J1649+2635 – Eine seltsame Galaxie verblüfft Astronomen

Dieses Bild der Galaxie J1649+2635 basiert auf Radiodaten und optischen Daten. Die optischen Daten sind in Gelb dargestellt. Die Radiodaten sind blau gekennzeichnet und zeigen die großen Jets. (Mao et al., NRAO / AUI / NSF, Sloan Digital Sky Survey)
Dieses Bild der Galaxie J1649+2635 basiert auf Radiodaten und optischen Daten. Die optischen Daten sind in Gelb dargestellt. Die Radiodaten sind blau gekennzeichnet und zeigen die großen Jets. (Mao et al., NRAO / AUI / NSF, Sloan Digital Sky Survey)

Mit der Hilfe interessierter Bürger hat ein Astronomenteam ein wichtiges neues Beispiel für einen sehr seltenen Galaxientyp entdeckt, der wertvolle Einblicke in die Entwicklung von Galaxien im frühen Universum geben könnte. Die neue Nachweismethode verspricht, dass Astronomen viele weitere Beispiele für diesen bedeutenden und rätselhaften Galaxientyp finden können.

Die von ihnen untersuchte Galaxie namens J1649+2635 liegt fast 800 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und ist eine Spiralgalaxie wie unsere eigene Milchstraßen-Galaxie, jedoch mit ausgeprägten Jets aus subatomaren Teilchen, die mit annähernd Lichtgeschwindigkeit von ihrem Kern nach außen strömen. Das Problem ist, dass Spiralgalaxien eigentlich keine so großen Jets haben sollten. “Das konventionelle Wissen besagt, dass solche Jets nur von elliptischen Galaxien stammen, die aus der Verschmelzung von Spiralgalaxien hervorgingen. Wir wissen nicht, wie Spiralgalaxien so große Jets aufweisen können”, sagte Minnie Mao vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO).

J1649+2635 ist erst die vierte Jet-emittierende Spiralgalaxie, die bislang entdeckt wurde. Die erste wurde 2003 gefunden, als Astronomen ein Bild des Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) im Radiowellenlängenbereich und ein optisches Bild desselben Objekts vom Weltraumteleskop Hubble miteinander kombinierten. Die zweite wurde 2011 auf Bildern des Sloan Digital Sky Survey und des VLA identifiziert. Die dritte wurde dieses Jahr nachgewiesen, ebenfalls durch die Kombination von Radiobildern und Aufnahmen im sichtbaren Licht.

“Um herauszufinden, wie diese Jets von dem ‘falschen’ Galaxientyp erzeugt werden können, erkannten wir, dass wir mehr von ihnen aufspüren mussten”, sagte Mao. Dafür suchten sich die Astronomen Hilfe. Die Hilfe kam in Form großer Bildersammlungen von Radioteleskopen und optischen Teleskopen und der Assistenz freiwilliger, wissenschaftlich interessierter Bürger. Die Freiwilligen sind Teilnehmer an einem Onlineprojekt namens GalaxyZoo, in dessen Rahmen sie optische Bilder des Sloan Digital Sky Survey sichten und die Galaxien als Spiralgalaxien, elliptische Galaxien oder andere Typen klassifizieren. Jedes Galaxienbild wird von mehreren Teilnehmern begutachtet, um die Genauigkeit der Klassifizierung zu gewährleisten.

Bis jetzt haben mehr als 150.000 GalaxyZoo-Teilnehmer rund 700.000 Galaxien klassifiziert. Mao und ihre Mitarbeiter nutzen ein “supersauberen” Anteil von über 65.000 Galaxien, bei denen 95 Prozent der Betrachter der Klassifizierung zustimmten. Etwa 35.000 davon sind Spiralgalaxien. J1649+2635 wurde von 31 GalaxyZoo-Teilnehmern klassifiziert, von denen 30 sich darüber einig waren, dass es sich um eine Spiralgalaxie handelt.

Als nächstes entschieden die Astronomen, die optischen Bilder mit einem Katalog zu vergleichen, der Daten des VLA Sky Survey und des Faint Images of the Radio Sky at Twenty Centimeters Survey kombiniert. Beide Himmelsdurchmusterungen wurden unter Verwendung des VLA durchgeführt. Diese Arbeit wurde von Ryan Duffin gemacht, einem Studenten an der University of Virginia, der als Sommerstudent am NRAO tätig ist. Duffins Vergleiche zeigten, dass J1649+2635 eine Spiralgalaxie ist und gewaltige Zwillingsradiojets besitzt. “Dies ist das erste Mal, dass eine Galaxie zunächst als Spiralgalaxie identifiziert wurde, bei der man nachträglich große Radiojets entdeckt hat”, sagte Duffin. “Es war aufregend, solch eine seltene Entdeckung zu machen”, ergänzte er.

Jets wie jene von J1649+2635 werden durch die Gravitationsenergie eines supermassiven Schwarzen Lochs im Kern der Galaxie angetrieben. Materie, die in Richtung des Schwarzen Lochs gezogen wird, bildet eine schnell rotierende Scheibe und Teilchen werden entlang der Pole dieser Scheibe nach außen beschleunigt. Die Kollision, aus der vermutlich eine elliptische Galaxie hervorgeht, stört das Gas in den verschmelzenden Galaxien und stellt “Brennstoff” für die Scheibe und den Beschleunigungsmechanismus zur Verfügung. Man geht davon aus, dass dieselbe Störung jedoch auch jegliche Spiralstrukturen zerstört, wenn die Galaxien zu einer einzigen verschmelzen.

J1649+2635 ist nicht nur wegen ihrer Jets ungewöhnlich, sondern auch weil die das erste Exemplar einer “Grand Design”-Spiralgalaxie mit einem großen “Halo” aus Emissionen im sichtbaren Licht ist. “Diese Galaxie stellt uns vor viele Rätsel. Wir wollen wissen, wie sie so eigenartig wurde”, sagte Mao. “Hatte sie einen einzigartigen Verschmelzungsprozess, der ihre Spiralstruktur bewahrte? War sie eine elliptische Galaxie, die eine andere Kollision erfuhr, welche ihre Spiralarme neu wachsen ließ? Ist ihr einzigartiges Erscheinungsbild die Folge einer Wechselwirkung mit ihrer Umgebung? “Wir werden sie weiter untersuchen, aber darüber hinaus müssen wir schauen, ob es noch andere Galaxien wie diese gibt”, sagte Mao.

“Wir hoffen, dass uns die tausenden Bürgerwissenschaftler mit Projekten wie dem GalaxyZoo und einem anderen Projekt namens Radio Galaxy Zoo helfen können, viele andere Galaxien wie diese zu finden, so dass wir all unsere Fragen beantworten können”, sagte Mao. Sie und ihre Kollegen haben diese seltenen Galaxien als “Spiral-DRAGNs” bezeichnet – ein Akronym für die technische Beschreibung: “Double-lobed Radio sources Associated with Galactic Nuclei”.

Mao und Duffin arbeiteten zusammen mit Frazer Owen, Emmanuel Momjian und Mark Lacy vom NRAO, Bill Keel von der University of Alabama, Glenn Morrison von der University of Hawaii und dem Canada-France-Hawaii Telescope, Tony Mroczkowski vom Naval Research Laboratory, Susan Neff vom Goddard Space Flight Center der NASA, Ray Norris vom Astronomy and Space Science der CSIRO in Australien, Henrique Schmitt vom Naval Research Laboratory, sowie Vicki Toy und Sylvain Veilleux von der University of Maryland. Die Forscher berichten in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society über ihre Ergebnisse.

Das National Radio Astronomy Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation und wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags von Associated Universities, Inc. betrieben.

Quelle: https://public.nrao.edu/news/pressreleases/strange-galaxy-perplexes-astronomers

(THK)

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