Krebszellen sind möglicherweise eine Art urzeitliches Werkzeug

Vivek Nandakumar, Center for Biosignatures Discovery Automation, Biodesign Institute, Arizona State University
Vivek Nandakumar, Center for Biosignatures Discovery Automation, Biodesign Institute, Arizona State University

Trotz jahrzehntelanger Forschung und Milliarden Dollar Kosten bleibt Krebs eine der häufigsten Todesursachen, weil er die verblüffende Eigenschaft besitzt, sich sowohl der körpereigenen Abwehr als auch medizinischen Eingriffen zu entziehen. Jetzt glaubt ein Wissenschaftler der Arizona State University (ASU) dafür eine Erklärung gefunden zu haben.

“Krebs ist nicht ein zufällig entstandener Haufen von eigennützigen, bösartigen Zellen, die sich schlecht benehmen, sondern eine hocheffiziente, vorprogrammierte Antwort auf Stress, die in einer langen Evolutionsphase ausgeklügelt wurde”, behauptet Professor Paul Davies, der Leiter des BEYOND Center for Fundamental Concepts in Science an der ASU und Projektleiter des wichtigsten Forschungsprogrammes des National Cancer Institute, das naturwissenschaftliche Einblicke zum Thema Krebs liefern soll.

In einer Abhandlung, die am 7. Februar 2011 in der Onlineausgabe der Zeitschrift Physical Biology des UK Institute of Physics erschienen ist, versuchen Davies und Charles Lineweaver von der Australian National University aus Sicht ihres astrobiologischen Hintergrundes zu erklären, warum Krebszellen auf so stimmige und organisierte Weise dermaßen viele raffinierte Tricks entwickeln können.

Sie sind der Meinung, dass dies nur möglich ist, weil der Krebs dabei auf Milliarden Jahre alte, immer wieder getestete und erprobte genetische Wege zurückgreifen kann, die noch aus einer Zeit stammen, als lose Zellverbände begannen zusammen zu arbeiten und sich als Folge daraus vollentwickelte vielzellige Lebensformen gebildet haben. Diese urzeitlichen Ansammlungen – von den Wissenschaftlern Metazoa 1.0 genannt – blieben bald hinter den vollentwickelten Zell- und Organdifferenzierungen zurück, wie sie bei heutigen Vielzellern – so auch dem Menschen – vorkommen.

Doch Davies und Lineweaver zufolge sind die Gene für diese urzeitlichen, lockeren Zusammenschlüsse – Metazoa 1.0 – immer noch vorhanden und bilden ein wirkungsvolles Werkzeug. Normalerweise bleibt es weggeschlossen, unterdrückt durch die Maschinerie neuerer Gene, die für höher entwickelte Körperbaupläne benötigt wurden. Wenn jedoch irgend etwas dieses Schloss aufbricht, fahren die Urgene systematisch ihre vielen Eigenschaften hoch, die den Krebs zu einer schier unverwüstlichen Lebensform und einem furchtbaren Widersacher machen.

“Tumore sind ein Wiederaufflackern unseres inneren Metazoa 1.0, ein Rückblick in eine uralte Welt, in der das vielzellige Leben noch einfacher war.” Davies weiter: “So gesehen ist Krebs eine Panne, die nur darauf wartet zu passieren.”

Wenn Davies und Lineweaver Recht haben, beinhalten die Genome der einfachsten vielzelligen Organismen Hinweise darauf, wie Krebs sich der Kontrolle des Körpers entziehen und Resistenzen gegen Chemotherapien ausbilden kann. Und ihr Denkansatz deutet darauf hin, dass Zellen einige wenige genetische Wege bevorzugen, wenn sie zunehmend genetisch instabil und bösartig werden. Dies könnte auch bedeuten, dass Krebs in Zukunft mit einer begrenzten Anzahl von personalisierten Medikamenten beherrschbar wäre.

“Unser neues Modell sollte Onkologen neue Hoffnung geben, denn Krebs ist damit ein eingeschränkter und letztendlich vorhersehbarer atavistischer Widersacher”, so Lineweaver. “Krebs entwickelt sich evolutionstechnisch nicht weiter, er bricht bei einem neuen Patienten genau auf die selbe Art aus, wie bei bei früheren.”

Die beiden Autoren denken auch, dass die Krebsforschung auch die Astrobiologie inspirieren kann. “Es ist keine Einbahnstraße”, so Davies. “Krebs kann uns wichtige Hinweise auf den Charakter und die Entstehungsgeschichte des Lebens selbst liefern.”

Quelle: http://asunews.asu.edu/20110207_cancertoolkit

(SOM)

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