Cold Atom Laboratory kühlt Materie auf neue Tiefstwerte

Diese Bildsequenz aus Falschfarbenaufnahmen zeigt die Entstehung eines Bose-Einstein-Kondensats im Prototyp des Cold Atom Laboratory. Rot weist auf eine höhere Dichte hin. (NASA / JPL-Caltech)
Diese Bildsequenz aus Falschfarbenaufnahmen zeigt die Entstehung eines Bose-Einstein-Kondensats im Prototyp des Cold Atom Laboratory. Rot weist auf eine höhere Dichte hin. (NASA / JPL-Caltech)

Das Cold Atom Laboratory (CAL) der NASA hat es geschafft, einen Materiezustand zu produzieren, der als Bose-Einstein-Kondensat bezeichnet wird – ein wichtiger Durchbruch für das Instrument, der Ende 2016 zu seinem Debüt auf der Internationalen Raumstation ISS führt.

Ein Bose-Einstein-Kondensat (Bose-Einstein condensate, BEC) ist eine Anhäufung von Atomen in einem dünnen Gas, die auf extrem kalte Temperaturen heruntergekühlt wurden und die alle denselben Quantenzustand einnehmen, in dem alle Atome dasselbe Energieniveau besitzen. Bei einer kritischen Temperatur beginnen sich die Atome zusammenzufügen und werden synchronisiert wie die Tänzer einer Tanzgruppe. Das resultierende Kondensat ist ein neuer Materiezustand, der sich – nach atomaren Maßstäben – wie eine große Welle verhält.

„Es ist offiziell. Die Testumgebung des CAL ist mit 200 Nanokelvin (200 Milliardstel Kelvin) der kälteste Punkt am Jet Propulsion Laboratory“, sagte der CAL-Projektwissenschaftler Rob Thompson vom JPL in Pasadena (Kalifornien). „Die Erzeugung der Bose-Einstein-Kondensation in unserer Prototyphardware ist ein entscheidender Schritt für die Mission.“

Obwohl diese Quantengase bereits anderswo auf der Erde erzeugt wurden, wird das Cold Atom Laboratory die Kondensate in einer völlig neuen Umgebung erforschen: in der Mikrogravitationsumgebung der Internationalen Raumstation ISS. Das wird bahnbrechende Forschung in Temperaturbereichen ermöglichen, die kälter als alles auf der Erde sind.

Das CAL wird ein Instrument sein, um ultrakalte Quantengase auf der Raumstation zu untersuchen. In der Mikrogravitationsumgebung der Raumstation sollten kurze Interaktionszeiten und Temperaturen bis ein Pikokelvin (ein Billionstel Kelvin oder etwa 293 Billionen Mal weniger als Raumtemperatur) erreichbar sein. Das ist kälter als alles, was in der Natur bekannt ist, und die Experimente mit dem CAL könnten möglicherweise die kälteste Materie produzieren, die bislang im Universum beobachtet wurde. Die Temperaturen eröffnen die Möglichkeit, neue Quantenphänomene zu beobachten und einige der grundlegendsten Gesetze der Physik zu überprüfen.

Bose-Einstein-Kondensation wurde erstmals im Jahr 1995 beobachtet und ist seitdem eines der „heißesten“ Themen in der Physik. Die Kondensate unterscheiden sich von normalen Gasen: Sie repräsentieren einen einzigartigen Materiezustand, der sich üblicherweise unterhalb von einem Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt zu bilden beginnt. Der absolute Nullpunkt ist die Temperatur, bei der Atome die geringste Energie besitzen und praktisch bewegungslos sind. Vertraute Konzepte wie „fest“, „flüssig“ und „gasförmig“ lassen sich bei derart kalten Temperaturen nicht mehr anwenden. Stattdessen tun Atome bizarre Dinge, die von der Quantenmechanik gesteuert werden – sie verhalten sich beispielsweise gleichzeitig als Wellen und Teilchen.

Die CAL-Forscher nutzten Laser, um Rubidiumatome optisch auf Temperaturen herunterzukühlen, die fast eine Million Mal kälter als die Tiefen des Weltraums sind. Die Atome wurden dann magnetisch gefangen und man verwendete Radiowellen, um die Atome noch einmal um den Faktor 100 abzukühlen. Die Radiofrequenzstrahlung agiert wie ein Messer, das die wärmsten Atome aus der Falle herausschneidet, so dass nur die kältesten zurückbleiben.

Die Forschung ist an einem Punkt angelangt, wo dieser Prozess in nur wenigen Sekunden ein Bose-Einstein-Kondensat erschaffen kann. „Das war eine enorme Leistung für das CAL-Team. Sie bestätigt die Genauigkeit des Instrumentendesigns und bietet uns eine Einrichtung, um wissenschaftliche und Hardware-Verifikationen durchzuführen, bevor wir zur Raumstation fliegen“, sagte CAL-Projektmanagerin Anita Sengupta vom JPL.

Obwohl die CAL-Forscher Bose-Einstein-Kondensate bis jetzt mittels Rubidiumatomen erschaffen haben, werden sie letztendlich Kalium hinzufügen. Das Verhalten von zwei Kondensaten, die sich miteinander vermischen, wird für Physiker faszinierend zu beobachten sein, vor allem im Weltraum.

Das CAL soll hauptsächlich Bose-Einstein-Kondensate erschaffen, aber es stellt auch eine Reihe von Hilfsmitteln bereit, um diese Quantengase auf viele verschiedene Arten zu manipulieren und zu untersuchen. Es nimmt als Einrichtung für die Wissenschaftsgemeinschaften für Atomphysik, Molekularphysik und optische Physik eine einzigartige Rolle ein, um kalte Atomphysik in der Mikrogravitation zu untersuchen“, sagte David Aveline vom JPL, der Leiter der CAL-Testumgebung. „Anstatt mit modernsten Teleskopen hinaus in das Universum zu schauen, wird das CAL nach innen blicken und die Physik auf atomarer Ebene erforschen“, ergänzte er.

Das JPL entwickelt das Cold Atom Laboratory, das vom International Space Station Program am Johnson Space Center der NASA in Houston (Texas) unterstützt wird. Die Space Life and Physical Sciences Division des Human Exploration and Operations Mission Directorate am NASA-Hauptquartier in Washington leitet das Fundamental Physics Program.

Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?release=2014-325

(THK)

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