
Ein Neutronenstern ist das einem Schwarzen Loch am nächsten stehende Objekt, das Astronomen direkt beobachten können und vereinigt eine halbe Million Erdmassen in einer Kugel, die nicht größer als eine Stadt ist. Im Oktober 2010 brach ein Neutronenstern in der Nähe des Zentrums unserer Galaxie mit hunderten von Röntgeneruptionen aus, die von einem Trommelfeuer thermonuklearer Explosionen auf der Oberfläche des Sterns erzeugt wurden. Der Rossi X-ray Timing Explorer (RXTE) der NASA beobachtete die einmonatige Salve mit extremer Genauigkeit. Unter Verwendung dieser Daten war ein internationales Astronomen-Team in der Lage, eine lange bestehende Lücke zwischen Theorie und Beobachtung zu überbrücken.
„Im Laufe eines einzigen Monats haben wir bei diesem einzigartigen System ein Verhalten festgestellt, das in 30 Jahren andauernden Beobachtungen von fast 100 ausbrechenden Neutronensternen nicht gesehen wurde“, sagte Manuel Linares, ein Postdoktorand am Kavli Institute for Astrophysics and Space Research des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Er leitete eine Studie über die RXTE-Daten, die in der Ausgabe vom 20. März des Astrophysical Journal veröffentlicht werden wird.
Am 10. Oktober 2010 registrierte der ESA-Satellit INTEGRAL eine vorübergehende Röntgenquelle in Richtung von Terzan 5, einem rund 25.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen im Sternbild Sagittarius (Schütze). Das Objekt mit der Bezeichnung IGR J17480-2446 ist als geringmassiges Röntgen-Doppelsternsystem klassifiziert, in dem der Neutronenstern einen sonnenähnlichen Stern umkreist und einen Materiestrom von ihm abzieht. Weil es erst die zweite helle Röntgenquelle in dem Kugelsternhaufen ist, kürzten Linares und seine Kollegen deren Spitznamen auf T5X2 ab.
Drei Tage nach ihrer Entdeckung nahm RXTE die Quelle T5X2 ins Visier und registrierte regelmäßige Pulse in ihrer Emission, was darauf hindeutete, dass das Objekt ein Pulsar ist – ein Neutronensterntyp, der in periodischen Intervallen elektromagnetische Energie emittiert. Die starken Magnetfelder des Objekts lenken einfallendes Gas auf die Magnetpole des Sterns, wodurch Hotspots entstehen, die mit dem Neutronenstern rotieren und Röntgenimpulse erzeugen. Am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) zeigten die RXTE-Wissenschaftler Tod Strohmayer und Craig Markwardt, dass T5X2 mit einer – für Neutronensterne – behäbigen Rate von elf Umdrehungen pro Sekunde rotiert. Und weil die Orbitalbewegung des Pulsars kleine aber regelmäßige Veränderungen in der Frequenz der Impulse aufweist, zeigten sie, dass sich der Pulsar und sein sonnenähnlicher Begleiter alle 21 Stunden umkreisen.

Am selben Tag beobachtete RXTE seinen ersten Ausbruch in diesem System: einen starken Ausschlag im Röntgenbereich, der fast drei Minuten andauerte und von einer thermonuklearen Explosion auf der Oberfläche des Sterns verursacht wurde. Letztendlich katalogisierte RXTE zwischen dem 13. Oktober und dem 19. November 400 Ereignisse wie dieses, wobei weitere Ausbrüche von INTEGRAL und den NASA-Observatorien Swift und Chandra registriert wurden. Am 5. Januar 2012 nahm die NASA RXTE außer Betrieb.
In dem System T5X2 strömt Materie von dem sonnenähnlichen Stern zu dem Neutronenstern, ein Prozess, der als Akkretion bezeichnet wird. Weil ein Neutronenstern mehr Masse als die der Sonne in einer 16-24 Kilometer großen Kugel vereinigt (etwa die Größe von Manhattan oder dem District of Columbia), ist seine Gravitation an der Oberfläche extrem hoch. Das Gas trifft mit einer unglaublichen Kraft auf die Oberfläche des Pulsars und bedeckt den Neutronenstern letzten Endes mit einer Schicht aus Wasserstoff- und Helium-Brennstoff. Wenn die Schicht eine bestimmte Dicke erreicht, macht der Brennstoff eine unkontrollierte thermonukleare Reaktion durch und explodiert, wobei starke Röntgenspitzen erzeugt werden, die von RXTE und anderen Satelliten registriert werden. Je stärker die Explosion, desto intensiver ihre Röntgenemission.
Modelle, die entwickelt wurden, um diese Prozesse zu erklären, machten eine Vorhersage, die noch nie durch Beobachtungen bestätigt wurde. Sie sagten voraus, dass der Brennstoff-Fluss auf den Neutronenstern bei den höchsten Akkretionsraten fortdauernde und stabile thermonukleare Reaktionen ermöglichen kann, ohne sich aufzuschaukeln und regelmäßige Explosionen auszulösen.
Bei den niedrigsten Akkretionsraten zeigt T5X2 das bekannte Röntgenmuster vom Brennstoff-Ansammeln und Explodieren: eine starke Emissionsspitze, gefolgt von einer langen Pause, wenn sich die Brennstoffschicht neu bildet. Bei höheren Akkretionsraten mit einem höheren Gasvolumen, das auf den Stern stürzt, verändert sich das Muster: die Emissionsspitzen sind kleiner und treten häufiger auf.

Aber bei den höchsten Akkretionsraten verschwanden die starken Emissionsspitzen und das Muster verwandelte sich in ruhige Emissionswellen. Linares und seine Kollegen interpretieren das als ein Zeichen grenzwertig stabiler Kernfusion, in der die Reaktionen gleichmäßig in der gesamten Brennstoffschicht stattfinden, genau wie in der Theorie vorhergesagt.
„Wir sehen T5X2 als ‚Modell-Burster‘ (engl: to burst = ausbrechen, explodieren; Anm. d. Red.) – derjenige, der all das tut, was von ihm erwartet wird“, sagte Diego Altamirano, ein Astrophysiker von der University of Amsterdam in den Niederlanden und ein Co-Autor der Studie, welche die Ergebnisse beschreibt.
Die Frage, vor der das Team jetzt steht, ist: warum unterscheidet sich dieses System so sehr von allen anderen untersuchten Systemen in den vergangenen Jahrzehnten? Linares vermutet, dass die langsame Rotation von T5X2 den Schlüssel bergen könnte. Eine schnellere Rotation würde Reibung zwischen der Oberfläche des Neutronensterns und seiner Brennstoffschichten erzeugen und diese Reibungshitze könnte bei allen zuvor studierten eruptiven Neutronensternen ausreichen, um die Kernfusionsrate zu verändern.
Quelle: http://www.nasa.gov/topics/universe/features/rxte-thermo.html
(THK)
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