Computerprogramm aus den 1970er Jahren löst die Pioneer-Anomalie

Künstlerische Darstellung der Sonde Pioneer 10 vor Jupiter (NASA Ames Resarch Center (NASA-ARC))
Künstlerische Darstellung der Sonde Pioneer 10 vor Jupiter (NASA Ames Resarch Center (NASA-ARC))

Während der letzten Dekade wurde die Pioneer-Anomalie zu einem der großen ungelösten Rätsel der Astrophysik.

Das Problem ist folgendes: Die Raumsonden Pioneer 10 und 11 wurde in den frühen 1970er Jahren gestartet und ließen Jupiter und Saturn hinter sich. Nach ihren jeweiligen Flyby-Manövern brachte man sie auf zwei Fluchtkurse, die sie aus dem Sonnensystem herausführen. Beide wurden durch die Gravitationskraft der Sonne verlangsamt. Aber sorgfältige Messungen zeigen, dass die Raumsonden sich stärker verlangsamen als sie sollten, so als ob sie von einer zusätzlichen unsichtbaren Kraft zur Sonne gezogen würden.

Diese Verlangsamung ist winzig: nur (8,74 ± 1,33)*10-10 m/s2. Die große Frage ist, wodurch sie verursacht wird.

Die ersten Gedanken der Ingenieure waren, dass die von der Sonde abgestrahlte Wärme exakt diese Art der Verlangsamung erzeugen könnte. Als Energie- und Wärmequelle der Sonde dient das an Bord befindliche Plutonium. Aber als sie die Wärmeentwicklung der Sonde untersuchten, und wie die Wärme emittiert worden sein muss, waren sie nicht in der Lage, übereinstimmende Daten zu bekommen. Die thermalen Auswirkungen können nur für 67 Prozent der Verlangsamung verantwortlich sein, sagten sie.

Das führte zu einer Menge anderer Theorien, zum Beispiel, dass die Gravitation auf diese Entfernungen stärker sein könnte. Aber weil wir in der Lage sein sollten, diesen Effekt auch bei anderen entfernten Objekten – wie etwa Pluto – zu sehen, und nichts bemerken, wurde diese Theorie verworfen.

Jetzt sagen Frederico Francisco vom Instituto de Plasmas e Fusao Nuclear in Lissabon (Portugal) und ein paar Kollegen, dass sie herausgefunden haben, wo die thermalen Berechnungen schief gelaufen sind.

Die Forscher haben die Berechnungen erneut durchgeführt, und zwar mit einem Computermodell, das nicht nur berücksichtigt, wie die Wärme abgestrahlt wird, sondern auch wie sie von den verschiedenen Teilen der Sonde reflektiert wird. Die Reflexionen stellen sich als entscheidend heraus.

Vorherige Berechnungen haben die Auswirkungen der Reflexionen nur geschätzt. Deswegen haben Francisco und sein Team ein Computerberechnungsverfahren namens Phong Shading benutzt, um herauszufinden, wie und in welche Richtung genau die abgestrahlte Wärme letztendlich reflektiert wird.

Phong Shading wurde in den 1970er Jahren entwickelt und wird jetzt oft verwendet, um Reflexionen in drei Dimensionen zu berechnen und darzustellen. Es wurde ursprünglich entwickelt, um die Reflexionen von sichtbarem Licht an 3D-Objekten zu bearbeiten, aber Francisco und sein Team sagen, dass es ebenso gut bei infrarotem Licht funktioniert.

Insbesondere hat Phong Shading es dem portugiesischen Team erstmals erlaubt, die Auswirkungen der Wärmeabstrahlung von einem speziellen Teil der Raumsonde – der Hauptausrüstungskammer (main equipment compartment) – mit einzubeziehen. Es stellte sich heraus, dass Wärme von der Rückwand dieser Kammer von der Rückseite der Antenne der Sonde reflektiert wird (siehe Diagramm unten).

Diagramm der Wärmereflexionen (Frederico Francisco / Instituto de Plasmas e Fusao Nuclear)
Diagramm der Wärmereflexionen (Frederico Francisco / Instituto de Plasmas e Fusao Nuclear)

Weil die Antenne sonnenwärts, in Richtung Erde ausgerichtet ist, würden Reflexionen von ihrer Rückseite zu einer Verlangsamung der Sonde führen. “Die Strahlung von dieser Wand wird in einem ersten Schritt von der Antenne reflektiert und fügen der in Richtung Sonne gerichteten Kraft einen Betrag hinzu”, sagen Francisco und sein Team.

Wer hätte das gedacht, diese zusätzliche Kraftkomponente macht den ganzen Unterschied. Wie Francisco und sein Team es ausdrücken: “Aus den hier präsentierten Ergebnissen wird ersichtlich, dass das Rätsel der anomalen Beschleunigung der Pioneer-Sonden endlich gelöst ist, bis neue gegensätzliche Daten auftauchen.” Mit anderen Worten: Die Anomalie verschwindet.

Natürlich werden andere Gruppen diese Ergebnisse bestätigen wollen und ein Team vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, das die Daten von den Sonden erhalten hat, analysiert zur Zeit sein eigenes Computermodell der Wärmeentwicklung.

Es wird interessant sein, zu sehen, ob sie übereinstimmen. Wenn ja: Problem gelöst. Wahrscheinlich!

Quelle: http://www.technologyreview.com/blog/arxiv/26589/

(THK)

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