Erster experimenteller Beweis für eine 70 Jahre alte Theorie

Vereinfachte Darstellung des magnetischen Phasenübergangs in 2D-Systemen. (Credit: Institute for Basic Science)
Vereinfachte Darstellung des magnetischen Phasenübergangs in 2D-Systemen. (Credit: Institute for Basic Science)

Wissenschaftler haben das magnetische Verhalten einer speziellen Klasse von 2D-Materialien demonstriert, was den ersten experimentellen Beweis einer Theorie darstellt, die vor über 70 Jahren aufgestellt wurde. Je-Geun Park, stellvertretender Direktor des Center for Correlated Electron Systems am Institute for Basic Science (IBS), arbeitete dafür mit Hyeonsik Cheong von der Sogang University und Cheol-Hwan Park von der Seoul National University zusammen. Die Abhandlung, die das Experiment beschreibt, wird im Journal Nano Letters veröffentlicht.

Wissenschaftler auf der ganzen Welt untersuchen derzeit die Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten extrem dünner 2D-Materialien, die nur ein Atom dick sind – beispielsweise Graphen. Die Erforschung der Eigenschaften von 2D-Materialien im Vergleich zu ihren 3D-Gegenstücken wirft viele zum Nachdenken anregende Fragen auf. Eine davon betrifft magnetische Phasenübergänge.

Manche Materialien sind aufgrund des Spinverhaltens ihrer Elektronen magnetisch. Vereinfacht gesagt, sind Spins (Spinquantenzahlen oder genauer die damit verbundenen magnetischen Momente) wie winzige Magnete, die üblicherweise als Pfeile dargestellt werden. Bei extrem niedrigen Temperaturen neigen diese Spins dazu, sich auszurichten und reduzieren die Gesamtenergie der Elektronen.

Oberhalb einer bestimmten, von Material zu Material verschiedenen Temperatur allerdings verlieren die Spins ihre Ausrichtung und orientieren sich zufällig. Das ist vergleichbar damit, wie Eis seine innere Ordnung verliert und oberhalb einer bestimmten Temperatur flüssig wird. 3D-Magnete verlieren oberhalb einer kritischen Temperatur ebenfalls ihre Magnetisierung. Dies wird als Phasenübergang bezeichnet und ist ein häufiger Prozess bei 3D-Objekten.

Aber was geschieht mit 1D- und 2D-Systemen bei niedrigen Temperaturen? Erfahren sie einen Phasenübergang? Mit anderen Worten: Werden wir in einer Kette von Wassermolekülen (1D) oder in einer Wasserschicht von der Dicke eines Atoms (2D) einen Übergang von fest zu flüssig beobachten?

Vor einem Jahrhundert bat der Physiker Wilhelm Lenz seinen Studenten Ernst Ising, dieses Problem für 1D-Systeme zu lösen. Ising erklärte es im Jahr 1925 und schlussfolgerte, dass 1D-Materialien keine Phasenübergänge zeigen. Dann versuchte Ising, dieselbe Frage bezüglich eines bestimmten Typs von 2D-Materialien anzugehen. Das Problem stellte sich als viel schwerer heraus. Die Lösung kam im Jahr 1943 dank Lars Onsager, der im Jahr 1968 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Onsager stellte fest, dass die Materialien, die dem Ising-Spin-Model folgten, einen Phasenübergang zeigen.

Trotz der enormen Bedeutung dieser Theorie für die folgende Entwicklung der gesamten Physik der Phasenübergänge wurde sie jedoch nie experimentell mit einem echten magnetischen Material getestet. “Die Physik von 2D-Systemen ist einzigartig und aufregend. Onsagers Lösung wird in jedem Kurs für fortgeschrittene statistische Mechanik gelehrt. Da habe ich von diesem Problem erfahren. Als ich viel später entdeckte, dass es nicht experimentell mit einem magnetischen Material getestet wurde, dachte ich, dass es eine Schmach für Experimentalphysiker wie mich ist. Deshalb war es für mich normal, nach einem echten Material zu suchen, um es zu testen”, erklärte Je-Geun Park.

Um Onsagers Modell zu beweisen, produzierte das Forschungsteam Kristalle aus Eisen-Trihiohypophosphat (FePS3) mit einer Technik, die als chemischer Transport bezeichnet wird. Die Kristalle bestehen aus Schichten, die durch schwache Wechselwirkungen, die Van-der-Waals-Kräfte, aneinander gebunden sind. Die Schichten können mit Klebeband von dem Kristall abgezogen werden, ähnlich wie ein Klebeband Farbe von einer Wand ablösen kann. Die Wissenschaftler zogen die Schichten ab, bis sie nur noch eine einzige Schicht aus FePS3 hatten (2D).

“Wir können diese Materialien magnetische Van-der-Waals-Materialien oder magnetisches Graphen nennen: Sie sind magnetisch und sie besitzen leicht zu lösende Van-der-Waals-Bindungen zwischen den Schichten. Sie sind sehr selten, und ihre Physik ist noch unerforscht”, sagte Park.

Obwohl es mehrere Methoden zur Messung der magnetischen Eigenschaften von 3D-Materialien gibt, haben diese Techniken keinen praktischen Nutzen, um die magnetischen Signale von einschichtigen Materialien zu messen. Deshalb nutzte das Team die sogenannte Raman-Spektroskopie – das ist eine Technik, die normalerweise zur Messung von Vibrationen innerhalb des Materials verwendet wird. Die Forscher nahmen die Vibrationen als indirektes Maß für den Magnetismus: Je mehr Vibrationen, desto geringer die Magnetisierung.

Parks Team und seine Kollegen nutzten die Raman-Spektroskopie zunächst an 3D-FePS3-Material bei verschiedenen Temperaturen und testeten dann die 2D-FePS3-Monoschicht. “Der Test mit der 3D-Probe zeigte uns, dass die Raman-Signale als eine Art Fingerabdruck für den Phasenübergang bei Temperaturen um 118 Kelvin (-155 Grad Celsius) verwendet werden können. Mit dieser Bestätigung maßen wir dann die Monoschichtprobe und fanden dieselben Muster”, betonte Park.

“Wir schlussfolgern, dass 3D-FePS3 und 2D-FePS3 die gleiche sichtbare Signatur des Phasenübergangs im Raman-Spektrum besitzen.” Sowohl in der 3D-Probe als auch in der 2D-Monoschicht sind die Spins von FePS3 bei sehr niedrigen Temperaturen geordnet (antiferromagnetisch) und werden oberhalb von 118 Kelvin ungeordnet (paramagnetisch). “Den magnetischen Phasenübergang mit diesem Glanzleistungsexperiment zu zeigen, ist ein schöner Test der Onsager-Lösung”, sagte der Physiker.

In der Zukunft möchte das Team Übergänge von anderen 2D-Metallen untersuchen, die über das 2D-Ising-Spinmodel hinausgehen.

Die Raman-Spektroskopie wurde in 3D-FePS<sub>3</sub> (oben links) und 2D-FePS<sub>3</sub> (oben rechts) verwendet, um Veränderungen in den Vibrationen und damit indirekt bei der Magnetisierung zu messen. In dem Diagramm erscheinen neue Spitzen aufgrund des Eisens und der magnetischen Ausrichtung (P1 und P2) bei Temperaturen unter 118 Kelvin. Unterhalb dieser Temperatur ordnen sich die Spins (rote und blaue Pfeile)  in einem Zickzackmuster an und das Material wird antiferromagnetisch. (Credit: Institute for Basic Science)
Die Raman-Spektroskopie wurde in 3D-FePS3 (oben links) und 2D-FePS3 (oben rechts) verwendet, um Veränderungen in den Vibrationen und damit indirekt bei der Magnetisierung zu messen. In dem Diagramm erscheinen neue Spitzen aufgrund des Eisens und der magnetischen Ausrichtung (P1 und P2) bei Temperaturen unter 118 Kelvin. Unterhalb dieser Temperatur ordnen sich die Spins (rote und blaue Pfeile) in einem Zickzackmuster an und das Material wird antiferromagnetisch. (Credit: Institute for Basic Science)

Quelle

(THK)

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