Kosmische Explosion ist neuer Kandidat für das entfernteste Objekt im Universum

Gammablitz GRB 090429B (Gemini Observatory / AURA / Levan, Tanvir, Cucchiara)
Gammablitz GRB 090429B (Gemini Observatory / AURA / Levan, Tanvir, Cucchiara)

Ein Gammastrahlungsausbruch (auch Gammablitz – Gamma-ray Burst, GRB), den der NASA-Satelliten Swift im April 2009 registrierte, wurde kürzlich als Kandidat für das entfernteste Objekt im Universum enthüllt. Mit einer geschätzten Distanz von 13,14 Milliarden Lichtjahren liegt der GRB weit hinter jedem bekannten Quasar und könnte weiter entfernt sein als jede zuvor bekannte Galaxie oder Gammablitz. Ein internationales Astronomenteam unter der Leitung des ehemaligen Penn State Studenten Antonino Cucchiara (jetzt an der University of California in Berkeley) präsentiert in einer Studie mehrere Belege für die rekordbrechende Entfernung des Gammablitzes mit der Bezeichnung GRB 090429B (für den Tag seiner Entdeckung: 29.04.2009). Die Studie wurde für die Veröffentlichung im Astrophysical Journal akzeptiert. (Ein PDF der Abhandlung ist hier verfügbar.)

Der gigantische Gammastrahlungsausbruch stammte von einem explodierenden Stern, als das Universum weniger als vier Prozent seines heutigen Alters hatte – nur 520 Millionen Jahre alt – und nur zehn Prozent seiner heutigen Größe. “Die Galaxie, in der sich der Vorläuferstern von GRB 090429B befand, war wahrhaftig eine der ersten Galaxien im Universum”, sagte Derek Fox, Dozent für Astronomie und Astrophysik an der Penn State University und Co-Autor der Studie. “Neben dem möglichen kosmischen Entfernungsrekord demonstriert GRB 090429B auch, wie Gammablitze benutzt werden können, um die Positionen massiver Sterne im frühen Universum zu enthüllen und die Prozesse früher Galaxie- und Sternentstehung zu verfolgen, die letztendlich zu dem Galaxienreichen Kosmos führten, den wir heute um uns herum sehen.”

Gammablitze, die hellsten bekannten Explosionen, treten mit einer Rate von ungefähr zwei Stück pro Tag irgendwo innerhalb des beobachtbaren Universums auf. Dank ihrer extremen Helligkeit können Gammablitze von Swift und anderen Satelliten-Observatorien registriert werden, sogar wenn sie Milliarden Lichtjahre entfernt auftreten. Während die Ausbrüche selbst höchstens einige Minuten andauern, bleibt ihr schwindendes “Nachglühen” für leistungsfähige astronomische Einrichtungen über Tage bis Wochen sichtbar. Falls durchführbar, erlauben detaillierte Untersuchungen des Nachglühens in dieser Zeit Astronomen, die Distanz zu dem Ausbruch zu messen.

Diese Messungen des Nachglühens wurden verwendet, um den Entfernungsrekord für einen früheren Gammablitz im Jahre 2009 – GRB 090423 – zu einer Distanz von 13,04 Milliarden Lichtjahre von der Erde zu bestimmen, was ihn vorübergehend zum “entferntesten Objekt im Universum” machte. Dieser Rekord wurde von der Entdeckung von Galaxien überboten, die die kosmische Grenze 2010 und 2011 auf 13,07 Milliarden Lichtjahre erweiterten – und möglicherweise sogar darüber hinaus. “Unsere extreme Kalkulation der Distanz zu GRB 090429B macht ihn zu einer Art von ‘Rache der Gammablitze'”, sagte Cucchiara. “Ein Gammablitz erhebt ein weiteres Mal Anspruch auf den Titel des entferntesten Objektes im Universum – neben den bereits bekannten entferntesten Quasaren und Galaxien.”

Weniger als eine Woche nachdem der rekordbrechende GRB 090423 Schlagzeilen in aller Welt machte, erschien dieser neue Ausbruch, GRB 090429B, mit verdächtig ähnlichen Eigenschaften am Himmel. Wie der vorherige Ausbruch war GRB 090429B ein kurzlebiges Ereignis mit weniger als zehn Sekunden Dauer und die automatischen Swift Beobachtungen zeigten ein relativ schwaches Nachglühen im Röntgenbereich. Cucchiara, damals Student an der Penn State University, stand in den frühen Morgenstunden auf, um Beobachtungen mit dem Gemini North Telescope auf dem Mauna Kea (Hawaii) zu leiten, von denen er hoffte, dass sie den Ursprung dieses Ausbruchs festnageln würden. In Zusammenarbeit mit den Co-Autoren Andrew Levan von der University of Warwick, Nial Tanvir von der University of Leicester und Doktorvater Derek Fox von der Penn State University fand Cucchiara heraus, dass kein optisch sichtbares Licht registriert werden konnte, während das Nachglühen in Infrarotbeobachtungen sichtbar war. Dieses “Ausfall”-Verhalten ist eine unverkennbare Signatur der entferntesten Objekte und wurde für die erste Identifizierung der am weitesten entfernten Quasare, Galaxien und Gammablitze verwendet.

Cucchiara forderte unverzüglich ein Spektrum des Nachglühens von GRB 090429B von den Gemini Betreibern an, das eine definitive Messung der Distanz zu dem Ausbruch geliefert hätte. Unglücklicherweise bedeckten Wolken den Gipfel des Mauna Kea zu dem Zeitpunkt als das Spektrum angefertigt werden sollte und verbargen das Nachglühen vor der Beobachtung. In der nächsten Nacht war das Nachglühen zu schwach, um ein verwertbares Spektrum zu bekommen und während der folgenden Nächte schwächte es sich bis zur Unbeobachtbarkeit weiter ab. “Es war frustrierend, den Blick auf diesen Ausbruch zu verlieren abr die Anhaltspunkte, die wir hatten, waren so aufregend, dass wir den Ausbruch keinesfalls gehen lassen wollten”, sagte Cucchiara, der eine Anfangsstudie über den Ausbruch als Teil seiner Doktorarbeit an der Penn State University präsentierte.

GRB 090429B (NASA / Swift / Stefan Immler)
GRB 090429B (NASA / Swift / Stefan Immler)

Damit GRB 090429B nicht zu dem “Ausbruch, der verschwand” wird, verbrachte das Team zwei Jahre damit, eine sorgfältige Untersuchung ihrer Daten durchzuführen, um zu sehen, ob der Ausbruch tatsächlich ein rekordverdächtiger Kandidat ist oder ob er ein teilweise verdeckter Ausbruch in einer weniger weit entfernten Galaxie sein könnte. Diese Arbeit bezog aber auch neue Daten mit ein – Tiefenbeobachtungen mit Gemini und dem Hubble Space Telescope, die eine Galaxie an der Position des Ausbruchs in jedem der weniger aufregenden Szenarios enthüllt hätten. Dieser Beleg, die fehlende Galaxie eingeschlossen, deutet darauf hin, dass der Ausbruch mit einer 99,3-prozentigen Wahrscheinlichkeit die am weitesten Entfernte Explosion ist – hinter dem von GRB 090423 aufgestellten Rekord. “Wie bei den besten Politikern oder Talentshow-Teilnehmern sah der Ausbruch immer besser aus, je genauer wir ihn untersuchten”, sagt Levan, der Zweitautor der Studie.

Ob GRB 090429B jetzt das am weitesten entfernte Objekt im Universum ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die nicht genau bekannt sind. Erstens muss er über der 13,07-Milliarden-Lichtjahre-Distanz einer Galaxie liegen, über die ein Astronomenteam unter der Leitung von Matthew Lehnert vom Observatoire de Paris im Jahre 2010 berichtet hat. Das ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 98,9 Prozent der Fall, aber es ist nicht sicher. Außerdem muss er die Distanz einer Galaxie übertreffen, die 2011 von einem Team um Rychard Bouwens von der University of California in Santa Cruz untersucht wurde. Das könnte entweder leicht oder schwer sein: Bouwens Team schätzte, dass ihre Galaxie mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit keine Rekordbrecherin ist, sondern einfach eine schwache Galaxie in relativ bescheidener Entfernung. Andererseits, falls Bouwens Galaxie eine Rekordbrecherin ist, dann ist sie in der Tat sehr weit entfernt, zwischen 13,11 und 13,28 Milliarden Lichtjahre und es besteht nur eine 4,8-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass GRB 090429B weiter entfernt ist als sie. Mit den Unsicherheiten ergibt sich alles in allem eine 23-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass GRB 090429B jetzt das am weitesten entfernte Objekt im Universum ist, sagten die Astronomen.

Mit etwas mehr Glück oder leistungsfähigeren Einrichtungen sollte es in Zukunft möglich sein, das helle Nachglühen von Ausbrüchen wie GRB 090423 und GRB 090429B zu nutzen, um die Bedingungen der Entstehung von Sternen und Galaxien in diesen frühen Epochen des Universums detailliert zu erforschen. “Die Entdeckung von extrem weit entfernten Ausbrüchen macht ziemlich Spaß”, sagt Fox, “aber wir vermuten, dass in den Ausbrüchen noch viele weitere Informationen auf uns warten, auf die wir noch zugreifen müssen.”

Quelle: http://www.science.psu.edu/news-and-events/2011-news/Fox5-2011

(THK)

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