Megalith-Grabstätten waren in der europäischen Steinzeit Familiengräber

Die Ansarve-Stätte auf der Ostseeinsel Gotland. (Credits: Magdalena Fraser)
Die Ansarve-Stätte auf der Ostseeinsel Gotland. (Credits: Magdalena Fraser)

In einer neuen Studie beschreibt ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Uppsala University verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Individuen aus der Steinzeit, die in megalithischen Grabstätten in Irland und Schweden begraben wurden. Die verwandtschaftlichen Beziehungen können über mehr als zehn Generationen zurückverfolgt werden und deuten darauf hin, dass Megalithe in der Steinzeit Nordwesteuropas Grabstätten für verwandte Gruppen waren.

Mit Zuwanderern aus dem Fruchtbaren Halbmond breitete sich um 9000 vor Christus die Landwirtschaft aus und erreichte den Nordwesten Europas um 4000 vor Christus. Etwa um 4500 vor Christus begann ein neues Phänomen entlang der Atlantikküsten aufzutauchen: die Konstruktion megalithischer Monumente, insbesondere für Begräbnisriten. Diese Bauten waren für die wissenschaftliche Gemeinschaft rätselhaft, und der Ursprung und die soziale Struktur der Gruppen, die sie errichteten, blieben größtenteils unbekannt.

Das internationale Team sequenzierte und analysierte die Genome der menschlichen Überreste von 24 Individuen aus fünf megalithischen Grabstätten, welche die weit verbreitete Tradition der megalithischen Bauten im Norden und Westen Europas umfassen.

Das Team sammelte die menschlichen Überreste von 24 Individuen aus Megalith-Bauten in Irland, Schottland und auf der schwedischen Ostseeinsel Gotland. Die Überreste wurden mittels Radiokarbondatierung auf eine Zeit zwischen 3800 und 2600 vor Christus datiert. Aus den Knochen und Zähnen wurde DNA für die Genomsequenzierung entnommen. Das Team verglich die Genomdaten mit der genetischen Variation der Steinzeitgruppen und Individuen aus anderen Regionen Europas. Die Individuen in den Megalith-Bauten waren eng mit neolithischen Farmern in Nord- und Westeuropa verwandt und auch mit einigen Gruppen von der Iberischen Halbinsel, aber weniger mit Farmergruppen in Zentraleuropa.

Väterliche Kontinuität im Laufe der Zeit

Das Team stellte in den Megalith-Grabstätten auf den Britischen Inseln eine Überrepräsentation von Männern gegenüber Frauen fest.

“Wir fanden eine väterliche Kontinuität im Lauf der Zeit, darunter die gleichen Y-Chromosom-Haplotypen, die immer und immer wieder auftraten”, sagte die Archäogenetikerin Helena Malmström von der Uppsala University, eine Co-Autorin der Studie. “Weibliche verwandte Mitglieder wurden jedoch nicht von den Megalith-Beisetzungen ausgeschlossen, weil an drei der sechs verwandtschaftlichen Beziehungen in diesen Megalith-Bauten Frauen beteiligt waren.”

Die genetischen Daten zeigen enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Individuen, die in den Megalith-Grabstätten begraben wurden. Bei den Individuen in dem Listhogil-Grab (Carrowmore Stätte) und rund zwei Kilometer entfernt in Tomb 1 (Primrose Grange Stätte) wurde eine wahrscheinliche Eltern-Kind-Beziehung entdeckt. “Das war eine Überraschung. Es scheint so, dass diese neolithischen Gemeinschaften eng mit sehr nahen verwandtschaftlichen Beziehungen an den Grabstätten verknüpft waren” sagte der Populationsgenetiker Federico Sanchez-Quinto von der Uppsala University, der Hauptautor der Studie.

Das Ansarve-Grab wurde von bestimmten Gruppen genutzt

Die Ansarve-Stätte auf der Ostseeinsel Gotland ist in eine Region eingebettet, in der hauptsächlich Jäger und Sammler vorkamen. “Die im Ansarve-Grab bestatteten Menschen unterscheiden sich genetisch deutlich von den Menschen aus jener Zeit, die an Jäger/Sammler-Grabstätten freigelegt wurden. Das veranschaulicht die Begräbnistraditionen dieser megalithischen Grabstätte, die über 700 Jahre lang andauerte und von verschiedenen Gruppen mit Wurzeln in der neolithischen Ausbreitung in Europa durchgeführt wurden”, sagte die Archäogenetikerin Magdalena Fraser von der Uppsala University, eine Co-Autorin der Studie.

“Dass wir verschiedene väterliche Abstammungslinien bei den Menschen in den Megalith-Gräbern finden, in manchen Gräbern eine Überrepräsentation von Männern, und die klaren Verwandtschaftsbeziehungen sprechen dafür, dass die Individuen Teil eines patrilinealen Segments der Gesellschaft waren und nicht eine zufällige Stichprobe aus einer größeren neolithischen Farmergemeinschaft”, sagte der Populationsgenetiker Mattias Jakobsson von der Uppsala University, Seniorautor der Studie.

“Unsere Studie demonstriert das Potenzial der Archäogenetik, nicht nur großräumige Migrationen zu offenbaren, sondern auch dafür, etwas über die Gemeinschaften in der Steinzeit und die Rolle besonderer Phänomene in diesen Zeiten zu erfahren, beispielsweise die Megalithe”, sagte Federico Sanchez-Quinto.

“Die Muster, die wir beobachten, könnten einzigartig für die Grabstätten Primrose, Carrowmore und Ansarve sein, und zukünftige Untersuchungen anderer Megalithe sind notwendig, um zu sagen, ob dies ein allgemeines Muster für megalithische Begräbnisstätten darstellt”, sagte der Osteoarchäologe Jan Storå von der Stockholm University.

Abhandlung: “Megalithic tombs in western and northern Neolithic Europe were linked to a kindred society“, von Sánchez-Quinto et al. (2019), PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1818037116 (Open access)

Quelle

(THK)

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