Kolibris sind eine Besonderheit in der Natur: Sie fliegen wie Insekten, aber haben das Muskelskelettsystem von Vögeln. Sie besitzen eine extreme Wendigkeit und Flugformen, was der Grund dafür ist, warum viele Drohnen und andere Luftfahrzeuge so entworfen wurden, dass sie die Bewegungen von Kolibris imitieren. Mit einer neuen Methode gewann ein Forschungsteam neue Einblicke darin, wie Kolibris ihre Flügelbewegungen produzieren, was zur Entwicklung von Verbesserungen bei fliegenden, automatischen Fluggeräten führen könnte. Das Team wurde von Bo Cheng geleitet, dem Kenneth K. and Olivia J. Kuo Early Career Associate Professor in Mechanical Engineering an der Pennsylvania State University.
Die Ergebnisse wurden diese Woche in den Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.
“Im Grunde rekonstruierten wir die innere Funktionsweise des Muskelskelettsystems des Flügels – wie die Muskeln und das Skelett bei Kolibris arbeiten, um die Flügel zu schlagen”, sagte der Erstautor und Doktorand für Maschinenbau Suyash Agrawal. “Die traditionellen Methoden haben sich größtenteils auf die Messung der Aktivität eines Vogels oder Insekts konzentriert, während sie sich im natürlichen Flug oder in einer künstlichen Umgebung befinden, wo flugähnliche Bedingungen simuliert werden. Aber die meisten Insekten und Vögel (insbesondere Kolibris) sind sehr klein. Die Daten, die wir aus diesen Messungen bekommen, sind begrenzt.”
Die Forscher nutzten Literatur über Muskelanatomie, Simulationsdaten zur Fluiddynamik und Informationen über Flügelskelettbewegungen, die mittels Mikrocomputertomografie- und Röntgenmethoden aufgezeichnet wurden, um ihr Modell zu erstellen. Sie verwendeten außerdem einen Optimierungsalgorithmus basierend auf Evolutionsstrategien (der sogenannte genetische Algorithmus), um die Parameter des Modells zu kalibrieren. Den Forschern zufolge ist ihr Ansatz der erste, der diese separaten Bereiche für biologische Flieger einbezieht.
“Wir können die gesamte rekonstruierte Bewegung des Kolibriflügels simulieren und dann alle Ströme und Kräfte simulieren, die durch den Flügelschlag erzeugt werden, inklusive des Drucks, der auf den Flügel wirkt”, sagte Cheng. “Daraus können wir das erforderliche Gesamtdrehmoment zurückrechnen, das für den Flügelschlag benötigt wird. Und dieses Drehmoment ist etwas, das wir für die Kalibrierung unseres Modells nutzen.”
Mit diesem Modell zeigten die Forscher bislang unbekannte Prinzipien des Kolibri-Flügelschlags. Die erste Entdeckung war laut Cheng, dass die Primärmuskeln des Kolibris (also sein Flugantrieb) die Flügel nicht einfach vor- und zurückbewegen, sondern sie stattdessen in drei Richtungen ziehen: hoch und runter, vor und zurück, sowie ein Verdrehen des Flügels. Die Wissenschaftler stellten auch fest, dass Kolibris ihre Schultergelenke bei der Hoch/Runterbewegung und der Drehbewegung mittels mehrerer kleinerer Muskeln anspannen.
“Es ist so, als würden wir Fitnesstraining machen und ein Trainer sagt, man solle den Bauch anspannen, um beweglicher zu sein”, sagte Cheng. “Wir fanden heraus, dass Kolibris einen ähnlichen Mechanismus verwenden. Sie spannen ihre Flügel in der Dreh- und der Auf/Abbewegung an, aber lassen die Flügel während der Vor/Zurückbewegung locker. Dadurch scheinen sich ihre Flügel nur vor- und zurück zu bewegen, obwohl ihre Flugmuskeln sie in Wirklichkeit in alle drei Richtungen ziehen. Auf diese Weise haben die Flügel eine sehr gute Beweglichkeit in der Hoch/Runterbewegung und in der Drehbewegung.”
Cheng betonte, dass die Ergebnisse des optimierten Modells Voraussagen sind, die eine Validierung brauchen werden, aber er sagte, dass es Auswirkungen auf die technologische Entwicklung von Luftfahrzeugen haben werde.
“Auch wenn es noch nicht die Technologie gibt, um den Flug der Kolibris vollständig nachzubilden, liefert unsere Arbeit grundlegende Prinzipien für die Nachbildung des Kolibriflugs, hoffentlich für die nächste Generation beweglicher Luftfahrzeuge”, sagte er.
Die anderen Autoren sind Zafar Anwar (Doktorand am Department of Mechanical Engineering, Penn State), Bret W. Tobalske (Division of Biological Sciences, University of Montana), Haoxiang Luo (Department of Mechanical Engineering, Vanderbilt University) und Tyson L. Hedrick (Department of Biology, University of North Carolina). Das Office of Naval Research finanzierte diese Studie.
(THK)
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