Astropage.eu on Tour auf dem Internationalen Teleskoptreffen Vogelsberg (ITV) 2015

Der Sternenhimmel über dem Veranstaltungsgelände des Internationalen Teleskoptreffens Vogelsberg ITV 2015 am Gederner See. Der helle Stern etwas links oberhalb der Bildmitte ist die Wega im Sternbild Leier. (astropage.eu)
Der Sternenhimmel über dem Veranstaltungsgelände des Internationalen Teleskoptreffens Vogelsberg ITV 2015 am Gederner See. Der helle Stern etwas links oberhalb der Bildmitte ist die Wega im Sternbild Leier. (astropage.eu)

Nach den tollen Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr zog es uns auch dieses Jahr zum Internationalen Teleskoptreffen Vogelsberg am Gederner See in Hessen. Die offizielle Veranstaltung fand diesmal vom 13. bis zum 17. Mai 2015 statt, aber wir reisten bereits am 9. Mai an, in der Hoffnung, dass unser Platz aus dem letzten Jahr noch frei sein würde (was auch der Fall war). Obwohl das Internationale Teleskoptreffen Vogelsberg – kurz ITV – nur ein paar Tage dauert, füllen sich die großen Zeltwiesen schon vor dem offiziellen Beginn langsam aber stetig. Manche Teilnehmer waren sogar seit Ende April anwesend und opferten ihren Jahresurlaub für die tollen Einblicke in die Welt der (Amateur-)Astronomie.

Ein gewisser Unsicherheitsfaktor auf dem ITV scheint immer das Wetter zu sein. Beim Aufbau unseres Zeltes war es heiter bis sonnig – und am liebsten hätten wir auch den Kram liegen lassen, denn mehrere andere Teilnehmer waren schon fleißig dabei, die Sonne zu beobachten. Nunja, man muss Prioritäten setzen, also bauten wir erst unser Zelt auf und erledigten einige notwendige Einkäufe im nahen Supermarkt (Sterne gucken mit knurrendem Magen macht definitiv keinen Spaß).

Gedern. Halb sechs. Die Sonne brennt. Aber die Frisur sitzt, das Zelt steht und die Essensvorräte sind aufgefüllt. Kurze Zeit später zog es sich zu und es begann leicht zu regnen. Soviel zum Thema Unsicherheitsfaktor Wetter. An dieser Stelle ein Tipp für Neulinge: Es ist nie verkehrt, reichlich Lesestoff mitzunehmen, falls das Wetter mal nicht so mitspielt, wie man gerne hätte.

Viel Sonne, ein stürmischer Jupiter und die Mission Sonnenmosaik

In den darauf folgenden Tagen war das Wetter zumindest am Tag überwiegend freundlich und ermöglichte teilweise sehr schöne Sonnenbeobachtungen. Standesgemäß brachten wir auch ein paar Gerätschaften mit, um selbst Beobachtungen durchzuführen und eventuell ein paar Astrofotos zu machen. Mit einem der Teleskope konnten wir am 11. Mai das unten eingebundene Bild machen. Es zeigt eine große Sonnenfleckengruppe, eine der schönsten Fleckengruppen in den letzten Monaten. Die Aufnahmekamera war eine sogenannte “Planetenkamera”, die aber nicht nur für Planetenaufnahmen geeignet ist, sondern auch für Mond- und Sonnenaufnahmen. Als Teleskop diente ein kleines Maksutov-Spiegelteleskop mit 90 Millimetern Öffnung und 1.250 Millimetern Brennweite. Bei der hohen Brennweite braucht man mit einer manuellen Nachführung schon eine recht ruhige Hand. In voller Auflösung kann das Bild hier angeschaut werden.

Sonnenflecken, aufgenommen mit einem Maksutov 90/1250 und einer Planetenkamera (astropage.eu)
Sonnenflecken, aufgenommen mit einem Maksutov 90/1250 und einer Planetenkamera (astropage.eu)

Auf unseren Rundgängen über das Veranstaltungsgelände sahen wir jeden Tag Neuankömmlinge, die eifrig damit beschäftigt waren, ihre Zelte und (noch viel wichtiger) ihre Teleskope aufzubauen. Dabei war das komplette Spektrum vertreten, das in der Amateurastronomie genutzt wird: Von mehr oder weniger großen Ferngläsern auf entsprechend stabilen Stativen über kleine Refraktoren und Spiegelteleskope verschiedenster Bauarten bis hin zu sehr großen Dobson-Teleskopen. Bei letzteren handelt es sich technisch gesehen um Newton-Spiegelteleskope, die aber nicht auf einer (parallaktischen) Montierung sondern in einer beweglichen “Holzkiste” befestigt sind. Vorteile dieser azimutalen Bauart sind beispielsweise der deutlich geringere Preis im Vergleich zu gleich großen Newton-Teleskopen auf einer Montierung und die einfachere Handhabung: Hinstellen, Justieren und Losbeobachten.

Mit den Besitzern kamen wir recht schnell ins Gespräch, und die höflichen Frage, ob man auch mal durchschauen darf, wurde immer mit einem begeisterten “Ja, klar” beantwortet. Diese Offenheit und Gastfreundschaft gegenüber fremden, aber interessierten Besuchern kannten wir schon vom letzten ITV. Und falls es doch einmal zum “Fremdeln” kommen sollte, wird das Eis sehr schnell durch das gemeinsame Interesse an der Astronomie und deren zahlreichen Facetten gebrochen.

Unser "Hoheitsgebiet" auf einer der hinteren Wiesen. (astropage.eu)
Unser “Hoheitsgebiet” auf einer der hinteren Wiesen. (astropage.eu)

Ein Musterbeispiel für die Offenheit in der Amateurastronomieszene war Heinrich, der mit seinem Wohnmobil direkt gegenüber von unserem Zelt stand und mehrere schöne Teleskope im Gepäck hatte. Besonders interessant war der Daystar Quark H-alpha-Filter, den er an sein Refraktor-Teleskop adaptiert hatte. Die Beobachtungen der Protuberanzen am Sonnenrand und der Filamente auf der Sonnenscheibe waren wirklich beeindruckend. Heinrich hatte außerdem ein Coronado-Sonnenteleskop dabei, mit dem man die Sonne in der Wellenlänge des Calcium-Lichts beobachten konnte. Der Anblick im Calcium-Licht erinnerte stark an das normale Weißlicht, allerdings waren bestimmte Flares und Strukturen auf der Sonnenoberfläche etwas besser zu erkennen. Testweise hatten wir die Planetenkamera an das Teleskop adaptiert, aber das Fokussieren erwies sich bei manueller Nachführung als recht schwierig.

Abends konnten wir den Jupiter beobachten und wir hatten sogar Glück, was den Durchgang des berühmten Großen Roten Flecks angeht. Der Große Rote Fleck ist ein gigantischer Wirbelsturm, der bereits seit mehreren hundert Jahren auf dem Gasriesen tobt. Wegen der extrem schnellen Rotation Jupiters kann man das auffällige Sturmsystem aber immer nur für kurze Zeit sehen. Das unten eingebundene Bild entstand mit der Planetenkamera an dem kleinen Maksutov-Teleskop. Der Große Rote Fleck springt dem Betrachter förmlich ins Auge, zumindest in der größeren Bildversion, die hier zu finden ist.

Jupiter mit dem Großen Roten Fleck, aufgenommen mit einer Planetenkamera und einem Mak 90/1250. (astropage.eu)
Jupiter mit dem Großen Roten Fleck, aufgenommen mit einer Planetenkamera und einem Mak 90/1250. (astropage.eu)

Eines der fotografischen Ziele, die wir uns gesetzt hatten, war die Erstellung eines kleinen Sonnenmosaiks mit einem mitgebrachten Newton-Teleskop. Das Teleskop wurde auf einer ausreichend stabilen NEQ6-Montierung befestigt, die automatisch nachführen kann, was das ganze Vorhaben etwas entspannter machte. Das Reinholen der Sonne ins Blickfeld der Planetenkamera war nicht sonderlich schwer – ein simpler Sonnensucher aus Lego-Bausteinen (ja, Lego-Bausteine! Es ist viel mehr als nur Kinderspielzeug) erfüllte seine Aufgabe so gut wie ein Sonnensucher “von der Stange”. Vielleicht etwas unkonventionell, aber durchaus praktisch. Das Aufnehmen der Bilder klappte problemlos, wenn man von dem Vogel absieht, der während der Aufnahme vor der Sonne vorbeiflog. In der vollen Auflösung gibt es das Bild hier auf astrobin.

Sonnenmosaik, aufgenommen mit einer Planetenkamera an einem Newton 130/650. (astropage.eu)
Sonnenmosaik, aufgenommen mit einer Planetenkamera an einem Newton 130/650. (astropage.eu)

Leider gab es ein Problem mit dem Programm, das wir für die Erstellung von Mosaikaufnahmen benutzen. Das Ergebnis war eine völlig deformierte Sonne, vermutlich weil die überlappenden Gebiete der Einzelaufnahmen zu klein waren. Das Mosaik wurde also in einem normalen Bildbearbeitungsprogramm manuell zusammengefügt, weshalb man die Grenzen der Einzelbilder noch ausmachen kann, wenn man genau hinschaut. Am nächsten Tag war das Wetter wieder sonnig und wir unternahmen einen zweiten Versuch für die Mission Sonnenmosaik. Das Setup war dasselbe wie oben beschrieben. Aber das Programm hatte erneut Probleme beim Zusammenfügen der Einzelbilder, daher wurde auch dieses Mosaik manuell erstellt und hat kleine Schönheitsfehler. Natürlich ist dies nur eine verkleinerte Version, die Originalversion kann hier auf astrobin angeschaut werden.

Noch ein Sonnenmosaik mit der Planetenkamera und dem Newton 130/650. (astropage.eu)
Noch ein Sonnenmosaik mit der Planetenkamera und dem Newton 130/650. (astropage.eu)

Alte Bekannte, der Fuchs des Grauens und die Selbstbauten

Beim täglichen, abendlichen und nächtlichen Schlendern über die Wiesen trafen wir auch einige bekannte Besucher, mit denen wir uns schon im letzten Jahr über alle möglichen astronomischen Themen unterhalten hatten. Die Themen der lockeren Gespräche umfassten beispielsweise die Wahl des geeigneten Okulars, die Justage eines Newton-Teleskops oder das Für und Wider der Urknalltheorie. Und genau so breit gefächert waren die Themen auch in diesem Jahr. Viele interessante Gespräche führten wir mit Henry, der uns letztes Jahr eindrucksvolle H-alpha-Beobachtungen der Sonne an seinem Teleskop ermöglichte. Im Rahmen eines ausführlichen Vortrags demonstrierte er die Erstellung eines Sonnenbildes live von Anfang bis Ende, also von der Aufnahme des Videos über den Stackingprozess, bei dem die schärfsten Bereiche der Bilder übereinander gelegt werden, bis zum fertig gestackten Bild.

Das MASH (siehe den Artikel vom letzten Jahr) war auch wieder anwesend, wenn auch vergleichsweise ruhig für seine Verhältnisse. Ein weiterer alter Bekannter war Raphael mit seinem Riesendobson. Im letzten Jahr war Saturn eine sprichwörtliche Erleuchtung, und auf dem diesjährigen ITV konnten wir Venus und Jupiter durch dieses “Monstrum” beobachten, was nicht weniger umwerfend war als Saturn.

Raphaels Riesendobson. (astropage.eu)
Raphaels Riesendobson. (astropage.eu)

Ein mittlerweile mehr berüchtigter als berühmter alter Bekannter war Reineke F., mit dem wir letztes Jahr einen viel engeren Kontakt pflegten, als es uns lieb war (unser Zelt trug einige Kratzer davon). Offenbar hat ihm immer noch niemand glaubhaft machen können, dass Füchse eigentlich menschenscheu sein sollten. Wir blieben zwar verschont, aber andere Teilnehmer hatten weniger Glück und fanden den Inhalt ihres Müllbeutels am nächsten Morgen in der Gegend herum verstreut vor. Auf die vom MASH aufgestellten Fuchsfallen fiel er leider nicht herein.

Wie in jedem Jahr wurden auch diesmal wieder die innovativsten Selbstbauten prämiert. Bei diesem Ritual geht es aber nicht nur um Teleskope selbst, sondern prinzipiell um alles, was eigenhändig gebaut oder zumindest eigenhändig stark verbessert wurde – dazu zählen Teleskope ebenso wie Montierungen oder sonstige Hilfsmittel, die für einen Amateurastronomen nützlich sind. Die diesjährigen Preisträger sind auf den folgenden Bildern festgehalten.

Ein kleiner, frei beweglicher Kugeldobson. (astropage.eu)
Ein kleiner, frei beweglicher Kugeldobson. (astropage.eu)
Fernglas-Stativ in Parallelogramm-Bauweise. (astropage.eu)
Fernglas-Stativ in Parallelogramm-Bauweise. (astropage.eu)
Dobson-Teleskop mit ausziehbaren Teleskopstöcken. (astropage.eu)
Dobson-Teleskop mit ausziehbaren Teleskopstöcken. (astropage.eu)
Dobson-Teleskop mit verbesserter Rockerbox aus Metall. (astropage.eu)
Dobson-Teleskop mit verbesserter Rockerbox aus Metall. (astropage.eu)
Bino aus zwei Skywatcher-Refraktoren inklusive elektrischer Hubsäule. (astropage.eu)
Bino aus zwei Skywatcher-Refraktoren inklusive elektrischer Hubsäule. (astropage.eu)
Adaption eines Coronado PST an einen größeren Refraktor für besseres Auflösungsvermögen bei H-alpha-Beobachtungen der Sonne. (astropage.eu)
Adaption eines Coronado PST an einen größeren Refraktor für besseres Auflösungsvermögen bei H-alpha-Beobachtungen der Sonne. (astropage.eu)

Fazit und Dank an…

Das Fazit des Internationalen Teleskoptreffens Vogelsberg 2015 lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Genial. Nette Leute (wie letztes Jahr), interessante Fachsimpeleien (wie letztes Jahr), aber besseres Wetter, so dass wir Einiges beobachten und auch fotografieren konnten. Das ITV im nächsten Jahr ist fest eingeplant und im Terminkalender schon dick rot markiert.

Abschließend möchten wir uns noch bedanken bei
– den Veranstaltern des ITV
– Heinrich für die Gespräche, die Sonnenbeobachtungen und die spontane Nothilfe bzgl. Kochplatte
– Henry für die Sonnenbeobachtungen und die Tipps zur Bildverarbeitung
– Rosi und Norbert für die Gespräche und das Marmorküchle
– Bernhard für das Galaxienhopping durch den Virgo-Galaxienhaufen
– Dieter vom MASH für das Lochbohren in den Teleskoptubus
– und allen anderen, bei denen wir durch die Teleskope schauen und mit denen wir fachsimpeln durften

die Redaktion von astropage.eu

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*