Ein internationales Forschungsteam hat die bisher längste Abwesenheit der Evolution entdeckt: Ein Mikroorganismus aus der Tiefsee scheint sich seit mehr als zwei Milliarden Jahren nicht weiterentwickelt zu haben. Aber die Wissenschaftler sagen, dass das Fehlen der Evolution bei dem Organismus Charles Darwins Evolutionstheorie in Wirklichkeit unterstützt. Die Ergebnisse wurden am 2. Februar 2015 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.
Die Forscher untersuchten Schwefelbakterien – Mikroorganismen, die zu klein sind, um ohne Hilfsmittel beobachtet zu werden. Die Bakterien sind 1,8 Milliarden Jahre alt und wurden in Gestein der Küstengewässer vor Western Australia konserviert. Mit modernster Technologie stellten sie fest, dass die Bakterien genau so aussahen wie 2,3 Milliarden Jahre alte Bakterien aus der gleichen Region. Und beide urzeitlichen Bakterien sind von heutigen Schwefelbakterien aus dem Schlamm vor der chilenischen Küste nicht zu unterscheiden.
„Es scheint verblüffend, dass Leben sich seit über zwei Milliarden Jahren nicht weiterentwickelt hat – das entspricht fast der halben Erdgeschichte“, sagte J. William Schopf, ein Professor für Erd- Planeten- und Weltraumwissenschaften an der University of California in Los Angeles (UCLA), der leitende Autor der Studie. „Im Hinblick darauf, dass die Evolution eine Tatsache ist, muss dieses Fehlen der Evolution erklärt werden.“
Charles Darwins Aufzeichnungen über die Evolution konzentrierten sich deutlich mehr auf Spezies, die sich im Verlauf der Zeit weiterentwickelt hatten, und weniger auf jene, bei denen das nicht der Fall war. Also wie erklären Wissenschaftler eine Spezies, die so lange existiert, ohne sich weiterzuentwickeln?
„Das Gesetz der Biologie besagt, sich nicht weiterzuentwickeln, bis sich die physikalische oder biologische Umgebung verändert, was mit Darwin übereinstimmt“, sagte Schopf, der auch als Direktor des Center for the Study of Evolution and the Origin of Life der UCLA tätig ist. Die Umgebung, in der diese Mikroorganismen leben, sei seit drei Milliarden Jahren nahezu unverändert geblieben, sagte er.
„Diese Mikroorganismen sind sehr gut an ihre einfache, sehr stabile physikalische und biologische Umgebung angepasst“, sagte Schopf. „Falls sie sich in einer Umgebung befunden hätten, die sich nicht verändert, aber sie sich trotzdem weiterentwickelt hätten, dann würde das belegen, dass unser Verständnis der Darwinschen Evolution große Fehler aufweist.“ Die Ergebnisse liefern daher einen weiteren wissenschaftlichen Beweis für Darwins Arbeit. „Es passt perfekt mit seinen Theorien zusammen“, sagte Schopf.
Die von Schopf analysierten Fossilien datieren zurück in die Zeit eines entscheidenden Anstiegs des Sauerstoffgehalts auf der Erde, was als die Große Sauerstoffkatastrophe (Great Oxygenation Event, GOE) bezeichnet wird. Forschern zufolge fand das Ereignis vor 2,2-2,4 Milliarden Jahren statt. Die Große Sauerstoffkatastrophe verursachte auch einen dramatischen Anstieg von Sulfaten und Nitraten – die einzigen Nährstoffe, welche die Mikroorganismen gebraucht hätten, um in ihrer Meerwasserschlammumgebung zu überleben. Sie ermöglichten den Bakterien zu gedeihen und sich zu vermehren.
Schopf verwendete verschiedene Techniken, um die Fossilien zu analysieren. Dazu gehörten etwa die Raman-Spektroskopie, die den Forschern erlaubt, in Gesteine hineinzublicken, um ihre chemische Zusammensetzung zu bestimmen, und konfokale Lasermikroskopie, die Fossilien dreidimensional darstellt. Er ist ein Vorreiter bei der Verwendung beider Technologien für die Analyse mikroskopischer Fossilien, die in urzeitlichem Gestein konserviert wurden.
Die Co-Autoren der Abhandlung sind Anatoliy Kudryavtsev, ein Seniorwissenschaftler des Center for the Study of Evolution and the Origin of Life, sowie Forscher der University of Wisconsin, des Jet Propulsion Laboratory der NASA, der University of New South Wales (Australien) und der Universidad de Conceptión in Chile. Schopfs Forschungsarbeit wird vom Astrobiology Institute der NASA finanziert.
(THK)
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