Vor 40 Jahren entdeckten Astronomen mit empfindlichen neuen Bildgebungsverfahren eine Klasse großer, schwacher Galaxien, die sie als Galaxien mit geringer Flächenhelligkeit bezeichneten. Riesengalaxien mit geringer Flächenhelligkeit sind eine Unterklasse, deren Massen mit jener der Milchstraßen-Galaxie vergleichbar sind, aber deren Radien zehnmal größer sind – bis zu 400.000 Lichtjahre. Diese Galaxien stellen ein Problem für Astronomen dar: Trotz ihrer Masse sind die galaktischen Scheiben kinematisch betrachtet relativ inaktiv.
Das gängige Entstehungsparadigma für massereiche Galaxien sieht vor, dass sie sich aus galaktischen Verschmelzungen entwickeln – ein Prozess, der die Scheibe aufwühlt und sie kinematisch aktiv werden lassen sollte. Darüber hinaus findet man in der Nähe dieser Galaxien keine anderen Galaxien, was dafür spricht, dass Kollisionen für ihre Entstehung wahrscheinlich nicht wichtig waren.
Die Frage, wie diese Galaxien entstehen, wird derzeit diskutiert. Zwei populäre Modelle wurden vorgeschlagen: Im ersten Modell, dem nicht-katastrophischen Szenario, führt der langsame Zustrom von Gas auf die Galaxie zu ihrem Wachstum. Im alternativen Modell, dem katastrophischen Szenario, fand in der Vergangenheit ein Verschmelzungsereignis statt. Der große Vorteil dieses Modells liegt darin, dass es in das aktuelle Rahmenwerk zur Galaxienbildung passt.
Der Astronom Igor Chilingarian vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) und seine Kollegen haben empfindliche optische Beobachtungen an sieben solcher Galaxien durchgeführt und Spektren entlang der vollen Durchmesser dieser schwachen, riesigen Systeme erstellt. Sie kombinierten ihre Ergebnisse mit archivierten optischen und Radiodaten über Emissionen von atomarem Wasserstoff. Die neue Studie ist die neueste in einer Reihe von Ergebnissen zu solchen Riesengalaxien mit geringer Flächenhelligkeit.
Die Astronomen nutzten den großen Datensatz, um die beiden Szenarien zu prüfen. Sie zogen auch eine dritte Option in Betracht, bei der sich die Galaxien innerhalb eines ungewöhnlich seichten Dunkle-Materie-Halos unter dessen gravitativen Einfluss bildeten. (Man vermutet, dass alle Galaxien Halos aus Dunkler Materie besitzen. Der Halo der Milchstraßen-Galaxie enthält zehnmal mehr Masse als in den Sternen vorhanden ist.
Sie schlussfolgern, dass alle drei Szenarien aufzutreten scheinen, aber in unterschiedlichen Situationen. Im Großteil ihrer Stichprobe war der wahrscheinlichste Wachstumsprozess die langsame Akkretion nach der Entstehung der ursprünglichen Galaxie. Bei den restlichen Galaxien erklärte das Verschmelzungsszenario die Beobachtungen besser, obwohl sie in wenigen Fällen feststellten, dass ein zerstreuter Dunkle-Materie-Halo auch eine Rolle spielen könnte.
Die Wissenschaftler entdeckten auch, dass mindestens sechs ihrer sieben untersuchten Galaxien aktive galaktische Kerne besitzen. Ihre supermassiven Schwarzen Löcher sind jedoch viel masseärmer als jene in normalen Galaxien von vergleichbarer Masse, was darauf hindeutet, dass Verschmelzungen – sofern sie überhaupt an der Entstehung dieser Galaxien beteiligt waren – relativ bescheiden gewesen sein müssen.
Studie: „Observational Insights on the Origin of Giant Low Surface Brightness Galaxies“ von Anna S. Saburova, Igor V. Chilingarian, Anastasia V. Kasparova, Olga K. Sil’chenko, Kirill A. Grishin, Ivan Yu. Katkov und Roman I. Uklein, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 503, 830, 2021.
(THK)
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