Astro-Bild der Woche: NGC 4438 und NGC 4435 – Die Augen der Jungfrau

Die beiden Galaxien NGC 4438 (oben) und NGC 4435 (unten rechts), aufgenommen vom Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in der chilenischen Atacamawüste. (ESO)
Die beiden Galaxien NGC 4438 (oben) und NGC 4435 (unten rechts), aufgenommen vom Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in der chilenischen Atacamawüste. (ESO)

“Die Augen der Jungfrau” – so lautet ein Spitzname dieser beiden Galaxien, die in Richtung des Sternbildes Virgo (Jungfrau) zu finden sind. Die Galaxie im oberen Bildteil trägt die Katalogbezeichnung NGC 4438, ihre kleinere Begleiterin unten rechts ist als NGC 4435 eingetragen. Beide Galaxien sind ungefähr 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.

Das Galaxienpaar erscheint bereits durch Amateurteleskope betrachtet wie ein leuchtendes Augenpaar in der Dunkelheit, was ihm diesen Spitznamen einbrachte. Oft sprechen Astronomen auch nur von “den Augen” oder von “Markarians Augen”, wenn sie sich auf dieses Galaxienpaar beziehen. Der zuletzt genannte Spitzname geht auf den armenischen Astronomen Benjamin Markarian zurück, der unter anderem auch diese beiden Galaxien beobachtete.

NGC 4438 und NGC 4435 liegen nur etwa 100.000 Lichtjahre voneinander entfernt, daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die beiden Galaxien gravitativ miteinander wechselwirken. Besonders bei NGC 4438 lassen sich starke Deformationen erkennen, die auf die nahe Begegnung oder die Beinahekollision mit einem sehr massereichen Objekt zurückgeführt werden können. Ein auffallendes Merkmal ist das dunkle Staubband kurz unterhalb der Zentralregion der Galaxie. Die Form des Staubbandes und die enormen Gasmengen, die sich noch weit entfernt vom galaktischen Kern nachweisen lassen, weisen auf einen störenden Einfluss aufgrund starker Gravitationskräfte hin.

Im Gegensatz dazu zeigt NGC 4435, die kleinere Galaxie, ein völlig anderes Erscheinungsbild: Ihr wurde der Großteil ihrer Gas- und Staubvorkommen entrissen, weshalb ihr Kern sehr kompakt erscheint. Wenn man die beiden “Augen der Jungfrau” also detailliert betrachtet, so könnten sie nicht unterschiedlicher sein.

Es ist zwar naheliegend, dass eine nahe Begegnung oder Beinahekollision zwischen NGC 4438 und NGC 4435 für all diese Deformationen verantwortlich gewesen sein könnte, aber das ist keineswegs gesichert. Wenn diese Theorie stimmt, dann hätten sich die beiden Galaxien vor rund 100 Millionen Jahren bis auf circa 16.000 Lichtjahre angenähert. Infolgedessen übten sie gewaltige Gezeitenkräfte aufeinander aus und verzerrten ihre Strukturen. Die größere Galaxie könnte die Gas- und Staubvorkommen der kleineren Galaxie geraubt und sich einverleibt haben, während die Gravitation der kleineren Galaxie an ihrer größere Nachbarin zerrte und zum Beispiel das deformierte Staubband verursachte.

Eine weitere mögliche Verdächtige ist auf dieser Aufnahme nicht zu sehen: die elliptische Riesengalaxie Messier 86, kurz M86. Astronomen konnten Brücken aus ionisiertem Wasserstoffgas zwischen der Riesengalaxie Messier 86 und NGC 4438 nachweisen. Das ist ein stichhaltiger Beleg dafür, dass es zwischen diesen beiden Galaxien irgendwann einmal eine Wechselwirkung gegeben haben muss. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sowohl Messier 86 als auch die kleinere Galaxie NGC 4435 nacheinander eine nahe Begegnung mit NGC 4438 hatten und deren Deformationen quasi gemeinsam verschuldeten. Vielleicht werden zukünftige Computersimulationen von den Bewegungen der Galaxien im Virgo-Galaxienhaufen (zu dem alle beteiligten Galaxien gehören) eines Tages verraten können, was genau geschah.

Eine größere Version der Aufnahme gibt es unter:
http://www.eso.org/public/archives/images/large/eso1131a.jpg

Anmerkung der Redaktion
Die anderen drei Vorschläge für das Astro-Bild der Woche waren:
Bild 1: Die Sternentstehungsregion IC 2944
Bild 3: wird am 19. Juli 2014 zum Astro-Bild der Woche (Stimmengleichstand)
Bild 4: Die Bok-Globule B68

Anm. d. Red.: Wegen Stimmengleichheit beim Voting wurde dieses Astro-Bild der Woche durch den Losentscheid ermittelt. Zu dem anderen Bild wird es am 19. Juli 2014 einen Astro-Bild-der-Woche-Artikel geben. Das neue Voting wird entsprechend um eine Woche verlängert.

(THK)

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