Ein junger Stern stellt seine Röntgen-Hotspots zur Schau

Der Protostern V1647 Orionis befindet sich in der Spitze des kegelförmigen McNeil-Nebels, der im Januar 2004 entdeckt wurde. Diese Aufnahme des Frederick C. Gillett Gemini Telescope auf Hawaii zeigt ihn am 14. Februar 2004. (Gemini Observatory)
Der Protostern V1647 Orionis befindet sich in der Spitze des kegelförmigen McNeil-Nebels, der im Januar 2004 entdeckt wurde. Diese Aufnahme des Frederick C. Gillett Gemini Telescope auf Hawaii zeigt ihn am 14. Februar 2004. (Gemini Observatory)

Unter Verwendung von kombinierten Daten dreier erdumkreisender Röntgenteleskope, darunter dem Chandra X-ray Observatory der NASA und dem japanischen Suzaku-Satelliten, haben Astronomen einen seltenen Einblick in die mächtigen Phänomene gewonnen, die einen noch in der Entstehung befindlichen Stern begleiten. Eine neue Studie, die auf diesen Beobachtungen basiert, spricht dafür, dass starke Magnetfelder enorme Gasströme auf die stellare Oberfläche lenken, wo sie große Gebiete auf mehrere Millionen Grad Celsius aufheizen. Röntgenstrahlen, die von diesen Hotspots emittiert werden, verraten die schnelle Rotation des neugeborenen Sterns.

Astronomen bemerkten den jungen Stern namens V1647 Orionis (kurz: V1647 Ori) erstmals im Januar 2004, als er sich nahe einer Ausbruchsspitze befand. Die Eruption hatte den Stern soviel heller gemacht, dass er eine kegelförmige Staubstruktur anstrahlte, die als McNeil’s Nebula (“McNeils Nebel”) bekannt ist. Der Stern und der Nebel liegen etwa 1.300 Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbildes Orion.

Astronomen bestimmten schnell, dass V1647 Ori ein Protostern ist, ein stellarer Säugling, der noch teilweise in seine Geburtswolke eingehüllt ist. “Basierend auf Infrarotstudien vermuten wir, dass dieser Protostern nicht älter als eine Million Jahre ist, möglicherweise deutlich jünger”, sagte Kenji Hamaguchi, ein Astrophysiker am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) und leitender Autor der Studie.

Protosterne haben noch nicht die energieerzeugenden Fähigkeiten eines normalen Sterns wie der Sonne entwickelt, der in seinem Kern Wasserstoff zu Helium fusioniert. Für V1647 Ori liegt dieses Stadium Millionen Jahre in der Zukunft. Bis dahin leuchtet der Protostern durch die Wärmeenergie, die von dem Gas freigesetzt wird, das auf ihn stürzt – der Großteil davon hat seinen Ursprung in einer rotierenden protoplanetaren Scheibe.

Die Masse von V1647 Ori beträgt wahrscheinlich nur etwa 80 Prozent der Sonnenmasse, aber seine geringe Dichte bläht ihn auf nahezu das Fünffache der Sonnengröße auf. Infrarotmessungen zeigen, dass der Großteil der Sternoberfläche eine Temperatur von rund 3.500 Grad Celsius aufweist, was etwa ein Drittel kühler als die Oberfläche der Sonne ist.

Trotzdem steigerte sich die Röntgenhelligkeit des Protosterns während des Ausbruchs von 2003 um das Hundertfache und die Temperatur seiner Röntgenstrahlung emittierenden Gebiete erreichte 50 Millionen Grad Celsius. Eine neue Eruption begann 2008 und hält bis heute an.

Während der Ausbrüche könnten die Helligkeitsveränderungen in optischen und infraroten Wellenlängen eine Folge von Veränderungen bei der Hauptenergiequelle des Protosterns sein, dem Zufluss von Materie auf den Stern. Weil die Veränderungen der Röntgenhelligkeit jenen im optischen und infraroten Bereich dicht folgten, muss die hochenergetische Emission auch mit der Akkretion in Zusammenhang stehen.

Die periodische Röntgenemission von V1647 Orionis (gelbe Linie) lässt sich am besten durch die kombinierte Röntgenstrahlung zweier Hotspots (grüne und rote Linien) an gegenüberliegenden Orten auf der Oberfläche des Protosterns erklären. Die kleinen Illustrationen im oberen Teil der Grafik zeigen die räumliche Ausrichtung der Hotspots im zeitlichen Verlauf. (NASA / Goddard Space Flight Center)
Die periodische Röntgenemission von V1647 Orionis (gelbe Linie) lässt sich am besten durch die kombinierte Röntgenstrahlung zweier Hotspots (grüne und rote Linien) an gegenüberliegenden Orten auf der Oberfläche des Protosterns erklären. Die kleinen Illustrationen im oberen Teil der Grafik zeigen die räumliche Ausrichtung der Hotspots im zeitlichen Verlauf. (NASA / Goddard Space Flight Center)

“V1647 Ori gab uns den ersten direkten Beleg dafür, dass ein Protostern seine Röntgenaktivität steigert, wenn sich die Rate seiner Massenakkretion erhöht”, sagte Co-Autor Nicolas Grosso, ein Astrophysiker vom French National Center for Scientific Research (CNRS) am Strasbourg Astronomical Observatory. Dieser Zusammenhang wurde von ein paar anderen jungen Sternen untermauert, deren Ausbrüche erhöhte Röntgenstrahlung umfassten.

Um den Emissionsprozess im Detail zu untersuchen und herauszufinden, wo auf dem Stern oder der Scheibe die Röntgenstrahlen entstehen, analysierten die Wissenschaftler erneut alle Beobachtungen, welche die drei führenden Röntgensatelliten Chandra, Suzaku und XMM-Newton von V1647 Ori gemacht hatten. Ihr Ziel war es, Muster zu finden, die vielleicht Anhaltspunkte über die Orte und Mechanismen geben könnten, wo und wie die hochenergetische Emission erzeugt wird.

In der Ausgabe vom 20. Juli 2012 des The Astrophysical Journal berichtet das Team, dass starke Ähnlichkeiten unter elf separaten Röntgenlichtkurven den Wissenschaftlern erlaubten, zyklische Röntgenvariationen zu identifizieren. Bemerkenswerterweise deuten diese periodischen Signale darauf hin, dass der Stern einmal pro Tag rotiert. V1647 Ori gehört zu den jüngsten Sternen, deren Rotationszeiten mit einer röntgenbasierten Methode bestimmt wurden.

“Wenn man bedenkt, dass V1647 Ori die fünffache Sonnengröße besitzt, bestätigt die schnelle Rotation, dass wir ein junges stellares Objekt betrachten, das im Begriff ist, sich zusammenzuziehen”, sagte Co-Autor Joel Kastner, ein Professor für Bildverarbeitung und astronomische Wissenschaften und Technologie am Rochester Institute of Technology in New York.

Die zyklischen Röntgenveränderungen repräsentieren das Erscheinen und Verschwinden heißer Regionen auf dem Stern, die in das Blickfeld hinein und aus ihm heraus rotieren. Das Modell, das am besten mit den Beobachtungen übereinstimmt, bezieht den Forschern zufolge zwei Hotspots mit ungleicher Helligkeit ein, welche sich auf entgegengesetzten Seiten des Sterns befinden. Man nimmt an, dass beide Hotspots pfannkuchenförmige Gebiete von der Größe der Sonne sind, aber der südlichere Hotspot ist etwa fünfmal heller.

Die Hotspots stellen die Fußabdrücke der magnetisch angetriebenen Akkretionszuströme von der Scheibe auf die Oberfläche des jungen Sterns dar. Um die mit den Röntgenemissionen verbundenen hohen Temperaturen zu erreichen, muss die Materie mit Geschwindigkeiten von rund 7,2 Millionen Kilometern pro Stunde (circa 2.000 km/s) auf den Protostern treffen. Als Folge davon erreichen die Hotspots Temperaturen, die ungefähr 13.000 Mal heißer sind als anderswo auf dem Stern.

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Video-Link: https://youtu.be/LdTSqT4VcaY

In dieser Animation lenken starke Magnetfelder Materieströme auf den Protostern, wo sie zwei Hotspots erzeugen, die hochenergetische Röntgenstrahlung produzieren. (NASA / Goddard Space Flight Center)

“Eine interessante Möglichkeit, solche Hochgeschwindigkeitsmaterie anzutreiben, sind Magnetfelder, die bei der Massenakkretion einem ständigen Kreislauf von Scherung und Rekonnexion unterliegen”, sagte David Weintraub, ein Professor für Astronomie an der Vanderbilt University in Nashville (Tennessee) und Mitglied des Teams.

Sowohl der Stern als auch seine protoplanetare Scheibe besitzen Magnetfelder. Weil der Stern schneller rotiert als die Scheibe, werden diese Felder verdreht und geschert und speichern Energie ähnlich wie ein aufgerolltes Gummiband. Wenn sich das verdrehte Feld letztendlich in einem stabileren Zustand neu ausrichtet, entfesselt es seine gespeicherte Energie in einem plötzlichen Ausbruch. Dieser Prozess, magnetische Rekonnexion genannt, versorgt auch Röntgenausbrüche auf der Sonne mit Energie.

Aber obwohl die physikalischen Prozesse ähnlich sein mögen, sind ihre Zeitskalen sehr verschieden. Die Spitze der Röntgenemission eines Sonnenausbruchs dauert nur wenige Minuten. Die Ausbrüche von V1647 Ori halten jahrelang an.

Zum Vergleich denke man an den bislang stärksten aufgezeichneten Sonnenausbruch, die X28-Eruption vom 4. November 2003. Hamaguchi berechnet, dass die stetige Röntgenhelligkeit des aktuellen Ausbruchs V1647 Ori ein paar tausend Mal stärker als die Spitzenhelligkeit dieses Sonnenausbruchs ist. Was verursacht die Ausbrüche des Sterns? Die Astronomen wissen es nicht wirklich. Sie vermuten, dass Gas aus dem äußeren Bereich der Scheibe seinen Weg nach innen findet und die innere Scheibe in der Nähe des Sterns schrittweise aufbaut. Die starke magnetische Aktivität könnte sich nur dann einschalten, wenn eine Grenze erreicht ist, aber wenn sie das tut, dann fließt das Gas schnell auf die Hotspots zu und erzeugt Röntgenstrahlen.

Dank Chandra, Suzaku und XMM-Newton geben die Ausbrüche von V1647 Ori Astronomen einen Einblick in die extreme Kindheit eines sonnenähnlichen Sterns.

Quelle: http://www.nasa.gov/topics/universe/features/xray-flaunt.html

(THK)

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