GRAIL-Daten weisen auf den Ursprung des Oceanus Procellarum auf dem Mond hin

Ein Blick über Oceanus Procellarum in Richtung Süden. Das Bild zeigt, wie die westlichen Grenzstrukturen in ihrer aktiven Zeit ausgesehen haben könnten. (NASA / Colorado School of Mines / MIT / JPL / GSFC)
Ein Blick über Oceanus Procellarum in Richtung Süden. Das Bild zeigt, wie die westlichen Grenzstrukturen in ihrer aktiven Zeit ausgesehen haben könnten. (NASA / Colorado School of Mines / MIT / JPL / GSFC)

Mit Daten des Gravity Recovery and Interior Laboratory (GRAIL) haben Wissenschaftler ein lunares Rätsel gelöst, das fast so alt ist wie der Mond selbst.

Frühere Theorien besagten, dass der zerklüftete Umriss einer Region auf der Mondoberfläche, die als Oceanus Procellarum (“Ozean der Stürme”) bezeichnet wird, durch einen Asteroideneinschlag entstand. Wenn die Theorie richtig ist, wäre das durch den Einschlag entstandene Becken das größte Einschlagbecken auf dem Mond. Wissenschaftler der GRAIL-Mission glauben nach der Untersuchung ihrer Daten jedoch, Belege dafür gefunden zu haben, dass der schroffe Umriss dieser rund 2.600 Kilometer großen, rechteckigen Region in Wirklichkeit die Folge der Entstehung von alten Grabenbrüchen ist.

“Die erdzugewandte Seite des Mondes wird seit Jahrhunderten untersucht und hält für Wissenschaftler mit den richtigen Hilfsmitteln immer noch Überraschungen bereit”, sagte Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, die leitende Forscherin der GRAIL-Mission. “Wir interpretieren die von GRAIL entdeckten Gravitationsanomalien als Teil des lunaren Magmaleitungssystems – das sind die Verbindungen, die während der alten Vulkaneruptionen Lava an die Oberfläche führten.”

Die Oberfläche der erdzugewandten Mondseite wird von einem unverwechselbaren Gebiet dominiert – der Procellarum-Region -, die durch geringe Höhen, eine einzigartige Zusammensetzung und zahlreiche alte Vulkanebenen charakterisiert wird. Die Grabenbrüche sind auf der erdzugewandten Mondseite tief unter den Vulkanebenen begraben und wurden nur in den von GRAIL gelieferten Gravitationsdaten registriert. Die von Lava gefluteten Grabenbrüche sind mit keinen anderen Strukturen auf dem Mond vergleichbar und könnten einst den Bruchzonen auf der Erde, dem Mars und der Venus geähnelt haben. Die Ergebnisse wurden online im Journal Nature veröffentlicht.

Eine andere Theorie, die aus der kürzlichen Datenanalyse hervorgeht, besagt, dass sich diese Region als Folge einer Aufheizung tief im Innern des Mondes bildete, was zu einer hohen Konzentration von wärmeerzeugenden, radioaktiven Elementen in der Kruste und im Mantel dieser Region führte.

Wissenschaftler untersuchten die Gradienten in den Gravitationsdaten von GRAIL, die eine rechteckige Form in den resultierenden Gravitationsanomalien offenbarten. “Das rechteckige Muster der Gravitationsanomalien war völlig unerwartet”, sagte Jeff Andrews-Hanna, ein GRAIL-Teammitglied von der Colorado School of Mines in Golden und leitender Autor der Abhandlung. “Indem wir die Gradienten in den Gravitationsdaten verwenden, um das rechteckige Muster der Anomalien zu enthüllen, können wir jetzt Strukturen klar und deutlich sehen, auf die die Oberflächenbeobachtungen nur hingedeutet haben.”

Das rechteckige Muster mit seinen winkligen Ecken und geraden Seiten widerspricht der Theorie, dass Procellarum ein altes Einschlagbecken ist, weil solch ein Einschlag ein kreisförmiges Becken erzeugen würde. Stattdessen spricht die neue Forschungsarbeit dafür, dass Prozesse unter der Mondoberfläche die Entwicklung dieser Region dominierten. Demnach hat sich die Region mit der Zeit abgekühlt und zusammengezogen, wobei sie sich von ihrer Umgebung entfernte und Brüche erzeugte, die jenen ähneln, welche sich in austrocknendem Schlamm bilden, nur in einem größerem Maßstab.

Die Studie thematisiert auch eine überraschende Ähnlichkeit zwischen dem rechteckigen Strukturmuster auf dem Mond und jenen Strukturen, die die Südpolarregion auf Saturns Eismond Enceladus umgeben. Beide Muster scheinen mit vulkanischen und tektonischen Prozessen auf ihren jeweiligen Welten in Zusammenhang zu stehen. “Unsere Gravitationsdaten öffnen ein neues Kapitel der Mondgeschichte, in dem der Mond ein dynamischerer Ort war, als die heute für das bloße Auge sichtbare Kraterlandschaft vermuten lässt”, sagte Andrews-Hanna. “Um die Ursache für dieses neu entdeckte Muster von Gravitationsanomalien und die Auswirkungen für die Geschichte des Mondes zu verstehen, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich.”

Die Sonden GRAIL A und GRAIL B, genannt Ebb (Ebbe) und Flow (Flut), wurden im September 2011 gestartet und operierten in einer fast kreisförmigen Umlaufbahn nahe der Mondpole in einer Höhe von etwa 55 Kilometern, bis ihre Mission im Dezember 2012 endete. Die Entfernung zwischen den Zwillingssonden änderte sich leicht, wenn sie über Gebiete mit höherer und geringerer Gravitation hinwegflogen, die durch sichtbare Strukturen wie Berge und Krater und durch verborgene Massen unter der Mondoberfläche verursacht wird.

Die Zwillingssonden flogen bis zum Ende der Mission am 17. Dezember 2012 in einer annähernd kreisförmigen Umlaufbahn. Dann ließ man die Sonden absichtlich auf der Mondoberfläche abstürzen. Die NASA benannte den Einschlagort später zu Ehren der verstorbenen Astronautin Sally K. Ride, die Amerikas erste Frau im Weltraum und ein Mitglied des GRAIL-Missionsteams war. GRAILs Hauptmission und die erweiterten Forschungsmissionen brachten die am besten aufgelöste Gravitationsfeldkarte eines Himmelskörpers hervor. Die Karte wird ein besseres Verständnis dessen ermöglichen, wie die Erde und andere Gesteinsplaneten im Sonnensystem entstanden und sich entwickelten.

Die GRAIL-Mission wurde vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien) für das Science Mission Directorate geleitet. Die Mission war Teil des Discovery Program, welches vom Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) geleitet wurde. GRAIL wurde von Lockheed Martin Space Systems in Denver (Colorado) konstruiert.

Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?release=2014-333

(THK)

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