Astronomen haben die Daten dreier Großer Observatorien der NASA genutzt, um die bislang detailreichste Untersuchung eines extrem massereichen, jungen Galaxienhaufens durchzuführen. Dieser ungewöhnliche Galaxienhaufen liegt ungefähr zehn Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt und besitzt etwa 500 Billionen Sonnenmassen. Das Objekt hat bedeutende Auswirkungen darauf, diese Megastrukturen zu verstehen, welche sich im frühen Universum bildeten und entwickelten.
Der Galaxienhaufen mit der Katalogbezeichnung IDCS J1426.5+3508 (kurz IDCS 1426) ist so weit entfernt, dass das von ihm registrierte Licht ausgesandt wurde, als das Universum ungefähr ein Viertel seines aktuellen Alters hatte. Er ist der massereichste Galaxienhaufen, der in einem so jungen Alter entdeckt wurde.
IDCS 1426 wurde zuerst im Jahr 2012 mit dem Weltraumteleskop Spitzer aufgefunden und anschließend vom Weltraumteleskop Hubble und dem Keck Observatory auf dem Mauna Kea (Hawaii) beobachtet, um seine Entfernung zu bestimmen. Beobachtungen des Combined Array for Millimeter Wave Astronomy sprachen dafür, dass er extrem massereich ist. Neue Daten des Chandra X-ray Observatory bestätigen die Masse des Galaxienhaufens und zeigen, dass etwa 90 Prozent seiner Masse in der Form von Dunkler Materie vorliegt. Dunkle Materie ist eine rätselhafte Substanz, die bisher nur durch ihre gravitative Anziehungskraft auf normale Materie registriert wurde.
„Mit dieser Entdeckung erweitern wir wirklich die Grenzen“, sagte Mark Brodwin von der University of Missouri in Kansas City, der Leiter der Studie. „Als eine der ersten massereichen Strukturen, die sich im Universum bildeten, legt dieser Galaxienhaufen die Latte sehr hoch für Theorien, die versuchen zu erklären, wie sich Galaxienhaufen und Galaxien entwickeln.“
Galaxienhaufen sind die größten Objekte im Universum, die durch die Gravitation zusammengehalten werden. Aufgrund ihrer schieren Größe nehmen Wissenschaftler an, dass sie mehrere Milliarden Jahre für ihre Entstehung benötigen sollten. Die Distanz von IDCS 1426 bedeutet, dass Astronomen ihn zu einem Zeitpunkt beobachten, als das Universum erst 3,8 Milliarden Jahre alt war, was darauf schließen lässt, dass sich der Galaxienhaufen in einer sehr jungen Phase gesehen wird.
Die Chandra-Daten offenbaren einen hellen Knoten, der nahe der Mitte des Galaxienhaufens (aber nicht exakt in seinem Zentrum) im Röntgenbereich leuchtet. Dieser überdichte Kern wurde aus dem Zentrum des Galaxienhaufens entfernt, möglicherweise vor 500 Millionen Jahren durch eine Verschmelzung mit einem anderen, sich entwickelnden Galaxienhaufen. Solch eine Verschmelzung würde die Röntgenemissionen verursachen und ließe heißes Gas herumwirbeln wie Wein in einem angestoßenen Glas.
„Verschmelzungen mit anderen Galaxiengruppen und Galaxienhaufen sollten so früh in der Geschichte des Universums häufiger vorgekommen sein“, sagte der Co-Autor Michael McDonald vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. „Das scheint eine wichtige Rolle bei der raschen Entstehung dieses Galaxienhaufens gespielt zu haben.“
Außerhalb des Kerns ist das Gas im Rest des Galaxienhaufens sehr sanft und symmetrisch. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass IDCS 1426 sehr schnell entstand. Außerdem fanden Astronomen mögliche Belege dafür, dass die Menge der Elemente, welche schwerer als Wasserstoff und Helium sind, in dem heißen Gas ungewöhnlich niedrig ist. Das deutet darauf hin, dass dieser Galaxienhaufen immer noch den Prozess durchlaufen könnte, in dem er sein heißes Gas mit diesen Elementen anreichert. Das geschieht, wenn Supernovae schwerere Elemente produzieren und sie aus einzelnen Galaxien herauskatapultieren.
Die Präsenz dieses massereichen Galaxienhaufens im frühen Universum bringt nicht unser aktuelles Verständnis der Kosmologie durcheinander“, sagte der Co-Autor Anthony Gonzalez von der University of Florida in Gainesville. „Sie gibt uns aber mehr Informationen, mit denen wir arbeiten können, wenn wir unsere Modelle verfeinern.“
Es wurden zwar Belege für andere massereiche Galaxienhaufen in der Frühzeit des Universums gefunden, aber keiner von ihnen ist mit IDCS 1426 vergleichbar, was die Kombination aus Masse und Jugendlichkeit betrifft. Für die Massenbestimmung wurden drei unabhängige Methoden verwendet: Eine Messung der Masse, welche für die Eingrenzung des Röntgenstrahlung emittierenden Gases in dem Galaxienhaufens erforderlich war; der Abdruck der Gasmasse des Galaxienhaufens im kosmischen Mikrowellenhintergrund und die beobachteten Verzerrungen in den Formen der Galaxien hinter dem Galaxienhaufen. Letztere werden durch die Ablenkung von Licht der Hintergrundgalaxien durch die Gravitation des Galaxienhaufens im Vordergrund verursacht.
Diese Ergebnisse wurden auf dem 227. Treffen der American Astronomical Society in Kissimmee (Florida) präsentiert. Eine Abhandlung, welche die Ergebnisse beschreibt, wurde zur Veröffentlichung im Astrophysical Journal eingereicht und ist online verfügbar.
Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien) leitet die Spitzer-Mission für das Science Mission Directorate in Washington. Die wissenschaftlichen Operationen werden am Spitzer Science Center des California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena durchgeführt. Die technischen Operationen des Weltraumteleskops werden von der Lockheed Martin Space Systems Company in Littleton (Colorado) vorgenommen. Die Daten werden im Infrared Science Archive des Infrared Processing and Analysis Center am Caltech gespeichert. Das Caltech betreibt das JPL für die NASA.
Das Weltraumteleskop Hubble ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der European Space Agency (ESA). Das Goddard Space Flight Center der NASA betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore steuert die wissenschaftlichen Operationen Hubbles. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy in Washington, D.C. für die NASA geleitet.
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.
Quelle: http://www.jpl.nasa.gov/news/news.php?feature=4815
(THK)
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