Bernsteinfund zeigt älteste bekannte Tarnung bei Insekten

Rekonstruktion der Insektenlarve Hallucinochrysa diogenesi. (Jose Antonio Penas / Universitat de Barcelona)
Rekonstruktion der Insektenlarve Hallucinochrysa diogenesi. (Jose Antonio Penas / Universitat de Barcelona)

Eine von pflanzlichen Überresten bedeckte Insektenlarve, die vor etwa 110 Millionen Jahren in der frühen Kreidezeit lebte, bescheinigt die älteste bekannte Tarnung bei Insekten. Eine Abhandlung über das Thema wurde in der neuesten Ausgabe des Journals Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Die Abhandlung basiert auf der Untersuchung eines Bernsteinstücks, das 2008 in El Soplao (Cantabrien, Nordspanien), der reichhaltigsten und größten Bernstein-Fundstätte Europas, gefunden wurde.

Die an der Studie beteiligten Forscher sind: Ricardo Pérez-de la Fuente und Xavier Delclòs vom Department of Stratigraphy, Paleontology and Marine Geosciences an der University of Barcelona (Spanien), Enrique Peñalver vom Geominer Museum des Spanish Geological and Miner Institute, Mariela Speranza, Carmen Ascaso und Jacek Wierzchos vom National Museum of Natural Sciences des Spanish National Research Council, sowie Michael S. Engel von der Division of Entomology der University of Kansas (USA).

Den Körper mit Müll bedecken, um sich zu tarnen

Das etwa vier Millimeter lange Fossil ist eine räuberische Larve der Ordnung Neuroptera. Sie ist von einem Gewirr aus filamentähnlichen Pflanzenüberresten bedeckt, die es mit seinen Kiefern gesammelt hatte, um einen Verteidigungsschild und eine Tarnung aufzubauen. Diese Verhaltensweise, das Sammeln von Müll, ist eine Überlebensstrategie, die [auch] bei heutigen Arten beobachtet wird. Sie machen sich so fast unsichtbar für Räuber und Beute. Das Fossil ist mit heutigen Grünen Florfliegen verwandt und repräsentiert eine neue Gattung und Art mit der Bezeichnung Hallucinochrysa diogenesi, eine Anspielung auf ihr atemberaubendes Erscheinungsbild und ihre Ähnlichkeit zu dem Diogenes-Syndrom, einer menschlichen Verhaltensstörung, die durch das massive Horten von Müll gekennzeichnet ist.

Der Studie zufolge wurden die filamentähnlichen Pflanzenüberreste, aus denen das Müllpaket der Larve besteht, als Trichome identifiziert, das sind Pflanzenhaare mit unterschiedlichen Formen und Funktionen. Durch Beobachtung der Morphologie, der Mikrostruktur und der Zusammensetzung dieser Trichome waren die Forscher in der Lage festzustellen, dass sie zu Farnen gehörten.

Die filamentähnlichen Pflanzenüberreste wurden als Trichome identifiziert. (Universitat de Barcelona)
Die filamentähnlichen Pflanzenüberreste wurden als Trichome identifiziert. (Universitat de Barcelona)

Heutige Larven der Grünen Florfliege sammeln Pflanzenmaterial oder sogar Abfall und Überreste von Arthropoden und tragen sie auf ihren Rückseiten, zusammen mit kleinen haarigen Knötchen. Im Gegensatz dazu besaß Hallucinochrysa diogenesi eine bizarre, einzigartige Morphologie: sie zeigt extrem längliche Tuberkel (Knoten) mit Haaren, deren trompetenförmige Enden als Haltepunkte dienten. All diese Strukturen, bis dato völlig unbekannt, bildeten einen Korb auf der Rückseite, der den Müll enthielt und ihn vor dem Verrutschen bewahrte, wenn sich das Insekt bewegte.

Die älteste Insektentarnung

Nach Meinung der Autoren „beweist Hallucinochrysa diogenesi, dass die Tarnstrategie und deren notwendige morphologische Anpassungen bei Insekten früh auftraten: Sie existierten schon im Zeitalter der Dinosaurier. Im Fall der Grünen Florfliegen kann festgehalten werden, dass sich dieses komplexe Verhalten seit mindestens 110 Millionen Jahren nicht verändert hat. Diese Tatsache trägt einen wichtigen Teil der Informationen für Entwicklungsstudien über das Verhalten von Tieren und Anpassungsstrategien von Organismen im Laufe der Erdgeschichte bei.“

Die Studie zeigt durch herausragende Daten auch eine urzeitliche, enge Interaktion zwischen Pflanze und Insekt – möglicherweise ein Beispiel für Mutualismus: Die räuberische Larve bewahrte Farne vor Plagen, wohingegen die Farne den Larven einen Lebensraum und schützende Überreste zur Verfügung stellten. Mit anderen Worten: Beide Organismen profitierten voneinander. In einer Landschaft aus der Kreidezeit, wo harzreiche Wälder auf der alten Iberischen Halbinsel von Feuern vernichtet wurden, sammelte diese Larve Überreste eines Farns, der nach Feuern reichhaltig wuchs.

El Soplao, der Fundort der Entdeckung, ist eine der wichtigsten Referenzen, um die evolutionären Geheimnisse von wirbellosen Tieren zu entschlüsseln und mehr über die Ökosysteme der Wälder vor 110 Millionen Jahren zu erfahren. Die Studie ist Teil des von der AMBARES (Ámbares de España) Gruppe entwickelten Forschungsprogramms und wurde dank der Zusammenarbeit mit der El Soaplo Höhle, SIEC und der Regierung von Cantabrien ermöglicht. Sie wurde mit regionalen, spanischen und nordamerikanischen Fördergeldern finanziert.

Quelle: http://www.ub.edu/web/ub/en/menu_eines/noticies/2012/12/024.html

(THK)

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