Jeder weiß, dass wir Menschen die Luft, die wir atmen, buchstäblich dem Grün um uns herum verdanken. Als Schulkinder lernten wir, dass Pflanzen (genau wie Algen und Cyanobakterien) den überaus wichtigen „magischen Trick“ namens Photosynthese durchführen, der dabei hilft, jenen atmosphärischen Sauerstoff zu produzieren, den wir mit jedem Atemzug aufnehmen.
Pflanzen, Algen und Cyanobakterien verändern unseren Planeten in einer Weise, wie nur Leben es kann: sie verwenden Photosynthese, um die Zusammensetzung der Erdatmosphäre komplett zu verändern. Seit den Tagen, als Staubteufel auf dem Mars für die saisonale Spielart von Vegetation gehalten wurden, wird die Photosynthese als Schlüssel angesehen, um die Präsenz von Leben auf anderen Planeten nachzuweisen. Sowohl der atmosphärische Sauerstoff (bei Anwesenheit von flüssigem Wasser) als auch das Reflexionsspektrum von Pflanzenblättern erzeugen Lebenszeichen – Biosignaturen genannt – die vom Weltraum aus registriert werden können. Deshalb schreibt man photosynthetischen Biosignaturen eine Priorität bei der Suche nach Leben auf Planeten in entfernten Sonnensystemen zu. Die große Frage ist: würde extrasolare Photosynthese die gleichen Pigmente wie auf der Erde benutzen?
Der Prozess der Photosynthese ist offensichtlich mehr als bloße Magie. Im Prinzip nehmen Photosynthese betreibende Organismen CO2, Wasser (H2O) und Lichtenergie auf, um Zucker zu produzieren (was Pflanzen zu einem Grundnahrungsmittel in unserer Ernährung macht). Im Verlauf dieses Prozesses verwenden Photosynthese betreibende Organismen ein Photopigment namens Chlorophyll a (Chl a), um Wassermoleküle zu spalten und Sauerstoff zu produzieren.
Bis vor nicht allzu langer Zeit dachten die Wissenschaftler, dass Chl a das einzige Photopigment ist, das bei oxygener Photosynthese verwendet wird. Chl a nutzt Photonen im sichtbaren Licht bei Wellenlängen zwischen 400 und 700 Nanometern.
Steven Mielke, NASA-Postdoktorand und leitender Autor einer neuen Studie, sagte: „Man ging davon aus, dass längere Wellenlängen (die eine geringere Energie besitzen) aufgrund der hohen Energieanforderungen zum Aufspalten von Wassermolekülen nicht für die oxygene Photosynthese benutzt werden können.“
Diese Vermutung änderte sich 1996, als Hideaki Miyashita und Kollegen ein Cyanobakterium namens Acaryochloris marina entdeckten, das Chlorophyll d (Chl d) statt Chl a verwendet, um oxygene Photosynthese mit Photonen des sichtbaren Lichts bis zu Wellenlängen von 740 Nanometern im Nahinfrarotbereich (near-infrared, NIR) durchzuführen.
Die Entdeckung warf viele Fragen über die für die Photosynthese erforderlichen Lichtwellenlängen auf. Wissenschaftler fragten sich, wie schwer es für A. marina sein muss, biochemische Reaktionen mit energiearmen Photonen anzutreiben. Sie überlebt in Umgebungen, in denen es wenig sichtbares Licht gibt, weil sie die Photonen bekommt, die von Chl-a-Organismen übrig gelassen wurden. Könnte A. marina mit der Verwendung längerwelliger Photonen vielleicht regelmäßig erfolglos sein? Könnte ihre Fähigkeit, nahinfrarote Photonen am Rande dessen zu nutzen, was die Mechanismen der oxygenen Photosynthese verarbeiten können, ineffizient sein? Oder könnten diese einzigartigen Organismen durch energiearme Photonen tatsächlich gedeihen?
Eine neue Forschungsarbeit hat gezeigt, dass A. marina sich nicht anstrengen muss, wenn sie von energiearmen Photonen lebt. Tatsächlich ist das Cyanobakterium bei der Speicherung von Energie genauso effizient oder noch effizienter als Organismen, die sich für die Photosynthese auf Chl a stützen.
Mielke und seine Mitarbeiter nutzten eine Technik namens „Pulsed Time-resolved Photoacoustics“ (PTRPA), um die photosynthetischen Fähigkeiten von A. marina mit einem Chl-a-Cyanobakterium (Synechococcus leopoliensis) zu vergleichen. PTRPA arbeitet mit Laserimpulsen bei kontrollierten Wellenlängen und erlaubte dem Team, die Effizienz der Speicherung von Photonen-Energie in cyanobakteriellen Zellen zu messen (gespeicherte Energie gegen erhaltene Energie).
Bei der Messung von Chl d und Chl a bei den Wellenlängen, die sie jeweils zur Aufspaltung von Wassermolekülen benötigen, zeigte das Team, das die Speicherung der Gesamtenergie in der Zelle von A. marina genauso effizient – und manchmal effizienter – als in den S-leopoliensis-Zellen mit Chl a war. Das Team zeigte erstmals, dass oxygene Photosynthese gut mit längeren Wellenlängen funktionieren kann.
Diese Entdeckung macht A. marina und Chl d sehr interessant für Wissenschaftler, welche versuchen Leben auf extrasolaren Planeten zu finden, die Sterne außerhalb unseres Sonnensystems umkreisen.
Nancy Kiang vom Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA erklärt: „Chl d erweitert die nützliche Sonnenstrahlung für oxygene Photosynthese um 18 Prozent – was bedeutet, dass Leben mehr Lichtwellenlängen (oder mehr Typen Licht erzeugender Sterne) ausnutzen kann, um fortzubestehen. Das hat viele interessante Dinge zur Folge.“
Kiang unterstreicht die Auswirkungen, welche die Ergebnisse auf die Suche nach Leben auf extrasolaren Planeten und die Zukunft des Lebens hier auf der Erde haben könnten. Beispielsweise sagt Kiang, dass A. marina eine Spätentwicklung zu sein scheint, die eine Nische besetzt, welche von übrig gebliebenen Photonen der Chl-a-Organismen hervorgerufen wird. Könnte sich unser Planet dahingehend entwickeln, dass Chl a von Chl d auskonkurriert wird, weil Chl d mehr Sonnenstrahlung verarbeiten kann als Chl a?
Auch „mögen Planeten, die rote Zwergsterne umkreisen, nicht viel sichtbares Licht erhalten, aber sie werden eine Menge nahinfrarote Strahlung bekommen“, sagt sie. „Jetzt wissen wir, dass es immer noch Sinn ergeben würde, auf solchen Planeten nach oxygener Photosynthese zu suchen und wir könnten im Nahinfrarotbereich nach Pigment-Signaturen Ausschau halten.“
Zum Abschluss sagt Kiang, dass die Entdeckung Auswirkungen auf die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen haben könnte.
„Die bionische Nachahmung der Photosynthese bleibt eine Aufgabe bei der Entwicklung erneuerbarer Energie, aber bislang hat niemand ein künstliches System zur Aufspaltung von Wasser entwickelt, das so gut wie die Natur ist“, betont sie. „Bedeuten die mit Chl d benutzten energiearmen Photonen für erneuerbare Energien, die vom Sonnenlicht abhängen, dass wir keine solch starken künstlichen Katalysatoren benötigen, um Wasserstoff und Biokraftstoffe herzustellen?“
Die Ergebnisse könnten unser Verständnis über eine biologische Reaktion komplett verändern, die für die moderne Biosphäre der Erde so unverzichtbar ist. Sie könnten auf Gebieten wie der erneuerbaren Energie auch neue Türen für die Zukunft der Menschheit öffnen. Aber für die NASA könnte die Studie auch Folgen für die Zukunft des Lebens auf der Erde – und darüber hinaus – haben, die im wahrsten Sinne des Wortes weit entfernt sind.
Diese Forschungsarbeit wurde von Steven P. Mielke, Postdoctoral Program Stipendiat der NASA, unter Aufsicht von Nancy Y. Kiang vom GISS im Laboratorium von David Mauzerall der Rockefeller University in New York City in Zusammenarbeit mit Robert Blankenship von der Washington University in St. Louis und Marilyn Gunner vom City College of New York durchgeführt.
Quelle: http://www.astrobio.net/exclusive/4622/far-out-photosynthesis
(THK)
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