Eine von einem Forschungsteam am Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC) durchgeführte Studie hat ergeben, dass eine ungewöhnlich dünne Struktur aus Sternen, die kürzlich vom Weltraumteleskop Hubble entdeckt wurde, eine Galaxie sein könnte, die man von der Seite betrachtet. Diese Entdeckung widerspricht der ursprünglichen Interpretation, laut der ein fortkatapultiertes supermassives Schwarzes Loch einen Schweif aus Sternen hinter sich herzieht. Die neue Interpretation wurde im Journal Astronomy and Astrophysics Letters veröffentlicht.
Ein rätselhafter Schweif aus Sternen, der vor acht Milliarden Jahren entstand und kürzlich vom Weltraumteleskop Hubble entdeckt wurde, hatte sich als Herausforderung für mehrere Forschungsgruppen erwiesen. Seine Größe ist vergleichbar mit jener der Milchstraßen-Galaxie und es wurden mehrere Erklärungen für den Ursprung dieser sehr langen, schmalen Struktur vorgestellt.
Einer kontroversen Anfangshypothese zufolge könnte dieser Schweif aus Sternen die Folge einer Passage eines supermassiven Schwarzen Lochs durch eine riesige Gaswolke sein. Diese Theorie befeuerte die Vorstellungskraft der astronomischen Gemeinschaft, weil sie eine eine lange Reihe komplexer, außergewöhnlicher Umstände erfordert. Aus diesem Grund haben mehrere Forschungsteams ihre Untersuchungen fortgesetzt, um andere und weniger exotische Szenarien zu erkunden, die die Beobachtungen erklären können.
In einer neuen Studie sind Forscher am IAC zu der Schlussfolgerung gelangt, dass diese ungewöhnliche Struktur aus Sternen als eine Galaxie ohne Bulge interpretiert werden könnte, die man von der Seite betrachtet. Dieser Galaxientyp wird als dünne oder flache Galaxien bezeichnet und ist relativ häufig.
„Die Bewegungen, die Größe und die Anzahl der Sterne passt zu dem, was in Galaxien innerhalb des lokalen Universums beobachtet wird“, erklärte Jorge Sanchez Almeida vom IAC, der Erstautor des Artikels. „Es ist erleichternd, die Lösung für dieses Rätsel gefunden zu haben; das neue vorgeschlagene Szenario ist viel einfacher. In gewisser Weise ist es auch schade, weil die Existenz eines fortkatapultierten Schwarzen Lochs erwartet wird und dies hätte das erste beobachtete Exemplar sein können.“
Um die Hypothese der Interpretation als Galaxie zu unterstützen, verglich das Team die rätselhafte Struktur mit einer gut bekannten lokalen Galaxie ohne Bulge – IC 5249 -, die eine ähnliche Anzahl an Sternen besitzt, und fand überraschende Übereinstimmungen.
Mit den Worten von Mireia Montes vom IAC, einer Co-Autorin der Studie: „Als wir die Geschwindigkeiten dieser fernen Struktur aus Sternen analysierten, erkannten wir, dass sie recht ähnlich zu jenen waren, die aus der Rotation von Galaxien abgeleitet wurden. Also entschieden wir uns dazu, sie mit einer viel näheren Galaxie zu vergleichen und stellten fest, dass sie außerordentlich ähnlich sind.“
„Wir betrachteten auch das Verhältnis zwischen der Masse der vermuteten Galaxie und ihrer maximalen Rotationsgeschwindigkeit und entdeckten, dass es tatsächlich eine Galaxie ist, die sich wie eine Galaxie verhält“, sagte Ingacio Trujillo vom IAC, der ebenfalls an der Studie mitwirkte. „Es ist ein interessantes Objekt, weil es eine recht große Galaxie in einer sehr großen Entfernung zur Erde ist, wo die Mehrheit der Galaxien kleiner ist.“
Nachfolgende Beobachtungen werden eine detailliertere Untersuchung dieses Objekts ermöglichen.
Studie: „Super-massive black hole wake or bulgeless edge-on galaxy?“ von Sanchez Almeida, Jorge; Montes, Mireia; Trujillo, Ignacio, A&A, 2023.
(THK)
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