Neue Studie gibt Aufschluss über die Immunsysteme von Zugvögeln

Grünfinken im Flug. (Credit: Photo: Thomas Alerstam)
Grünfinken im Flug. (Credit: Photo: Thomas Alerstam)

In einer einzigartigen Studie haben Forscher der Lund University in Schweden die Ursprünge von Zugvögeln kartiert. Sie nutzten die Ergebnisse, um wichtige Unterschiede zwischen den Immunsystemen von Standvögeln und Zugvögeln zu entdecken und zu untersuchen. Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass Zugvögel vom Verlassen tropischer Gebiete profitieren, wenn es an der Zeit ist, ihre Jungen aufzuziehen. Wenn sie sich von den Krankheiten in den Tropen entfernen, ermöglicht es ihnen das Überleben mit einem weniger aufwändigen Immunsystem.

Die Analyse der Abstammung von über 1.300 zu den Sperlingsvögeln gehörenden Singvogelarten erlaubte den Forschern festzustellen, dass sowohl Standvögel (die Nordeuropa im Winter nicht verlassen) als auch Zugvögel (die in Europa brüten, aber den Winter nahe dem Äquator verbringen) aus Afrika stammen.

Die Wissenschaftler fuhren dann mit einer Untersuchung des Immunsystems in drei verschiedenen Gruppen fort: Standvögel im tropischen Afrika, europäische Standvögel und Zugvögel. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die afrikanischen Standvögel ein variableres und umfassenderes Immunsystem haben als die europäischen Standvögel und die Zugvögel.

Die Evolution hat recht einfach sichergestellt, dass Vogelarten, die nach Europa migrieren, mit einem viel weniger variablen Immunsystem ausgestattet sind, weil in Europa weit weniger Krankheiten vorkommen als in den Tropen. Die afrikanischen Standvogelarten brauchen wahrscheinlich ein besseres Immunsystem, um mit der reichhaltigeren Pathogenflora zurechtzukommen, der sie ausgesetzt sind.

“Was mich wirklich überrascht, ist dass die Immunsysteme von Zugvögeln eine vergleichbar geringe Variabilität wie jene der europäischen Standvögel aufweisen. Zugvögel müssen immerhin nicht nur den Krankheiten in Europa widerstehen, sondern auch den Krankheiten, die ihnen auf ihrer Wanderung und in den Tropen begegnen”, sagte Helena Westerdahl, eine der Autorinnen der Studie.

Um das überraschende Ergebnis zu erklären, schlagen die Forscher die Theorie vor, dass der Aufwand, der mit einem starken und komplexen Immunsystem verbunden ist, viel höher sein könnte als bislang angenommen. Beispiele für den Aufwand könnten Autoimmunerkrankungen und andere Beeinträchtigungen des Immunsystems sein, beispielsweise chronische Entzündungen.

Obwohl die Zugvögel mit Pathogenen aus Europa und dem tropischen Afrika zurechtkommen müssen, haben sie, verglichen mit ihren afrikanischen Vorfahren, einen Großteil der Komplexität ihrer Immunsysteme verloren. Den Forschern zufolge spricht das dafür, dass der Umgang mit Pathogenen für die Vögel am schwierigsten ist, wenn sie ihnen das erste Mal ausgesetzt sind. Bei Zugvögeln geschieht das in Europa, wo sie ihre Jungen aufziehen und wo es nicht so viele verschiedene Pathogene gibt.

“Wenn die Zugvögel brüten, haben sie sich von vielen Krankheiten entfernt und brauchen daher kein Immunsystem, dass entsprechend variabel ist. Ein anderer Vorteil ist, dass das Risiko für Schäden durch das Immunsystem beträchtlich sinkt, wenn das Immunsystem weniger komplex ist”, sagte die Forscherin Emily O’Connor.

Alle Wirbeltiere, Menschen eingeschlossen, besitzen ein Immunsystem, das ähnlich aufgebaut ist wie das von Vögeln. Die Biologen der Lund University vermuten deshalb, dass ihre Ergebnisse auch in einer breiteren Perspektive von Bedeutung sein könnten.

Abhandlung: “The evolution of immunity in relation to colonization and migration” von Emily A. O’Connor et al., Nature Ecology & Evolution

Quelle

(THK)

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