Fermi macht erste Gamma-Beobachtung einer Gravitationslinse

Hubble-Aufnahme der Gravitationslinse B0218+357. Sie zeigt zwei helle Quellen, die nur etwa eine Drittel Winkelsekunde voneinander getrennt sind. Jede Quelle ist ein Bild des Blazars im Hintergrund. Die Spiralarme gehören zu der beugenden Galaxie und sind ebenfalls sichtbar. (NASA / ESA and the Hubble Legacy Archive)
Hubble-Aufnahme der Gravitationslinse B0218+357. Sie zeigt zwei helle Quellen, die nur etwa eine Drittel Winkelsekunde voneinander getrennt sind. Jede Quelle ist ein Bild des Blazars im Hintergrund. Die Spiralarme gehören zu der beugenden Galaxie und sind ebenfalls sichtbar. (NASA / ESA and the Hubble Legacy Archive)

Ein internationales Astronomenteam hat mit dem Weltraumobservatorium Fermi die ersten Gamma-Beobachtungen einer Gravitationslinse gemacht. Gravitationslinsen sind eine Art natürliches Teleskop und sie entstehen, wenn eine seltene kosmische Ausrichtung der Gravitation eines massereichen Objekts erlaubt, das Licht einer weiter entfernten Quelle zu beugen und zu verstärken. Diese Leistung eröffnet neue Forschungswege, darunter eine neue Möglichkeit, um Emissionsregionen in der Nähe von supermassiven Schwarzen Löchern zu untersuchen. Es könnte sogar möglich sein, mit den Daten des Fermi Gamma-ray Space Telescope andere Gravitationslinsen zu finden.

“Ein paar Jahre nach dem Start Fermis begannen wir über die Möglichkeit für diese Beobachtung nachzudenken und gegen Ende 2012 kamen alle Voraussetzungen schließlich zusammen”, sagte Teddy Cheung, der leitende Wissenschaftler der Studie und Astrophysiker am Naval Research Laboratory in Washington. Im September 2012 registrierte Fermis Large Area Telescope (LAT) eine Reihe heller Gammastrahlenausbrüche von einer Quelle mit der Bezeichnung B0218+357, etwa 4,35 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbildes Triangulum (Dreieck). Diese energiereichen Ausbrüche in einem bekannten Gravitationslinsensystem lieferten den Schlüssel für die Messungen der Gravitationslinse.

Astronomen klassifizieren B0218+357 als einen Blazar – einen Typ aktiver Galaxien, die für ihre intensiven Emissionen und ihr unvorhersehbares Verhalten bekannt sind. Im Zentrum des Blazars befindet sich ein supermassives Schwarzes Loch mit einer Masse, die der millionen- oder milliardenfachen Sonnenmasse entspricht. Während Materie auf das Schwarze Loch zuspiralt, wird ein Teil von ihr in Partikeljets nach außen geschleudert, die sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Die extreme Helligkeit und Veränderlichkeit von Blazaren resultieren aus einer zufälligen Ausrichtung, die einen Jet fast genau auf eine Linie mit der Erde bringt. Die Astronomen blicken gewissermaßen in den Lauf des Jets, was seine scheinbare Emission beträchtlich vergrößert.

Lange bevor das Licht von B0218+357 uns erreicht, durchquert es eine Spiralgalaxie ähnlich unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie, die etwa vier Milliarden Lichtjahre entfernt ist und aus unserer Perspektive in der Draufsicht erscheint. Die Gravitation der Galaxie lenkt das Licht auf verschiedene Bahnen, so dass Astronomen Doppelbilder des Blazars im Hintergrund sehen. Zwischen den einzelnen Bildern liegt nur ein Drittel einer Winkelsekunde (weniger als 0,0001 Grad), damit hält B0218+357 den Rekord für den kleinsten Unterschied aller bekannten Systeme, die durch eine Gravitationslinse verzerrt werden. Während Radioteleskope und optische Teleskope die einzelnen Blazarbilder auflösen und beobachten können, ist das dem Large Area Telescope an Bord von Fermi nicht möglich. Stattdessen nutzte das Fermi-Team einen “verzögerten Playback-Effekt” aus.

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Video-Link: https://youtu.be/ATMygVc4t_4

Diese Animation veranschaulicht die Komponenten des Gravitationslinsensystems B0218+357. (NASA / Goddard Space Flight Center)

“Eine Bahn der Lichtstrahlen ist etwas länger als die andere. Wenn wir also Ausbrüche auf einem Bild sehen, können wir versuchen, sie ein paar Tage später einzufangen, wenn sie sich in dem anderen Bild wiederholen”, sagte das Teammitglied Jeff Scargle, ein Astrophysiker vom Ames Research Center der NASA in Moffett Field (Kalifornien). Im September 2012, als die Ausbruchsaktivität des Blazars ihn zur hellsten Gammaquelle außerhalb unserer eigenen Galaxie machte, erkannte Cheung, dass es eine einmalige Gelegenheit war. Vom 24. September bis zum 1. Oktober 2012 wurde ihm eine Woche Beobachtungszeit mit dem Large Area Telescope gewährt, um nach verzögerten Ausbrüchen zu suchen.

Auf dem Treffen der American Astronomical Society in National Harbor (Maryland) sagte Cheung, dass das Team drei Ausbruchsperioden mit Verzögerungszeiten von 11,46 Tagen identifiziert habe. Die besten Belege wurden in einer Ausbruchssequenz entdeckt, die während der einwöchigen LAT-Beobachtungen auftrat. Erstaunlicherweise ist die Verzögerung der Gammastrahlen etwa einen Tag länger als die Radiobeobachtungen für dieses System berichten. Und während die Ausbrüche und ihre verzögerten Abbilder eine vergleichbare Helligkeit im Gammabereich zeigen, ist ein Blazarbild in Radiowellenlängen rund viermal heller als das andere.

Astronomen glauben nicht, dass die Gammastrahlen aus den gleichen Regionen stammen wie die Radiowellen, so dass diese Emissionen etwas andere Bahnen einschlagen, was mit entsprechend anderen Verzögerungen und Verstärkungen einhergeht, wenn sie die Gravitationslinse durchqueren. “Im Verlauf eines Tages kann einer dieser Ausbrüche den Blazar im Gammabereich um das Zehnfache heller machen, aber nur um zehn Prozent im optischen und Radiobereich. Das sagt uns, dass die Gammastrahlen emittierende Region sehr klein sein muss, verglichen mit den Regionen, die Strahlung mit geringeren Energien abgeben”, sagte das Teammitglied Stefan Larsson, ein Astrophysiker von der Universität von Stockholm in Schweden.

Als eine Folge davon könnte die Gravitation kleiner Materiekonzentrationen in der beugenden Galaxie die Gammastrahlen mehr ablenken und verstärken als energieärmere Strahlung. Die Entschlüsselung dieser sogenannten Mikrolinseneffekte ist eine Herausforderung dafür, weiteren Nutzen aus hochenergetischen Gravitationslinsenbeobachtungen zu ziehen. Die Wissenschaftler sagen, dass das Vergleichen von Radio- und Gamma-Beobachtungen in anderen Gravitationslinsensystemen helfen könnte, neue Einblicke in die Funktionsweise von energiereichen Jets zu gewinnen und neue Grenzen für wichtige kosmologische Werte abzustecken – darunter die Hubble-Konstante, die die Expansionsrate des Universums beschreibt. Das aufregendste Ergebnis, so sagte das Team, wäre der Nachweis einer Verzögerung in einer ausbrechenden Gammaquelle, die in anderen Wellenlängen bisher noch nicht als Gravitationslinse identifiziert wurde.

Eine Abhandlung, die die Forschungsarbeit beschreibt, wird in einer kommenden Ausgabe der Astrophysical Journal Letters erscheinen. Das Fermi Gamma-ray Space Telescope ist eine Partnerschaft von Astrophysik und Teilchenphysik. Fermi wird vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betrieben. Es wurde in Zusammenarbeit mit dem US-Energieministerium entwickelt. Akademische Einrichtungen und Partner aus Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Schweden und den Vereinigten Staaten leisteten Beiträge zu dem Projekt.

Quelle: http://www.nasa.gov/press/2014/january/nasas-fermi-makes-first-gamma-ray-study-of-a-gravitational-lens/index.html

(THK)

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