Die Orion-Molekülwolke ist ein großer Komplex aus heißen, jungen Sternen, Nebeln und dunklen Wolken aus Gas und Staub im Sternbild Orion. Zwei besonders bekannte Sehenswürdigkeiten am Nachthimmel, der Orionnebel und der Pferdekopfnebel, sind Mitglieder dieses Komplexes, der uns relativ nahe liegt und nur etwa 1.500 Lichtjahre entfernt ist.
Trotz seiner Berühmtheit, Helligkeit und relativen Nähe ist dieser Komplex allerdings nicht sehr gut verstanden. Man nehme beispielsweise seine Sternentstehung. Die jeweiligen Rollen der lokalen Bedingungen im Vergleich zu den galaxieweiten Bedingungen sind schlecht simuliert. Das gilt insbesondere für die Beiträge der kleinräumigen Prozesse wie Magnetfeldern und Turbulenzen, wenn man sie mit der großräumigen Aktivität wie dem Gasdruck oder den Strömungsbewegungen des Gases innerhalb der galaktischen Spiralarme vergleicht. Ein Grund für diesen Verständnismangel ist, dass der Nebel mit Sternen und Aktivität übersät ist, während sein Staub viele seiner Regionen vor Beobachtungen im sichtbaren Licht abschirmt.
Die Astronomen Viviana Guzman und Karin Öberg vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) waren Teil eines 14-köpfigen Astronomenteams, das das IRAM Millimeter-Teleskop nutzte, um die Orion-B-Riesenmolekülwolke innerhalb des Orion-Komplexes zu kartieren. Die Forscher erfassten dabei fast ein volles Grad scheinbarer Größe am Himmel in mehr als einem Dutzend Moleküllinien. Zum Vergleich: Die scheinbare Größe des Vollmondes am Himmel beträgt etwa ein halbes Grad.
Orion-B ist eine typische Riesenmolekülwolke und kann als nützliches Beispiel für andere Riesenmolekülwolken in der Milchstraßen-Galaxie und in anderen Galaxien dienen. In dieser rund 25 Lichtjahre großen Region findet man ein breites Spektrum an Bedingungen, und daher können die Wissenschaftler eine statistisch signifikante Aufstellung der Aktivitäten in der Region durchführen.
Eine der Schlüsselfragen, die Astronomen durch Messungen von klein- und großräumigen Gaseigenschaften in diesem Beispiel lösen wollen, ist der lineare Maßstab, der benötigt wird, um die Charakteristika der Sternentstehung korrekt abzuleiten. In extragalaktischen Untersuchungen zur Sternentstehung sind kleinräumige Messungen normalerweise nicht möglich. Bis zu welchem Ausmaß sind etwa die Interpretationen der Emissionslinienverhältnisse fehleranfällig?
Die aktuelle Untersuchung der molekularen Anatomie dieses Komplexes offenbart die detaillierten Zusammenhänge zwischen dem Gas und dem Staub und beziffert, wie die räumlich variierenden Stärken der Moleküllinien die physikalischen Bedingungen enthüllen. Die visuelle Abschwächung variiert von Ort zu Ort mit Werten, die sogar bei langen Infrarotwellenlängen zwischen praktisch Null und nahezu vollständig liegen.
Das Team berichtet, dass die Menge des molekularen Gases an jedem Ort eng mit der Abschwächung zusammenhängt – das stimmt mit dem Bild überein, dass mehr Abschwächung auch mehr Staub und damit auch mehr Gas bedeutet.
Die Forscher stellten auch einen Zusammenhang mit der Bestrahlung durch ultraviolettes Licht von massereichen, jungen Sternen an den Rändern der Karte fest, aber keine einfache Korrelation zwischen den Gasdichten und dem Anteil des emittierten Lichts. Die Abhandlung kommt zu dem Schluss, dass die Beziehungen zwischen den Emissionslinien und der Umgebung der Riesenmolekülwolke komplizierter sind als bislang angenommen. Sie betont beispielsweise die Bedeutung der lokalen Chemie bei der Bestimmung der Intensität der Emissionen hier und in anderen Galaxien.
Abhandlung: „The Anatomy of the Orion B Giant Molecular Cloud: A Local Template for Studies of Nearby Galaxies“ von Jérôme Pety, Viviana V. Guzmán, Jan H. Orkisz, Harvey S. Liszt, Maryvonne Gerin, Emeric Bron, Sébastien Bardeau, Javier R. Goicoechea, Pierre Gratier, Franck Le Petit, François Levrier, Karin I. Öberg, Evelyne Roue und Albrecht Sievers, Astronomy & Astrophysics 599, 98, 2017.
(THK)
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