Neue Erkenntnisse über die geologische Geschichte Grönlands

Darstellung des Wärmeflusses unter Grönland. Man erkennt eine thermale Spur, die sich diagonal durch Grönland zieht. (Credits: NASA's Scientific Visualization Studio; Blue Marble data courtesy of Reto Stockli (NASA Goddard))
Darstellung des Wärmeflusses unter Grönland. Man erkennt eine thermale Spur, die sich diagonal durch Grönland zieht. (Credits: NASA's Scientific Visualization Studio; Blue Marble data courtesy of Reto Stockli (NASA Goddard))

Durch die Kartierung der Wärme unter dem Grönländischen Eisschild hat eine NASA-Forscherin unser Wissen über die Dynamiken erweitert, die terrestrische Planeten dominieren und gestalten.

Dr. Yasmina M. Martos, eine Planetenforscherin am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland), sichtete öffentlich zugängliche Magnetfelddaten, Gravitationsdaten und andere Informationen und suchte nach Anhaltspunkten über die Wärmemenge und -verteilung unter dem Teil des Nordamerikanischen Kontinents, der als Grönland bekannt ist. Ihre daraus resultierende Wärmekarte offenbarte eine thermale Spur unter Grönland, welche die Bewegung eines Kontinents im Verlauf der Erdgeschichte aufzeichnet.

Man nimmt an, dass sich Grönland langsam über einer Mantelplume (einer großen Wärmequelle) hinweg bewegte, was eine diagonale Narbe aus warmem, dichten Gestein unter der Oberfläche zurückließ, während sich die tektonische Platte verschob. Grönland bewegte sich von südlicheren Breiten über 100 Millionen Jahre lang in Richtung der Arktis. Das fiel in die Zeitspanne, als der Superkontinent Pangaea in die heute driftenden Kontinente auseinanderbrach. Man vermutet, dass die Mantelplume durch zahllose Vulkanausbrüche auf der Wasseroberfläche letztendlich Island entstehen ließ. Das ist ein sichtbarer Hinweis auf die Existenz der Mantelplume, im Gegensatz zu der verborgenen Narbe Grönlands.

“Ich denke nicht, dass es auf der Erde irgendeinen anderen Ort gibt, wo die Geschichte einer Mantelplume durch den Teil eines Kontinents aufgezeichnet wurde, der auf seiner Oberfläche nicht von ihr beeinflusst wurde”, sagte Martos. “Aber sie ist da, also können wir die Wärme nutzen, um die Geschichte der Region zu verstehen.”

Die Verfolgung dieser geodynamischen Prozesse auf Planeten hilft Forschern, ihre Entwicklung zu verstehen. Aber konkreter ergänzen die Wärmedaten auch Modelle über Veränderungen des Meeresspiegels auf der Erde, indem sie Wissenschaftlern helfen, das Verhalten von Eis vorherzusagen. Das ist besonders wichtig für die Oberfläche von Land, das unter kilometertiefem Eis begraben liegt und an das man nur schwer herankommt, beispielsweise Grönland. Grönland ist zu mehr als 80 Prozent von Eis bedeckt.

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Wo es Wärme gibt, könnte eine Plume vorhanden sein

In einer am 1. August 2018 in den Geophysical Research Letters veröffentlichten Abhandlung kartierten Martos und ihr Team den geothermalen Wärmefluss oder das Entweichen von Wärme auf Grönland. Ihre Modelle zeigten überraschenderweise regionale Abweichungen und eine Wärmespur entlang einer besonderen Route vom Nordwesten zum Südosten der Insel.

“Wir würden erwarten, dass Grönland eine gleichförmigere Signatur des geothermalen Wärmeflusses in seinem Inneren besitzt, aber das ist nicht der Fall”, sagte Martos, die Hauptautorin der Studie.

Die anderen Autoren sind Tom A. Jordan und David G. Vaughan vom British Antarctic Survey, Manuel Catalán vom Royal Institute und dem Observatory of the Spanish Navy, Thomas M. Jordan von der Stanford University und der University of Bristol, sowie Jonathan L. Bamber, ebenfalls von der University of Bristol.

Das Team vermutet, dass die Narbe entstand, als die tektonische Platte, zu der Grönland gehört, im Laufe der Jahrtausende über eine Mantelplume driftete, die unter der Lithosphäre aktiv ist. Die Lithosphäre ist die äußere Schicht der Erde. Sie umfasst die Kruste und den oberen Teil des Erdmantels. Diese Plume ist ein Kanal aus heißem Gestein, der hunderte Kilometer unter der Oberfläche beginnt. Sie steigt durch den Mantel auf und erreicht den Boden der Lithosphäre. Dann wird die Hitze durch die Lithosphäre transportiert, was ihre chemische Zusammensetzung verändert und die Kruste verdickt.

Weil sich die nordwestliche Region Grönlands eher von der Plume entfernte, erscheint sie in Martos’ Modell deutlich kühler als der Südosten. Trotzdem kühlt sich die südliche Region langsam ab. “Das Schöne ist, dass die Wärme dort jetzt aufgezeichnet wird, aber in hundert Millionen Jahren könnte man das möglicherweise nicht mehr sehen”, sagte Martos.

Eine ähnliche Mantelplume bildete die Hawaiianischen Inseln und versorgt momentan die Ausbrüche des Vulkans Kilauea. Die Hawaiianische Kette aus Inseln und Unterwasserbergen, die erschaffen wurde, als sich die Pazifische Platte über die Mantelplume in der Mitte des Pazifiks bewegte, ist eine sichtbare Darstellung der Art von Narbe, die Martos unter Grönland fand.

Die Hitze unter der Erdoberfläche

Mantelplumen sind eines von mehreren geothermalen, wärmetransportierenden Phänomenen auf der Erde. Ihre Anzahl ist unsicher, aber Wissenschaftler denken, dass es bis zu 20 geben könnte. Andernfalls würde der innere Planet gleichförmig durch den Zerfall radioaktiver Elemente in den oberen Schichten der Erde erwärmt. Aus der Entstehung unseres Planeten vor etwa 4,5 Milliarden Jahren ist auch primordiale Wärme übrig geblieben, ebenso von den Meteoriten, die sie trafen. Das Team berücksichtigte diese Wärmequellen, aber schloss ihre Beteiligung an der Bildung der Narbe aus, weil sie ein gleichförmiges Wärmemuster auf Grönland erzeugt hätten.

Ein anderer Faktor, der die Wärme in einer spezifischen Region erhöhen kann, ist tektonische Aktivität. Diese Aktivität umfasst Vulkanausbrüche und das Auseinanderbrechen von kontinentalen Platten, was Raum für den wärmeren Mantel schafft, so dass er in Form von Blasen aufsteigen kann. Aber diese Phänomene stimmen Martos zufolge ebenfalls nicht mit den Ergebnissen des Teams überein, wenn man bedenkt, dass Grönland ein Kraton ist – ein urzeitlicher Teil eines Kontinents ohne große tektonische Ereignisse.

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Die Wärme messen, ohne die Oberfläche anzurühren

Weil Grönland in der Mitte von einem bis zu drei Kilometer dicken Eisschild bedeckt ist, ist die Sammlung von Bodenproben unter dem Eis fast so schwierig wie Bodenproben vom Mond zu bekommen. Fernerkundungsdaten bieten praktisch das einzige Fenster zur Dynamik unter Grönland.

Martos’ Team entschied sich dafür, Magnetfelddaten von Magnetometern an Bord von Flugzeugen anzuschauen, welche die Stärke des Erdmagnetfeldes messen. Die Daten offenbaren Anomalien in der Magnetisierung der Gesteine unter Grönland.

Der Magnetismus ist von der Temperatur abhängig, deshalb verlieren Gesteine, die auf eine bestimmte Temperatur erhitzt werden, ihre magnetischen Eigenschaften. Das geschieht normalerweise tief innerhalb der Erde. Weil Magnetit das häufigste magnetische Mineral im unteren Teil der Kruste ist, untersuchten Wissenschaftler ausschließlich dieses Mineral. Magnetit verliert seine ferromagnetischen Eigenschaften (seinen Magnetismus), wenn es auf 580 Grad Celsius erhitzt wird – ein Punkt, der als die Curie-Temperatur bezeichnet wird. Unter Berücksichtigung der Auswirkungen dieser Temperatur auf das Magnetit konnte das Team die Grundlage des Magnetismus in der Kruste Grönlands finden. Von dort aus beobachteten die Forscher die tiefen Veränderungen der Orte mit der Curie-Temperatur für Magnetit, um die freigesetzte Hitze auf Grönland zu kartieren.

Das Team stellte fest, dass die Curie-Temperatur entlang der Bahn der Plume näher an der Oberfläche erreicht wurde. Das spricht dafür, dass die Plume den unteren Teil der Lithosphäre aufgeheizt hatte und dass die Hitze dort immer noch vorhanden war. Das Team nutzte außerdem Gravitationsdaten, um die Strukturen der Lithosphäre zu modellieren und den Einfluss der Plume auf die Dicke der Kruste zu bestätigen.

Im zentralen Teil der Insel schätzte das Team den Wärmefluss auf etwa 60-70 Milliwatt pro Quadratmeter – das ist bis zu 50 Prozent höher als der Wärmefluss in den Bereichen der Insel, die nicht von der Plume beeinflusst werden. Das ist eine kleine Menge: Eine Glühbirne mit 100 Watt erzeugt im Vergleich dazu drei Größenordnungen oder 1.000 Mal mehr Wärme.

Martos und ihre Co-Autoren sagen, dass die von ihnen registrierte Wärme dennoch Eis am Boden des Grönländischen Eisschilds schmelzen könne. Es trägt allerdings nicht zum beschleunigten Abschmelzen der Gletscher auf Grönland bei. Weil die geothermale Wärme über so lange Zeitperioden von zig Millionen Jahren abnimmt, gab es wahrscheinlich keine Veränderungen des Wärmeflusses, seit sich das Eis auf Grönland vor rund drei Millionen Jahren bildete.

Martos’ Modelle werden Wissenschaftler unterstützen, die Effekte der unterirdischen Wärme auf das Abschmelzen oder Abbrechen an der Basis von Eisschilden und Gletschern auf der Erde besser zu verstehen. Sie werden außerdem bei der Untersuchung abgelegener Orte auf der Erde und anderen aus Gestein bestehenden Himmelskörpern in unserem Sonnensystem helfen.

Martos begann mit dieser Forschungsarbeit, als sie eine Marie-Curie-Stipendiatin der Europäischen Union beim British Antarctic Survey war.

Quelle

(THK)

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