Bok-Globule reflektiert Röntgenstrahlung der Quelle Cygnus X-3

Die Röntgenquelle Cygnus X-3 mit ihrer nahen Gaswolke Little Friend und zwei Materiejets. (X-ray: NASA / CXC / SAO / M. McCollough et al, Radio: ASIAA / SAO / SMA)
Die Röntgenquelle Cygnus X-3 mit ihrer nahen Gaswolke Little Friend und zwei Materiejets. (X-ray: NASA / CXC / SAO / M. McCollough et al, Radio: ASIAA / SAO / SMA)

Dieses Bild ist eine Momentaufnahme des stellaren Lebenskreislaufs, aufgenommen vom Chandra X-ray Observatory der NASA und dem Submillimeter Array (SMA) des Smithsonian Astrophysical Observatory. Eine sternbildende Wolke reflektiert Röntgenstrahlung von Cygnus X-3, einer Röntgenquelle, wo ein massereicher Stern langsam von seinem Begleiter (einem Schwarzen Loch oder einem Neutronenstern) aufgezehrt wird. Diese Entdeckung bietet eine neue Möglichkeit, um zu untersuchen, wie Sterne entstehen.

Im Jahr 2003 nutzten Astronomen Chandras hochauflösenden Röntgenblick, um eine rätselhafte Röntgenquelle zu finden, die sich sehr nahe an Cygnus X-3 befindet. Der scheinbare Abstand dieser beiden Quellen am Himmel ist vergleichbar mit der Größe eines Pennys in einer Entfernung von etwa 253 Metern. Im Jahr 2013 berichteten Astronomen, dass es sich bei der neuen Quelle um eine Wolke aus Gas und Staub handelt.

In astronomischen Maßstäben ist diese Wolke recht klein: Ihr Durchmesser beträgt rund 0,7 Lichtjahre. Astronomen erkannten, dass diese Wolke als Spiegel agiert und einen Teil der von Cygnus X-3 erzeugten Röntgenstrahlen in Richtung Erde reflektiert.

“Wir gaben diesem Objekt den Spitznamen ‘Little Friend’ (‘Kleiner Freund’), weil es eine schwache Röntgenquelle neben einer sehr hellen Quelle ist und weil sie ähnliche Veränderungen zeigte”, sagte Michael McCollough vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) in Cambridge (Massachusetts). Er leitete die neueste Studie über dieses System.

Die Chandra-Beobachtungen aus dem Jahr 2013 sprachen dafür, dass der Little Friend eine Masse zwischen zwei und 24 Sonnenmassen aufweist. Das lässt darauf schließen, dass die Wolke eine “Bok-Globule” ist – eine kleine, dichte Wolke, in der junge Sterne geboren werden können. Allerdings wurden weitere Belege dafür gebraucht.

Um die Natur des Little Friend zu bestimmen, nutzten Astronomen das SMA, eine Netzwerk aus acht Radioantennen auf dem Gipfel des Mauna Kea (Hawaii). Das SMA registrierte Kohlenstoffmonoxidmoleküle – das ist ein wichtiger Beleg dafür, dass der Little Friend tatsächlich eine Bok-Globule ist. Die SMA-Daten offenbarten außerdem die Anwesenheit eines Jets innerhalb des Little Friend. Das ist ein Hinweis darauf, dass sich in der Wolke ein Stern zu bilden beginnt.

“Normalerweise untersuchen Astronomen Bok-Globulen, indem sie die von ihnen erzeugten Radioemissionen beobachten, oder das sichtbare Licht, das von ihnen blockiert wird”, sagte die Co-Autorin Lia Corrales vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (Massachusetts). “Mit dem Little Friend können wir diesen interstellaren Kokon auf eine neue Weise erforschen, indem wir Röntgenstrahlung verwenden. Das ist das erste Mal, dass wir in der Lage sind, dies mit einer Bok-Globule zu machen.” Mit einer geschätzten Distanz von fast 20.000 Lichtjahren ist der Little Friend zudem die am weitesten entfernte Bok-Globule, die bisher beobachtet wurde.

Die Eigenschaften von Cygnus X-3 und die Nähe zu Little Friend bieten auch eine Gelegenheit, um eine präzise Entfernungsmessung durchzuführen – etwas, das in der Astronomie oft sehr schwierig ist. Seit den frühen 1970er Jahren haben Astronomen eine regelmäßige 4,8-Stunden-Variation in den Röntgenemissionen von Cygnus X-3 beobachtet. Little Friend agiert als Röntgenspiegel und zeigt dieselbe Variation – aber leicht verzögert, weil die Strecke, welche die reflektierten Röntgenstrahlen zurücklegen, länger ist als eine direkte Linie von Cygnus X-3 zur Erde.

Durch die Messung der Zeitverzögerung in der periodischen Variation zwischen Cygnus X-3 und Little Friend konnten die Astronomen die Distanz zwischen der Erde und Cygnus X-3 auf etwa 24.000 Lichtjahre bestimmen.

Weil Cygnus X-3 einen massereichen, kurzlebigen Stern enthält, denken Wissenschaftler, dass das System aus einer Region der Galaxie stammen muss, wo wahrscheinlich noch immer Sterne entstehen. Diese Regionen werden nur in den Spiralarmen der Milchstraßen-Galaxie gefunden. Cygnus X-3 liegt jedoch außerhalb aller Spiralarme der Milchstraßen-Galaxie.

“In mancher Hinsicht ist es eine Überraschung, dass wir Cygnus X-3 dort fanden, wo wir es fanden”, sagte der Co-Autor Michael Dunham vom CfA und der State University of New York in Fredonia. “Wir erkannten, dass während seiner Frühzeit etwas ziemlich Ungewöhnliches geschehen sein muss, um es auf so einen wilden Ritt zu schicken.”

Die Forscher vermuten, dass die Supernova-Explosion, die entweder das Schwarze Loch oder den Neutronenstern in Cygnus X-3 entstehen ließ, das Doppelsternsystem von seinem ursprünglichen Geburtsort fortkatapultiere. Unter der Voraussetzung, dass Cygnus X-3 und Little Friend nahe beieinander entstanden, schätzen sie, dass Cygnus X-3 mit einer Geschwindigkeit zwischen 640.000 und 3,2 Millionen Kilometern pro Stunde fortgeschleudert worden sein muss. Eine Abhandlung, die diese Ergebnisse beschreibt, erschien in einer neuen Ausgabe der Astrophysical Journal Letters und ist online verfügbar.

Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) leitet das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate der Agentur in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.

Quelle

(THK)

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