Astronomen haben in fast 11.000 Lichtjahren Entfernung einen jungen Stern identifiziert, der uns helfen könnte zu verstehen, wie die massereichsten Sterne im Universum entstehen. Dieser junge Stern besitzt bereits jetzt mehr als 30 Sonnenmassen und sammelt immer noch Materie aus seiner elterlichen Molekülwolke. Er könnte sogar noch massereicher sein, wenn er schließlich das Erwachsenenstadium erreicht.
Die Forscher unter Leitung eines Teams der University of Cambridge haben ein Schlüsselstadium bei der Geburt eines sehr massereichen Sterns identifiziert und festgestellt, dass diese Sterne auf ähnliche Weise entstehen wie viel kleinere Sterne, beispielsweise unsere Sonne: aus einer rotierenden Gas- und Staubscheibe. Die Ergebnisse werden diese Woche auf der Star Formation Konferenz 2016 an der University of Exeter präsentiert und in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.
In unserer Galaxie sind massereiche, junge Sterne mit einer Masse von mindestens acht Sonnenmassen viel schwerer zu untersuchen als kleinere Sterne. Das liegt daran, dass sie schnelllebig sind und jung sterben, was sie unter den 100 Milliarden Sternen in der Milchstraßen-Galaxie selten macht. Außerdem sind sie im Durchschnitt viel weiter entfernt.
“Ein durchschnittlicher Stern wie unsere Sonne bildet sich über einen Zeitraum von ein paar Millionen Jahren, wohingegen massereiche Sterne mehrere Größenordnungen schneller entstehen – innerhalb von circa 100.000 Jahren”, sagte der Studienleiter Dr. John Ilee vom Institute of Astronomy an der University of Cambridge. “Diese massereichen Sterne verbrauchen ihren Brennstoff auch viel schneller, deshalb besitzen sie eine kürzere Gesamtlebensspanne. Damit ist es schwerer, sie in ihren jungen Entwicklungsstadien zu erwischen.”
Der Protostern, den Ilee und seine Kollegen identifizierten, befindet sich in einer Dunkelwolke – das ist eine sehr kalte und dichte Region im Weltraum, ein ideales Gebiet für Sternentstehungsprozesse. Allerdings ist diese sternbildende Region mit konventionellen Teleskopen schwer zu beobachten, weil die jungen Sterne von einer dichten Wolke aus Gas und Staub umgeben sind. Aber unter Verwendung des Submillimeter Array (SMA) auf Hawaii und des Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) in New Mexico waren die Forscher in der Lage, durch die Wolke hindurch und in die Sternentstehungsregion selbst hineinzublicken. Sowohl das SMA als auch das VLA nutzen relativ lange Wellenlängen, um den Himmel zu beobachten.
Durch die Messung der Strahlungsmenge, die von kaltem Staub in der Nähe des Sterns emittiert wird, und mit Hilfe einzigartiger “Fingerabdrücke” vieler verschiedener Moleküle in dem Gas konnten die Wissenschaftler die Präsenz einer Keplerschen Scheibe nachweisen. Das ist eine Scheibe, die in ihrem Zentrum schneller rotiert als an ihrem Rand.
“Diese Art der Rotation wird auch im Sonnensystem beobachtet: die inneren Planeten kreisen schneller um die Sonne als die äußeren Planeten”, sagte Ilee. “Es ist spannend, solch eine Scheibe um einen massereichen jungen Stern zu finden, weil sie dafür spricht, dass massereiche Sterne auf ähnliche Weise entstehen wie masseärmere Sterne, zum Beispiel unsere Sonne.”
Die ersten Phasen dieser Forschungsarbeit waren Teil eines Sommer-Forschungsprojekts für Studenten an der University of St Adrews, finanziert von der Royal Astronomical Society (RAS). Der Student Pooneh Nazari führte die Arbeiten durch und sagte: “Mein Projekt umfasste eine erste Sichtung der Beobachtungen und das Programmieren einer Software, um den Zentralstern zu ‘wiegen’. Ich bin der RAS sehr dankbar für die Finanzierung des Sommerprojekts – ich ermutige jeden, der an akademischer Forschung interessiert ist, es zu versuchen.”
Anhand dieser Beobachtungen bestimmte das Team die Masse des Protosterns auf mehr als 30 Sonnenmassen. Außerdem war die den jungen Stern umgebende Scheibe Berechnungen zufolge ebenfalls relativ massereich: Ihre Masse liegt zwischen zwei und drei Sonnenmassen.
Dr. Duncan Forgan von der University of St Andrews, Hauptautor einer Begleitstudie, sagte: “Unsere theoretischen Berechnungen lassen darauf schließen, dass die Scheibe sogar noch mehr Masse hinter Schichten aus Gas und Staub verbergen könnte. Die Scheibe könnte sogar so massereich sein, dass sie unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert und eine Reihe weniger massereicher Begleitprotosterne bildet.”
Der nächste Schritt der Wissenschaftler wird sein, die Region mit dem Atacama Large Millimetre Array (ALMA) in Chile zu untersuchen. Dieses leistungsfähige Instrument wird es ermöglichen, jeden potenziellen Begleiter zu erkennen und den Forschern erlauben, mehr über dieses erstaunliche junge Schwergewicht in unserer Galaxie zu erfahren.
Diese Forschungsarbeit wurde durch Fördermittel des European Research Council unterstützt.
Abhandlungen:
J.D. Ilee et al. “G11.92-0361 MM1: A Keplerian disc around a massive young proto O-star“, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (2016): DOI: 10.1093/mnras/stw1912
D. H. Forgan et al. “Self-gravitating disc candidates around massive young stars“, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society (2016): DOI: 10.1093/mnras/stw1917
Quelle: http://www.cam.ac.uk/research/news/astronomers-identify-a-young-heavyweight-star-in-the-milky-way
(THK)
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