Galaktische Begegnung hinterlässt ein „fast nacktes“ supermassives Schwarzes Loch

Diese Illustrationen zeigen, wie das fast nackte supermassive Schwarze Loch entstand. (Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF)
Diese Illustrationen zeigen, wie das fast nackte supermassive Schwarze Loch entstand. (Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF)

Astronomen haben mit dem superscharfen Radioblick des Very Long Baseline Array (VLBA) die zerstörten Überreste einer Galaxie entdeckt, die eine größere Galaxie durchdrang. Dabei blieb nur das fast nackte supermassive Schwarze Loch der kleineren Galaxie zurück, das sich mit mehr als 3.200 Kilometern pro Sekunde (ca. 11,6 Millionen Kilometer pro Stunde) entfernt.

Die Galaxien sind Teil eines Galaxienhaufens, der über zwei Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Die nahe Begegnung fand vor Millionen Jahren statt und beraubte die kleinere Galaxie fast aller ihrer Sterne und ihrer Gasvorkommen. Was übrig blieb, sind ihr Schwarzes Loch und ein kleiner galaktischer Überrest von etwa 3.000 Lichtjahren Durchmesser. Zum Vergleich: Unsere Milchstraßen-Galaxie hat einen Durchmesser von rund 100.000 Lichtjahren.

Die Entdeckung wurde im Rahmen eines Programms gemacht, um supermassive Schwarze Löcher (das sind Schwarze Löcher mit Millionen oder Milliarden Sonnenmassen) zu finden, die nicht in den Zentren von Galaxien liegen. Supermassive Schwarze Löcher befinden sich in den Zentren der meisten Galaxien. Man nimmt an, dass große Galaxien wachsen, indem sie kleinere Begleiter verschlingen. In solchen Fällen geht man davon aus, dass sich beide Schwarzen Löcher gegenseitig umkreisen und letztendlich miteinander verschmelzen.

„Wir suchten nach einander umkreisenden Paaren supermassiver Schwarzer Löcher, die nicht im Zentrum einer Galaxie lagen – ein verräterisches Zeichen für eine frühere Galaxienverschmelzung“, sagte James Condon vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO). „Stattdessen fanden wir dieses Schwarze Loch, das aus der größeren Galaxie herauskatapultiert wird und einen Schweif aus Überresten hinter sich herzieht. Wir haben noch nie zuvor etwas Derartiges beobachtet“, ergänzte er.

Die Astronomen begannen ihr Vorhaben mit dem VLBA, um sehr hoch aufgelöste Bilder von mehr als 1.200 Galaxien zu machen, die bereits früher von umfassenden Himmelsdurchmusterungsprogrammen mit Infrarot- und Radioteleskopen identifiziert wurden. Ihre VLBA-Beobachtungen zeigten, dass die supermassiven Schwarzen Löcher fast aller dieser Galaxien in deren Zentren lagen.

Allerdings passte ein Objekt in einem Galaxienhaufen namens ZwCl 8193 nicht in dieses Muster. Weitere Untersuchungen ergaben, dass dieses Objekt mit der Bezeichnung B3 1715+425 ein supermassives Schwarzes Loch ist, das von einer viel kleineren und schwächeren Galaxie umgeben ist, als man erwarten würde. Außerdem entfernt sich das Objekt mit großer Geschwindigkeit vom Kern einer viel größeren Galaxie, wobei es einen Schweif aus ionisiertem Gas hinterlässt.

Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass B3 1715+425 der Überrest einer Galaxie ist, welche die größere Galaxie durchdrang. Infolge der Begegnung verlor sie die meisten ihrer Sterne und ihrer Gasvorkommen – ein „fast nacktes“ supermassives Schwarzes Loch.

Der davonrasende Überrest wird den Forschern zufolge wahrscheinlich weiter Masse verlieren und aufhören neue Sterne zu bilden. „In einer Milliarde Jahren oder so wird er vermutlich unsichtbar sein“, sagte Condon. Das bedeutet, dass es noch viel mehr solcher von galaktischen Begegnungen zurückgelassenen Objekte geben könnte, die Astronomen nicht registrieren können.

Die Wissenschaftler werden jedoch weiterhin Ausschau halten. Sie beobachten mehr Objekte mit einem Langzeitprojekt am VLBA. Weil ihr Projekt nicht termingebunden sei, können sie „Füllzeit“ nutzen, wenn das Teleskop nicht für andere Beobachtung gebraucht werde, erklärte Condon.

„Die Daten, die wir vom VLBA bekommen, sind von sehr hoher Qualität. Wir erhalten die Positionen der supermassiven Schwarzen Löcher mit extrem guter Genauigkeit. Unser begrenzender Faktor ist die Präzision der Position der Galaxien in anderen Wellenlängen, die wir zum Vergleich nutzen“, sagte Condon. Mit neuen optischen Teleskopen, die in den kommenden Jahren in Betrieb gehen, beispielsweise dem Large Synoptic Survey Telescope (LSST), werden sie dann bessere Bilder zur Verfügung haben, die mit den VLBA-Bildern verglichen werden können. Sie hoffen, dass dies ihnen ermöglichen wird, weitere Objekte wie B3 1714+425 zu entdecken. „Und vielleicht auch einige der Doppelsysteme aus zwei supermassiven Schwarzen Löchern, die wir ursprünglich gesucht haben“, sagte er.

Condon arbeitete mit Jeremy Darling von der University of Colorado zusammen, sowie mit Yuri Kovalev vom Astro Space Center des Lebedev Physical Institute in Moskau und Leonid Petrov vom Astrogeo Center in Falls Church (Virginia). Die Wissenschaftler berichten im Astrophysical Journal über ihre Ergebnisse.

Das VLBA, im Betrieb seit 1993, ist jetzt Teil des Long Baseline Observatory. Es nutzt zehn 25-Meter-Antennen, die von Hawaii bis St. Croix in der Karibik verteilt sind. Es wird vom Domenici Science Operations Center des NRAO in Socorro (New Mexico) betrieben. Alle zehn Antennen arbeiten gemeinsam als ein einziges Teleskop mit dem größten Auflösungsvermögen, das der Astronomie zur Verfügung steht. Diese einzigartige Fähigkeit hat bahnbrechende Beiträge für zahlreiche Forschungsgebiete hervorgebracht – von der irdischen Plattentektonik über Klimaforschung und Raumsondennavigation bis hin zur Kosmologie.

Das Long Baseline Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation und wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags von Associated Universities, Inc. betrieben.

Quelle

(THK)

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