
Auf einem Seminar am CERN präsentierte die LHCb Collaboration am 10. März 2020 eine neue Analyse von Daten eines speziellen Zerfallsprozesses, den ein sogenanntes B0-Meson erfährt. Die Analyse basiert auf doppelt so vielen B0-Zerfallsprozessen wie die vorherigen LHCb-Analysen, die eine Unstimmigkeit mit dem Standardmodell der Teilchenphysik offengelegt hatten. Die Unstimmigkeit ist in der neuen Analyse immer noch vorhanden, aber es werden weitere Daten benötigt, um ihre Ursache zu ergründen.
Der fragliche Zerfall ist der Zerfallsprozess eines B0-Mesons (bestehend aus einem Bottom-Quark und einem Down-Quark) in ein K*-Meson (bestehend aus einem Strange-Quark und einem Down-Quark) und ein Myonenpaar. Das ist ein seltener Prozess: Das Standardmodell sagt nur einen solchen Zerfall pro eine Million B0-Zerfallsprozesse voraus.
In vielen Theorien, die das Standardmodell erweitern, können auch neue, unbekannte Teilchen zu dem Zerfall beitragen, was in einer Veränderung der Zerfallsrate resultiert, mit der der Zerfallsprozess auftreten sollte. Außerdem kann die Verteilung der Winkel der B0-Zerfallsprodukte in Bezug zum ursprünglichen B0-Meson auch durch die Präsenz neuer Teilchen beeinflusst werden. Das würde dann die Myonen sowie das Kaon und das Pion aus dem K*-Zerfall betreffen.
In früheren Studien dieses Zerfalls analysierte das LHCb-Team Daten aus dem ersten Betriebslauf des Large Hadron Collider (LHC) und fand eine Abweichung von den Vorhersagen des Standardmodells bei einem Parameter, der aus der Winkelverteilung (technisch P5) berechnet wird. In der neuen Studie hat das LHCb-Team weitere LHC-Daten aus dem zweiten Betriebslauf der Maschine ergänzt, um ihre Analyse durchzuführen und sieht immer noch eine Abweichung von den Voraussagen des Standardmodells hinsichtlich des Parameters P5 und anderer Parameter. Die alten und neuen Ergebnisse haben allerdings eine statistische Signifikanz von 3 Standardabweichungen, wohingegen 5 Standardabweichungen als der Goldstandard in der Teilchenphysik gelten. Daher ist es noch zu früh, um sagen zu können, ob die Abweichung statistisch relevant ist und falls ja, ob sie durch ein neues Teilchen oder einen unbekannten experimentellen oder theoretischen Effekt verursacht wird.
„Das ist eine sehr spannende Zeit, um das zu tun, was wir Flavour-Physik nennen“, sagte Mat Charles, der Physik-Koordinator des LHCb-Teams. „Hier und in anderen damit zusammenhängenden Analysen sehen wir weiterhin mittelschwere Unstimmigkeiten gegenüber dem Standardmodell. Wir wissen noch nicht, als was sich dieses Rätsel herausstellen wird – bisher hat nichts die Stufe eines soliden Belegs erreicht. Aber wir freuen uns sehr auf die nächsten Ergebnisse aus der Verwendung der vollständigen LHCb-Daten, die die Anzahl der Ereignisse nochmals ungefähr verdoppeln wird.“
(THK)
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