Eine neue Untersuchung von einer der aktivsten Sternentstehungsregionen in der galaktischen Nachbarschaft hilft Astronomen dabei, jene Prozesse besser zu verstehen, die vor 4,5 Milliarden Jahren zur Entstehung der Sonne beigetragen haben könnten. Die Studie über den Carinanebel wurde von der Rice University geleitet und ist online im Astronomical Journal verfügbar.
“Die meisten Sterne entstehen in Riesenmolekülwolken – das sind Regionen, in denen die Materiedichte ausreichend hoch ist, damit sich Wasserstoffatome aneinander binden und Wasserstoffmoleküle bilden können”, sagte Patrick Hartigan, Professor für Physik und Astronomie an der Rice University und Hauptautor der neuen Studie. “Der Carinanebel ist ein idealer Ort, um zu beobachten, wie dies geschieht, weil es dort dutzende Beispiele für entstehende Sterne in verschiedenen Entwicklungsstadien gibt.”
Der Carinanebel besitzt eine Ausdehnung von mehr als 100 Lichtjahren und ist für Beobachter in der südlichen Hemisphäre mit bloßem Auge als hell leuchtender Fleck in der Milchstraße sichtbar. Neben tausenden Sternen mit sonnenähnlichen Massen enthält der Carinanebel über 70 Sterne des O-Typs, von denen jeder zwischen 15 und 150 Sonnenmassen aufweist. Sterne des O-Typs brennen heiß und hell und sterben jung – normalerweise innerhalb von zehn Millionen Jahren. Diese massereichen Sterne spielen eine Schlüsselrolle dabei, wie sich weniger massereiche, sonnenähnliche Sterne in der gleichen Region entwickeln, weil O-Sterne Staub und Gas erodieren und zerstreuen. Der Staub und das Gas könnten sich anderenfalls in einer Scheibe ansammeln und Planeten um massearme Sterne bilden.
Hartigan sagte, dass O-Sterne auch einen tiefgreifenden Einfluss auf ihre elterlichen Molekülwolken haben. “Die ultraviolette Strahlung dieser heißen, massereichen Sterne ionisiert molekularen Wasserstoff, und weil die Strahlung die Molekülwolke erodiert, gestalten O-Sterne schöne Säulen und bereinigen den Weltraum um kleinere Sterne, die in der Nähe existieren”, erkläre Hartigan. Ein berühmtes Beispiel für diese Säulen ist im Adlernebel zu finden und trägt die Bezeichnung “Säulen der Schöpfung” – eine der bekanntesten Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops.
Hartigan sagte, der Gestaltungsprozess, der solche Säulen erschafft, kennzeichne eine Phase der Zerstörung von einer Molekülwolke. In dem ersten Stadium erscheint der äußere Bereich der Wolke größtenteils intakt. Als erstes entstehen dicke Säulen, die stetig in dünnere Säulen erodiert werden, welche schließlich zu isolierten Globulen werden, die von dem zurückweichenden Rand abgetrennt sind. In dem Scheitelpunkt einer Säule oder innerhalb einer Globule existiert oft ein junger Stern mit einer Materiescheibe. Der gesamte Erosionsprozess dauere ungefähr eine Million Jahre, und Astronomen glauben, dass dies ein wesentlicher Aspekt bei der Entstehung von Sonnensystemen wie unserem eigenen sei, ergänzte Hartigan.
Die Sternentstehungsregion des Carinanebels liegt circa 7.500 Lichtjahre von der Erde entfernt – etwa fünfmal weiter als der Orionnebel. Der Orionnebel ist am Himmel der Nordhalbkugel sichtbar, aber besitzt nur rund ein Zehntel der Größe des Carinanebels. Die neuen Aufnahmen des Carinanebels zeigen mehrere Beispiele für jedes der verschiedenen Stadien der Wolkenzerstörung.
“Es gibt eine große Vielfalt im Carinanebel – teilweise weil er so groß ist”, sagte Hartigan. “Er dehnt sich am Himmel über mehr als ein Grad Kantenlänge aus, was bedeutet, dass er eine größere Fläche am Himmel einnimmt als vier Vollmonde. Außerdem ist der Carinanebel jung genug, um eine Menge Sternentstehungsprozesse zu zeigen. Aber er ist auch alt genug, so dass die massereichsten Sterne ausreichend viel Materie erodieren konnten, um ein verworrenes Gebiet aus Globulen und Säulen zu enthüllen.”
Für die neue Untersuchung nutzen Hartigan und seine Kollegen Megan Reiter und Nathan Smith (University of Arizona), sowie John Bally (University of Colorado) den Extremely Wide-Field Infrared Imager des National Optical Astronomy Observatory. Mit seiner Mosaikkamera fotografierten sie die gesamte Carinaregion am Blanco Telescope auf dem Cerro Tololo im Norden Chiles. Sowohl die optische als auch die infrarote Kamera verwenden großformatige Detektoren, um hochaufgelöste Bilder von großen Himmelsausschnitten zu machen. Jedes Bild isoliert eine bestimmte Wellenlänge infraroten oder optischen Lichts. Indem sie diese Wellenlängen einzeln und in Kombination anschauten, waren Hartigan und seine Kollegen in der Lage, den Staub des Carinanebels zu durchdringen und Einblicke in die säulenschaffenden Prozesse zu gewinnen, die von O-Typ-Sternen verursacht werden.
Hartigan zufolge sprechen numerische Simulationen in den vergangenen Jahrzehnten dafür, dass starke stellare Winde von O-Sternen auch Sternentstehungsprozesse auslösen, indem sie die Materie in einer Molekülwolke bis über den Punkt hinaus komprimieren, an dem sie gravitativ instabil wird – Triggering genannt. Er sagte, die neuen Bilder würden wichtige Beschränkungen dieses Prozesses offenbaren.
Video-Link: https://youtu.be/k1Dw2e4zLlk
Videobeitrag über die neuen Ergebnisse. (Rice University)
“Wir beobachten zwei Sternhaufen, in denen die Säulen durch junge, neu entstandene Sterne von innen und durch O-Typ-Sterne von außen erodiert werden”, erläuterte Hartigan. “Es scheint so, dass die Sterne in dem Sternhaufen bereits existierten, bevor die O-Sterne die Wolkenmaterie erodierten, was darauf schließen lässt, dass diese Sternhaufen nicht durch Triggering entstanden.”
Obwohl viele der Säulen, Globulen und anderen Strukturen, die in der Studie detailliert untersucht wurden, Astronomen bereits zuvor bekannt waren, offenbaren die neuen Aufnahmen laut Hartigan Einzelheiten über die zugrunde liegenden Abläufe in der Region. “Unsere Aufnahmen sind schärfer und tiefer als die bisherigen, und sie sind der bislang beste Schnappschuss einer intensiven Sternentstehungsregion zu einem bestimmten Zeitpunkt”, sagte er.
Die Forschungsarbeit wurde vom US-Energieministerium unterstützt.
Quelle: http://news.rice.edu/2015/03/09/carina-nebula-survey-reveals-details-of-star-formation-2/
(THK)
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