Astronomen haben das NASA/ESA-Weltraumteleskop Hubble an seine Grenzen gebracht und den kosmischen Entfernungsrekord gebrochen, indem sie die Distanz zu der fernsten Galaxie maßen, die bislang im Universum beobachtet wurde. Diese Galaxie existierte bereits 400 Millionen Jahre nach dem Urknall und liefert neue Einblicke in die erste Galaxiengeneration. Dies ist das erste Mal, dass die Distanz eines derart weit entfernten Objekts anhand seines Spektrums bestimmt wurde, was die Messung extrem zuverlässig macht. Die Ergebnisse werden im Astrophysical Journal veröffentlicht.
Mit dem NASA/ESA-Weltraumteleskop Hubble hat ein internationales Astronomenteam die Distanz zu dieser neuen Galaxie mit der Bezeichnung GN-z11 gemessen. Obwohl sie extrem schwach ist, leuchtet die Galaxie ungewöhnlich hell, wenn man ihre Entfernung zur Erde bedenkt. Die Entfernungsmessungen von GN-z11 sind ein weiterer überzeugender Beleg dafür, dass andere ungewöhnlich helle Galaxien auf früheren Hubble-Aufnahmen tatsächlich in sehr großen Distanzen liegen. Es zeigt, dass wir uns den ersten Galaxien annähern, die im Universum entstanden.
Astronomen hatten die Entfernung von GN-z11 bereits früher geschätzt, indem sie ihre Farbe auf Bildern analysierten, die von Hubble und dem Spitzer Space Telescope gemacht wurden. Jetzt hat das Team Hubbles Wide Field Camera 3 (WFC3) genutzt und die Distanz zu GN-z11 erstmals spektroskopisch bestimmt, wobei das Licht in seine einzelnen Farben zerlegt wird. Es war das erste Mal, dass diese Methode auf eine Galaxie in einer so großen Entfernung angewandt wurde.
„Unsere spektroskopischen Beobachtungen offenbaren, dass die Galaxie sogar noch weiter entfernt liegt, als wir ursprünglich annahmen. Sie befindet sich genau an der Entfernungsgrenze dessen, was Hubble beobachten kann“, erklärte Gabriel Brammer vom Space Telescope Science Institute, der Zweitautor der Studie. Das versetzt GN-z11 in eine Distanz, von der man annahm, dass sie nur mit dem geplanten James Webb Space Telescope (JWST) der NASA, ESA und CSA zu erreichen wäre.
„Wir haben einen gewaltigen Schritt in die Vergangenheit gemacht – jenseits von dem, was wir mit Hubble jemals für möglich hielten. Uns ist es gelungen, zurück in die Zeit zu blicken, um die Distanz zu einer Galaxie zu messen, als das Alter des Universum nur drei Prozent seines heutigen Alters betrug“, sagte Pascal Oesch von der Yale University, der Hauptautor der Abhandlung.
Zur Bestimmung großer Distanzen – so wie jene zu GN-z11 – messen Astronomen die Rotverschiebung des beobachteten Objekts. Dieses Phänomen ist eine Folge der Expansion des Universums: Jedes ferne Objekt im Universum scheint sich von uns zu entfernen, und infolgedessen ist sein Licht in längere, rötlichere Wellenlängen verschoben.
Bevor Astronomen die Distanz zu GN-z11 bestimmten, hatte die am weitesten entfernte Galaxie namens EGSY8p7 eine Rotverschiebung von 8,68. Jetzt hat das Team bestätigt, dass die Distanz von GN-z11 mit einer Rotverschiebung von 11,1 übereinstimmt, was einem Alter etwa 400 Millionen Jahre nach dem Urknall entspricht.
„Der bisherige Rekordhalter wurde in der Mitte jener Epoche beobachtet, als das Sternlicht der primordialen Galaxien begann, einen Nebel aus kaltem Wasserstoffgas zu erwärmen“, erklärte der Co-Autor Rychard Bouwens von der University of Leiden (Niederlande). „Diese Übergangsperiode wird als die Reionisationsepoche bezeichnet. GN-z11 wird 150 Millionen Jahre früher beobachtet, nahe dem Beginn dieses Übergangs in der Entwicklung des Universums.“
Die Kombination aus Beobachtungen mit Hubble und Spitzer enthüllte, dass die junge Galaxie 25 Mal kleiner als die Milchstraßen-Galaxie ist und nur ein Prozent der Masse unserer Galaxie in Form von Sternen aufweist. Die Anzahl der Sterne in der neu geborenen Galaxie GN-n11 wächst allerdings schnell: Die Galaxie bildet Sterne mit einer Rate, die rund 20 Mal größer als die der heutigen Milchstraßen-Galaxie ist: GN-z11 wandelt pro Jahr ungefähr 24 Sonnenmassen aus Gas und Staub in neue Sterne um. Diese hohe Sternentstehungsrate macht die ferne Galaxie hell genug, damit Hubble sie sehen und detaillierte Beobachtungen durchführen kann.
Video-Link: https://youtu.be/wDMdyDK75xs
Videobeitrag zur Entdeckung der fernen Galaxie GN-z11. (NASA, ESA, and G. Bacon (STScI))
Jedoch wirft die Entdeckung auch viele neue Fragen auf, weil die Existenz einer so hellen und großen Galaxie in der Theorie nicht vorhergesagt wird. „Es ist erstaunlich, dass eine so massereiche Galaxie nur 200-300 Millionen Jahre nach der Entstehung der ersten Sterne existierte. Es sind ein wirklich rasches Wachstum und eine hohe Sternentstehungsrate erforderlich, um so schnell eine Galaxie mit einer Milliarde Sonnenmassen zu bilden“, erklärte Garth Illingworth von der University of California in Santa Cruz.
Marjin Franx, ein Teammitglied von der University of Leiden, betonte: „Die Entdeckung von GN-z11 war eine große Überraschung für uns, weil unsere frühere Arbeit darauf schließen ließ, dass so helle Galaxien nicht so früh im Universum existieren sollten.“ Sein Kollege Ivo Labbe ergänzte: „Die Entdeckung zeigte uns, dass unser Wissen über das junge Universum noch sehr begrenzt ist. Die Art und Weise, wie GN-z11 entstand, bleibt momentan noch ein Rätsel. Möglicherweise sehen wir die ersten Sterngenerationen, die sich um Schwarze Löcher bilden?“
Diese Ergebnisse bieten einen fantastischen Ausblick auf die Beobachtungen, die das James Webb Space Telescope vornehmen wird. „Diese neue Entdeckung zeigt, dass das James Webb Space Telescope sicher viele derart junge Galaxien finden wird, die in jene Zeit zurückreichen, als die ersten Galaxien entstanden“, schlussfolgerte Illingworth.
Abhandlung: „A Remarkably Luminous Galaxy at z=11.1 Measured with Hubble Space Telescope Grism Spectroscopy“ von P. A. Oesch, G. Brammer, P. G. van Dokkum, G. D. Illingworth, R. J. Bouwens, I. Labbe, M. Franx, I. Momcheva, M. L. N. Ashby, G. G. Fazio, V. Gonzalez, B. Holden, D. Magee, R. E. Skelton, R. Smit, L. R. Spitler, M. Trenti, S. P. Willner
Quelle: http://spacetelescope.org/news/heic1604/
(THK)
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