Seit Darwins Beobachtungen dachte man, dass Vogelgesang eine männliche Eigenschaft für das Umwerben von Weibchen ist, die zu dem verführerischsten Gesang eines Männchens hingezogen werden. Eine internationale Studie unter Leitung der University of Maryland hat diese Vorstellung der sexuellen Selektion auf den Kopf gestellt und herausgefunden, dass der Gesang von Weibchen ebenfalls ein wichtiger Teil der Entwicklung von Singvögeln ist. An der Studie waren auch Forscher der University of Melbourne beteiligt.
Eine Autorin dieser Studie, Dr. Michelle Hall vom Department of Zoology der University of Melbourne, sagte: „Der Gesang von Weibchen wurde lange Zeit nicht beachtet. An Orten wie den Tropen singen sowohl männliche als auch weibliche Singvögel das ganze Jahr über und der Gesang von Weibchen ist in Australien häufig anzutreffen.“ Die Studie verwendete vorhandene globale genetische Daten und setzte sie zu neuen Daten in Beziehung, die beschreiben, ob der Gesang von Weibchen ein Merkmal verschiedener Singvogelarten ist.
„Wir erschufen einen Evolutionsbaum der weltweiten Singvogelarten, darunter südwestpazifische Abstammungslinien, von denen wir wissen, dass sie näher an den ‚alten‘ Singvögeln der Vergangenheit liegen würden. Von den Singvögeln, die wir untersuchten, hatten nicht nur 71 Prozent einen von Weibchen dargebrachten Gesang, es gibt darüber hinaus eine 92-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür, dass der gemeinsame Vorfahre heutiger Singvögel einen weiblichen Gesang besaß. Der Gesang ist also nicht nur der Auftritt eines Männchens, sondern er ist komplexer, als wir ursprünglich dachten“, ergänzte Hall.
Die Wissenschaftler sagen, die lange beibehaltene Auffassung des Vogelgesangs als männliche Domäne gehe auf Darwins Beobachtungen in der nördlichen Hemisphäre zurück, wo der Gesang von Weibchen weniger häufig vorkommt. Die neue Forschungsarbeit nutzt die Vorteile der Genetik und globale Daten, die für Darwin nicht verfügbar waren. Sie lässt darauf schließen, dass der von Darwin beobachtete Unterschied zwischen den Geschlechtern wahrscheinlicher darin begründet ist, dass die Weibchen vieler Arten auf der Nordhalbkugel infolge eines Evolutionsprozesses mit dem Gesang aufhörten. Der Unterschied ist demnach nicht darauf zurückzuführen, dass sich der Gesang nur bei Männchen entwickelte.
Die Ergebnisse mit dem Titel „Female song is widespread and ancestral in songbirds“ wurden am 5. März 2014 im Journal Nature Communications veröffentlicht. Sie basieren auf einer internationalen Zusammenarbeit zwischen der University of Maryland in den Vereinigten Staaten, der University of Melbourne in Australien, der Leiden University in den Niederlanden und der Australian National University.
Quelle: http://newsroom.melbourne.edu/femalesong
(THK)
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