Röntgenbeobachtungen geben neue Einblicke in die innere Struktur von Neutronensternen

Detailaufnahme des Kugelsternhaufens 47 Tucanae. Das Doppelsternsystem X7 ist mit einem Pfeil gekennzeichnet. (NASA / CXC / Michigan State / A.Steiner et al.)
Detailaufnahme des Kugelsternhaufens 47 Tucanae. Das Doppelsternsystem X7 ist mit einem Pfeil gekennzeichnet. (NASA / CXC / Michigan State / A.Steiner et al.)

Neutronensterne sind die nach dem Kollaps eines massereichen Sterns zurückgelassenen, ultradichten Kerne und enthalten die dichteste bekannte Materie im Universum außerhalb eines Schwarzen Lochs. Neue Ergebnisse von Chandra und anderen Röntgenteleskopen haben eine der bislang zuverlässigsten Bestimmungen des Verhältnisses zwischen dem Radius eines Neutronensterns und seiner Masse erbracht. Diese Ergebnisse grenzen ein, wie Kernmaterie – Protonen und Neutronen und deren Quarks – unter den extremen Bedingungen im Innern von Neutronensternen wechselwirken.

Drei Teleskope (Chandra, XMM-Newton von der ESA und der Rossi X-ray Timing Explorer RXTE der NASA) wurden verwendet, um acht Neutronensterne zu beobachten, darunter einer in 47 Tucanae, einem Kugelsternhaufen, der rund 15.000 Lichtjahre entfernt in den Außenbereichen der Milchstraße liegt. Das hier gezeigte Bild wurde aus einer langen Chandra-Beobachtung von 47 Tucanae erstellt. Röntgenstrahlung mit geringer Energie ist rot, Röntgenstrahlen mit mittleren Energien sind grün und die Röntgenstrahlen mit der höchsten Energie sind in blau dargestellt.

Das Doppelsternsystem oder Binärsystem mit der Bezeichnung X7 auf dem Bild enthält einen Neutronenstern, der langsam Gas von einem Begleitstern abzieht, dessen Masse viel kleiner als die der Sonne ist. Im Jahr 2006 nutzten Forscher Beobachtungen der von X7 in verschiedenen Wellenlängen emittierten Röntgenstrahlungsmengen und theoretische Modelle, um eine Beziehung zwischen der Masse und dem Radius des Neutronensterns abzuleiten. Eine vergleichbare Prozedur wurde mit Chandra-Beobachtungen eines Neutronensterns in einem anderen Kugelsternhaufen (NGC 6397) und für zwei weitere Neutronensterne in Sternhaufen durchgeführt, die von XMM-Newton beobachtet wurden.

Vier weitere Neutronensterne wurden mit RXTE beobachtet, weil sie Röntgenausbrüche zeigen, die eine Ausdehnung der Atmosphäre des Neutronensterns verursachen. Indem man die Abkühlung des Sterns verfolgt, kann die Größe seiner Oberfläche berechnet werden. Durch Einbeziehung von unabhängigen Schätzungen über die Entfernung des Neutronensterns waren Wissenschaftler anschließend in der Lage, mehr Informationen über die Zusammenhänge zwischen den Massen und den Radien dieser Neutronensterne zu sammeln. Weil die Masse und der Radius eines Neutronensterns direkt mit den Wechselwirkungen zwischen den Teilchen im Inneren des Sterns zusammenhängen, geben die neuesten Ergebnisse den Forschern neue Informationen über die inneren Abläufe von Neutronensternen.

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Video-Link: https://youtu.be/LhIZCpYSjIQ

Überblick über den Kugelsternhaufen 47 Tucanae. (NASA / CXC / A. Hobart)

Die Forscher nutzen eine breite Vielfalt unterschiedlicher Modelle über die Struktur dieser kollabierten Objekte und bestimmten, dass der Radius eines Neutronensterns mit 1,4-facher Sonnenmasse zwischen 10,4 und 12,9 Kilometern liegt. Sie schätzten auch, dass die Dichte im Zentrum eines Neutronensterns etwa dem Achtfachen der Dichte von Kernmaterie unter erdähnlichen Bedingungen entspricht. Das führt zu einem Druck, der mehr als zehn Billionen Billionen Mal höher ist als der Druck im Erdinneren, der zur Erzeugung von Diamanten benötigt wird. Die Ergebnisse finden Anwendung, je nachdem ob sämtliche ausbrechende Quellen oder die extremsten der anderen Quellen aus der Stichprobe entfernt werden. Vorherige Studien haben Stichproben mit einer geringeren Neutronenstern-Anzahl benutzt oder bei der Verwendung der Modelle nicht so viele Unsicherheiten berücksichtigt.

Die neuen Werte für die Struktur des Neutronensterns sollten auch gelten, falls Materie im Kern des Sterns existiert, die aus freien Quarks besteht. Quarks sind Elementarteilchen, die sich verbinden, um Protonen und Neutronen zu bilden und kommen normalerweise nicht isoliert vor. Es gibt die Vermutung, dass freie Quarks in den Zentren von Neutronensternen existieren könnten, aber dafür wurde bislang kein überzeugender Beweis erbracht.

Die Wissenschaftler machten zudem eine Schätzung der Distanzen zwischen Neutronen und Protonen in Atomkernen hier auf der Erde. Ein größerer Neutronensternradius bedeutet natürlich, dass Neutronen und Protonen in schweren Kernen durchschnittlich weiter voneinander entfernt sind. Ihre Schätzung wird derzeit mit Werten aus terrestrischen Experimenten verglichen.

Die Beobachtungen der Neutronensterne lieferten außerdem neue Informationen über die sogenannte “Symmetrie-Energie” für Kernmaterie, was den Energieaufwand bezeichnet, um ein System mit unterschiedlichen Anzahlen von Protonen und Neutronen zu erzeugen. Die Symmetrie-Energie ist wichtig bei Neutronensternen, weil selbige fast zehnmal mehr Neutronen als Protonen enthalten. Es ist auch bedeutsam für schwere Atome auf der Erde, beispielsweise Uran, weil sie oft mehr Neutronen als Protonen besitzen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Symmetrie-Energie nicht wesentlich mit der Dichte verändert.

Diese Ergebnisse wurden in der Ausgabe des The Astrophysical Journal vom 1. März 2013 veröffentlicht. Die Autoren sind Andrew Steiner vom Institute for Nuclear Theory der University of Washington, James Lattimer von der Stony Brook University in New York und Edward Brown von der Michigan State University.

Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory kontrolliert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge (Massachusetts) aus.

Quelle: http://chandra.harvard.edu/photo/2013/47tuc/

(THK)

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