Entdeckung am Caltech wirft Licht auf den möglichen Ursprung solarer Phänomene

Ein Argon-Plasmajet bildet eine schnell wachsende korkenzieherförmige Struktur, bekannt als Kink-Instabilität. (A. L. Moser and P. M. Bellan, Caltech)
Ein Argon-Plasmajet bildet eine schnell wachsende korkenzieherförmige Struktur, bekannt als Kink-Instabilität. (A. L. Moser and P. M. Bellan, Caltech)

Im Januar gab es den größten Sonnensturm seit 2005, der einige der schillerndsten Nordlichter in der jüngeren Vergangenheit auslöste.

Die Quelle dieses Sturms – und ähnlicher Stürme – war das Magnetfeld der Sonne, beschrieben durch unsichtbare Feldlinien, die aus dem brennenden Gasball herauskommen und wieder in ihn hineinführen. Manchmal reißen diese Feldlinien – wie ein zu stark gezogenes Gummiband – und vereinigen sich mit benachbarten Linien, wobei sie Energie freisetzen, die dann Plasmaausbrüche hervorbringen kann, die als solare Flares bekannt sind. Große Mengen Plasma können von der Sonnenoberfläche in Richtung Erde schwirren und kreisende Satelliten beschädigen oder sie von ihren Bahnen abbringen.

Dieses Plasma wird als koronaler Masseauswurf bezeichnet und kann sich auch entlang der irdischen Magnetfeldlinien bewegen, was geladene Teilchen in Richtung der irdischen Magnetpole beschleunigen lässt. Das wiederum erzeugt das prachtvolle Lichtspektakel, das wir als Polarlichter kennen.

Obwohl der Prozess der reißenden und verschmelzenden Feldlinien – magnetische Rekonnexion genannt – solch entscheidende Auswirkungen hat, blieb ein detailliertes Bild davon, was exakt vor sich geht, Wissenschaftlern lange verwehrt, sagt Paul Bellan, Professor für angewandte Physik an der Division of Engineering and Applied Science des California Institute of Technology (Caltech).

Indem sie Plasmajets im Labor mit Hochgeschwindigkeitskameras beobachteten, haben Bellan und die Studentin Auna Moser ein überraschendes Phänomen entdeckt, das Anhaltspunkte darüber liefert, wie die magnetische Rekonnexion auftritt. Sie beschreiben ihre Ergebnisse in einer Studie, die am 16. Februar 2012 im Journal Nature veröffentlicht wurde.

“Zu versuchen, die Natur unter Verwendung technischer Methoden zu verstehen, ist in der Tat ein Markenzeichen der Division of Engineering and Applied Science am Caltech”, sagt Ares Rosakis, der Theodore von Kármán Professor für Aeronautik und Professor für Maschinenbau, sowie der Vorsitzende der Abteilung.

In den Experimenten feuerte Moser Jets aus Wasserstoff-, Stickstoff- und Argon-Plasma mit Geschwindigkeiten zwischen zehn und 50 Kilometern pro Sekunde über eine Entfernung von mehr als 20 Zentimetern in einem Vakuum. Plasma ist ein so heißes Gas, dass die Atome darin ihrer Elektronen beraubt sind. Als Schnellstraße für beschleunigte Elektronen agieren die Jets wie elektrisch leitende Drähte. Das Experiment benötigte 200 Millionen Watt Energie, um Jets mit einer Temperatur von 20.000 Kelvin und einer Stromstärke von 100.000 Ampere zu erzeugen. Um die Jets zu untersuchen, benutzte Moser Kameras, die ein Bild in weniger als einer Mikrosekunde, also weniger als eine Millionstel Sekunde, aufnehmen können. Dieses Verhalten wird Kink-Instabilität genannt und wird seit fast 60 Jahren untersucht, sagt Bellan.

Aber als Moser sich dieses Verhalten in ihren experimentellen Plasmajets genau betrachtete, sah sie etwas komplett Unerwartetes.

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Video-Link: https://youtu.be/Fvhg3mbcvAE

Ein Argon-Plasmajet (A. L. Moser and P. M. Bellan, Caltech)

Sie fand heraus, dass die korkenzieherförmige Gestalt, die sich in ihren Jets entwickelte, in den meisten Fällen exponentiell und extrem schnell wuchs. Die Jets in den Experimenten bildeten in nur 20-25 Mikrosekunden 20 Zentimeter lange Gewinde. Sie bemerkte auch winzige Kräuselungen, die an der inneren Kante der gewundenen Struktur erschienen, kurz bevor der Jet abriss – dem Moment der magnetischen Rekonnexion.

Moser und Bellan sagen, dass sie anfangs nicht wussten, was sie sahen – sie wussten nur, dass es seltsam war. “Ich dachte, es wäre ein Messfehler”, sagt Bellan. “Aber er war ein wenig zu reproduzierbar. Wir sahen es tagein, tagaus. Zuerst dachte ich, wir würden es nie herausfinden.”

Aber nach Monaten weiterer Experimente bestimmten sie, dass die Kink-Instabilität tatsächlich ein komplett anderes Phänomen auslöst, eine sogenannte Rayleigh-Taylor-Instabilität. Eine Rayleigh-Taylor-Instabilität tritt auf, wenn sich ein schweres Fluid auf einem leichten Fluid befindet und versucht, Plätze mit dem leichten Fluid zu tauschen. In der Grenzschicht zwischen den beiden Fluiden entstehen und wachsen Kräuselungen, die den Fluiden erlauben, ihre Plätze zu vertauschen.

Was Moser und Bellan erkannten ist, dass die Kink-Instabilität Bedingungen schafft, welche eine Rayleigh-Taylor-Instabilität erzeugen. Wenn das gewundene Plasma aufgrund der Kink-Instabilität expandiert, beschleunigt es nach außen. Wie ein Beifahrer, der zurück in den Sitz eines beschleunigenden Autos gedrückt wird, wird das beschleunigte Plasma in das Vakuum hinter ihm gedrückt. Das Plasma versucht, die Plätze mit dem nachlaufenden Vakuum zu tauschen, indem es Kräuselungen ausbildet und dann expandiert – so wie die Gravitation ein schweres Fluid dazu zwingt, die Plätze mit einem leichten Fluid darunter tauschen zu wollen. Die Rayleigh-Taylor-Instabilität – enthüllt durch die Kräuselungen auf der nachlaufenden Seite des beschleunigten Plasmas – wächst in einer Mikrosekunde.

“Noch nie zuvor haben Menschen so etwas beobachtet”, sagt Bellan.

Obwohl die Rayleigh-Taylor-Instabilität seit mehr als 100 Jahren untersucht werde, habe niemand die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie durch eine Kink-Instabilität ausgelöst werden könnte, sagt Bellan. Die zwei Instabilitäts-Typen sind so unterschiedlich, dass es ein Schock war, sie so eng miteinander verbunden zu sehen. “Niemand dachte jemals, dass es eine Verbindung gibt”, sagt er.

Erwähnenswert ist, dass die zwei Instabilitäten in sehr verschiedenen Maßstäben auftreten, sagen die Forscher. Während die von der Kink-Instabilität erzeugte gewundene Struktur 20 Zentimeter misst, ist die Rayleigh-Taylor-Instabilität viel kleiner und erschafft Kräuselungen von nur zwei Zentimetern Länge. Trotzdem erodieren diese kleineren Kräuselungen den Jet schnell und zwingen die Elektronen, schneller und schneller durch einen enger werdenden Kanal zu fließen. “Man würgt ihn sozusagen ab”, erklärt Bellan. Bald reißt der Jet ab und verursacht eine magnetische Rekonnexion.

An magnetischen Rekonnexionen auf der Sonne sind oft Phänomene beteiligt, deren Größen von wenigen Metern bis zu einer Million Metern reichen. In den größeren Maßstäben ist die Physik relativ einfach und direkt. Aber in den kleineren Maßstäben wird die Physik feiner und komplexer – und auf dieser Ebene findet die magnetische Rekonnexion statt. Die magnetische Rekonnexion ist auch ein Hauptproblem bei der Entwicklung der thermonuklearen Fusion im Labor mit Hilfe von Plasma als zukünftige Energiequelle. Einer der wichtigsten Fortschritte dieser Studie sei es in der Lage zu sein, Phänomene in großen Maßstäben (wie die Kink-Instabilität) zu denen in kleinen Maßstäben (wie die Rayleigh-Taylor-Instabilität) in Verbindung zu setzen, sagen die Wissenschaftler.

Die Forscher betonen, dass dieser Mechanismus eine plausible Erklärung für einige Szenarios in der Natur und im Labor ist, obwohl Kink- und Rayleigh-Taylor-Instabilitäten die magnetische Rekonnexion nicht in allen Fällen steuern.

Der Titel von Mosers und Bellans Abhandlung in der Nature ist ” Magnetic reconnection from a multiscale instability cascade”. Die Forschungsarbeit wurde vom US-Energie-ministerium, der National Science Foundation und dem Air Force Office of Scientific Research unterstützt.

Quelle: http://media.caltech.edu/press_releases/13496

(THK)

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