um eine zentrale Halle angeordnet sind, auf die wir später noch zu sprechen kommen werden.
Die Besucher können sich natürlich frei bewegen und die Objekte anschauen, die sie am meisten interessieren. Um einen Überblick über die wichtigsten Ausstellungsstücke und ihre jeweilige Bedeutung für die Wissenschaft zu bekommen, ist es aber empfehlenswert, an einer der regelmäßigen Führungen teilzunehmen. Die Besucherbetreuer gehen individuell auf die verschiedenen Interessenschwerpunkte der Teilnehmer ein und passen ihre Erklärungen entsprechend an.
So tat es auch Herr Schöniger, der freundliche Besucherbetreuer von nebenan, um es mal so auszudrücken. Wir hatten das Glück, dass unsere Teilnehmergruppe recht überschaubar war und Herr Schöniger sich viel Zeit nehmen konnte, um Fragen zu den einzelnen Themengebieten auf humorvolle und trotzdem kompetente Weise zu beantworten.
Die Führung begann mit dem Themenbereich der Nanotechnologie. Anhand eines einfachen Experiments (siehe das Bild oben) demonstrierte Herr Schöniger den Unterschied zwischen der uns vertrauten Mikro- beziehungsweise Makrowelt und der Nanowelt. Auf dem Bild ist eine ölige Flüssigkeit zu sehen, die mit Eisenspänen angereichert ist. Mit normal großen Eisenspänen im Größenbereich von Millimetern wäre das hier gezeigte Verhalten nicht möglich, weil die Späne bereits vorher verklumpen würden. Erst bei Größen im Nanobereich (1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter) treten diese Effekte auf. Die Eisenspäne verklumpen nicht mehr und das Öl verhält sich wie eine magnetische Flüssigkeit, die mit Magnetfeldern nach Belieben manipuliert werden kann. Das Verhalten sieht nicht nur faszinierend aus, sondern hat auch viele Anwendungsmöglichkeiten, unter anderem bei der Bekämpfung von Krebstumoren.
Die nächste Station unserer kleinen Rundreise durch das Museum beschäftigte sich mit grundlegenden Begriffen der Teilchenphysik, um die Teilnehmer schon einmal ein wenig auf die Sonderausstellung vorzubereiten. Woraus bestehen Atome? Was sind Ionen? Wie entstehen die verschiedenen Elemente? Neben diesen Fragen beantwortete Schöniger auch kurz eingeworfene Nachfragen seitens der Besucher.
Die Themen der folgenden Zwischenstopps näherten sich immer mehr der Sonderausstellung: Über die Funktionsweise eines Caesium-Magnetometers, das bei archäologischen Ausgrabungen zum Einsatz kommt, und einigen Erläuterungen zur Motor- und Computertechnik wandten wir uns schließlich dem Leben und Werken eines Wissenschaftlers zu, der bahnbrechende Arbeiten geleistet hat.
Sonderausstellung: Wolfgang Paul – Der Teilchenfänger
Wolfgang Paul (nicht zu verwechseln mit dem Physiker Wolfgang Pauli) war ein Physiker, der an vielen namhaften Einrichtungen tätig war, unter anderem am Kernforschungszentrum CERN, am Deutschen Elektronensychrotron DESY in Hamburg und an der Universität Bonn. Der 1913 in Lorenzkirch (Sachsen) geborene Paul ist ein Pionier der Teilchenphysik und forschte auf mehreren Teilgebieten, die unter diesem Oberbegriff zusammengefasst werden können oder zumindest größtenteils auf diesen Erkenntnissen aufbauen.
Paul forschte an Atomstrahlen und der Massenspektrometrie, untersuchte die Elektronenstreuung an Materie und gewann bedeutende Informationen über die Wirkung der Strahlen auf biologisches Gewebe. Mit seinen innovativen Ideen ebnete er den Weg für viele Technologien, die heute in praktisch jedem Wissenschaftslabor zu finden sind.
Die Sonderausstellung macht ihrem Namen alle Ehre: Das Leben und die Arbeit Wolfgang Pauls werden auf umfangreichen Schautafeln chronologisch dargestellt und erklärt, immer ergänzt durch wichtige Ausstellungsstücke, die mit den Beschreibungen in Zusammenhang stehen. Auch wenn die Texte allgemein leicht verständlich sind, bleibt das Thema an sich sehr komplex. Wer sprichwörtlich tiefer in die Materie eintauchen möchte, sollte sich daher einer Führung durch die Sonderausstellung anschließen.
Auch unserer Ansprechpartner Herr Schöniger orientierte sich mit seinen Erläuterungen an der zeitlichen Abfolge der Schautafeln, um die Arbeit Pauls und deren Bedeutung zu schildern: Er begann am Anfang – sogar wortwörtlich. Am Anbeginn der Zeit, dem Urknall. Eine winzige Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie sorgte schließlich dafür, dass sich das Universum so entwickeln konnte, wie wir es heute beobachten. Direkt nach dem Urknall war das Universum allerdings noch viel zu heiß; die Bausteine der Atome und die Atome selbst entstanden erst, nachdem es ein paar hunderttausend Jahre lang expandierte und abkühlte. Zunächst gab es im ganzen Universum nur die einfachsten chemischen Elemente: Wasserstoff und Helium. Alle schweren Elemente bis hin zu Eisen, so referierte Schöniger, wurden im Innern der ersten Sterne erbrütet – ein Prozess, der als Nukleosynthese bezeichnet wird. Noch schwerere Elemente entstehen bei Supernova-Explosionen und werden dabei in den Weltraum geschleudert.
Solche Elemente zeigen oft radioaktive Eigenschaften, wie es zum Beispiel bei Uran der Fall ist. Radioaktivität und Ionisation (das Herausschlagen von Elektronen aus Atomen oder Molekülen aufgrund hochenergetischer Strahlung oder durch starke elektrische Felder) sind äußerst wichtige Prozesse in der Teilchenphysik. Das Deutsche Museum Bonn verfügt über eine Nebelkammer und eine Funkenkammer, in denen bestimmte Strahlungsarten (Alpha-, Beta- und Gammastrahlung) quasi live vor den Augen der Besucher nachgewiesen werden. Die Strahlen durchdringen ständig den Raum und lösen innerhalb der Kammern eine Reaktion aus, so dass die Bahn des auslösenden Teilchens kurzzeitig nachverfolgt werden kann. Paul leistete wichtige Beiträge zum Verständnis der dabei ablaufenden physikalischen Prozesse.
Für seine herausragendste Leistung erhielt Wolfgang Paul im Jahr 1989, vier Jahre vor seinem Tod, den Nobelpreis für Physik. Er entwickelte eine Ionenfalle, die nach ihm benannt wurde, die sogenannte Paul-Falle. Er selbst bevorzugte jedoch den Begriff Ionenkäfig, da er dem Begriff “Falle” immer auch eine gewisse Zufallskomponente zuschrieb, was nicht seiner Meinung über die Funktionsweise dieses Ionenkäfigs entsprach. Neben mehreren Ionenkäfigen und Modellen, die dessen Funktionsweise auf Beispiele aus der Mechanik übertragen, kann das Deutsche Museum auch mit einem besonderen Schwergewicht aufwarten, das maßgeblich auf den Arbeiten Wolfgang Pauls beruht: An einer Seite der Halle wurde der halbe Ring eines Teilchenbeschleunigers aufgebaut, der seinerzeit gegen Ende der 1950er Jahre der einzige seiner Art in Europa war (siehe das untenstehende Bild).
Die Anlage beschleunigte Elektronen auf Energien von 500 Millionen Elektronenvolt, wobei das Prinzip der starken Fokussierung verwendet wurde. Zu der Zeit, gegen Ende der 1950er Jahre, war das wie das Betreten von Neuland in Europa. Das Synchrotron war bis 1984 in Betrieb und bildete mit seinen Fähigkeiten die Basis für zig Diplom- und Doktorarbeiten. Außerdem kann es im übertragenen Sinne als Vater des weitaus leistungsfähigeren Deutschen Elektronensynchrotrons DESY in Hamburg betrachtet werden.
Wie bereits erwähnt ist das Deutsche Museum Bonn im Vergleich zum Hauptmuseum in München recht klein. Aber trotzdem würde die Beschreibung aller Exponate den Rahmen dieses Artikels sprengen, weswegen wir hier nun langsam zum Ende kommen und dem interessierten Leser empfehlen, sich selbst ein Bild von dem Museum und seinen tollen Ausstellungsstücken zu machen. Weitere Informationen zu den Sammlungen und Ausstellungen, sowie zu den Eintrittspreisen und Öffnungszeiten gibt es auf der Website des Deutschen Museums Bonn. Die Sonderausstellung über Wolfgang Paul wird noch bis zum 24. August 2014 gezeigt.
An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal ausdrücklich bei dem freundlichen Team des Museums bedanken, insbesondere bei Herrn Schöniger für die humorvolle und kompetente Reise durch fast 70 Jahre Wissenschaftsgeschichte und Teilchenphysik.
Die Redaktion von astropage.eu
(THK)
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