Mit dem Very Large Array (VLA) der National Science Foundation haben Astronomen ein lange gesuchtes „fehlendes Bindeglied“ zwischen jenen Supernova-Explosionen gefunden, welche Gammastrahlenausbrüche (Gamma-ray Bursts, GRBs) erzeugen, und jenen, die das nicht tun. Die Wissenschaftler stellten fest, dass eine im Jahr 2012 beobachtete Sternexplosion viele Eigenschaften zeigte, die man von einer Supernova erwartet hatte, welche einen starken Gammastrahlenausbruch erzeugt. Trotzdem fand kein solcher Ausbruch statt.
„Das ist ein verblüffendes Ergebnis, das einen wichtigen Einblick in den Mechanismus gibt, der diesen Explosionen zugrunde liegt“, sagte Sayan Chakraborti vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA). „Dieses Objekt schließt eine Lücke zwischen Gammastrahlenausbrüchen und anderen Supernovae dieser Art, was uns zeigt, dass bei solchen Explosionen ein breites Aktivitätsspektrum möglich ist“, ergänzte er.
Die Supernova mit der Bezeichnung SN 2012ap ist ein Ereignis, das Astronomen eine Kernkollaps-Supernova nennen. Dieser Explosionstyp tritt auf, wenn die Kernfusionsreaktionen im Kern eines sehr massereichen Sterns nicht länger die Energie liefern können, die benötigt wird, um den Kern gegen das Gewicht der äußeren Sternbereiche zu stützen. Der Kern kollabiert dann zu einem superdichten Neutronenstern oder zu einem Schwarzen Loch. Der Rest der Sternmaterie wird durch eine Supernova-Explosion in den Weltraum geschleudert.
Der häufigste Typ solcher Supernovae schleudert die Materie des Sterns in einer fast kugelförmigen Blase nach außen, welche rasch expandiert, aber mit Geschwindigkeiten, die deutlich geringer sind als die Lichtgeschwindigkeit. Diese Explosionen erzeugen keinen Gammastrahlenausbruch.
Bei einem kleinen Prozentsatz der Fälle wird die einfallende Materie in eine kurzlebige, wirbelnde Scheibe gezogen, die den neuen Neutronenstern oder das neue Schwarze Loch umgibt. Diese Akkretionsscheibe erzeugt Materiejets, die sich von den Polen der Scheibe mit annähernd Lichtgeschwindigkeit nach außen bewegen. Diese Kombination einer wirbelnden Scheibe und seiner Jets wird als „Antriebsmechanismus“ bezeichnet, und dieser Explosionstyp erzeugt Gammastrahlenausbrüche.
Die neue Forschungsarbeit zeigt allerdings, dass nicht alle „antriebsgesteuerten“ Supernova-Explosionen Gammastrahlenausbrüche produzieren. „Diese Supernova [SN 2012ap] hatte Jets, die sich mit annähernd Lichtgeschwindigkeit fortbewegten, und die Jets wurden rasch abgebremst, genau wie die Jets, die wir in Gammastrahlenausbrüchen sehen“, sagte Alicia Soderberg vom CfA.
Eine frühere Supernova im Jahr 2009 besaß ebenfalls schnelle Jets, aber ihre Jets expandierten frei, ohne die Abbremsung zu erfahren, welche für jene Supernovae charakteristisch ist, die Gammastrahlenausbrüche erzeugen. Die freie Expansion des Objekts von 2009 gleicht eher dem, was in Supernova-Explosionen ohne Antriebsmechanismus beobachtet wird. Wahrscheinlich deutet es darauf hin, das ihre Jets einen großen Anteil schwerer Teilchen enthielten, im Gegensatz zu den leichteren Teilchen in den Jets von Gammastrahlenausbrüchen. Die schweren Teilchen bahnen sich einfacher ihren Weg durch die Materie, die den Stern umgibt.
„Was wir sehen ist, dass es eine große Vielfalt bei den Antriebsmechanismen dieses Typs von Supernova-Explosion gibt“, sagte Chakraborti. „Die mit starken Antriebsmechanismen und leichteren Teilchen erzeugen Gammastrahlenausbrüche, und die mit schwächeren Antriebsmechanismen und schwereren Teilchen tun das nicht“, fügte er hinzu. „Dieses Objekt zeigt, dass die Natur des Antriebsmechanismus eine zentrale Rolle dabei spielt, die Eigenschaften dieses Typs von Supernova-Explosionen zu bestimmen“, sagte Soderberg.
Chakraborti und Soderberg arbeiteten mit einem internationalen Forschungsteam aus fünf Kontinenten. Neben den Daten des VLA verwendeten sie auch Daten des Giant Meterwave Radio Telescope (GMRT) in Indien und des InterPlanetary Network (IPN) mit Satelliten, die über GRB-Detektoren verfügen. Das Team berichtet über seine Arbeit in einer Abhandlung, die zur Veröffentlichung an das Astrophysical Journal geschickt wurde. Dieser Artikel wird in Zusammenarbeit mit dem National Radio Astronomy Observatory veröffentlicht.
Das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) mit Hauptsitz in Cambridge (Massachusetts) ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Smithsonian Astrophysical Observatory und dem Harvard College Observatory. Wissenschaftler aus sechs Forschungsabteilungen untersuchen hier den Ursprung, die Entwicklung und das endgültige Schicksal des Universums.
Quelle: https://www.cfa.harvard.edu/news/2015-13
(THK)
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