Neue Erkenntnisse über den Polarstern Polaris

Das Dreifachsystem mit Polaris Aa, Polaris Ab und Polaris B, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. (Credits: NASA, ESA, N. Evans (Harvard-Smithsonian CfA), and H. Bond (STScI))
Das Dreifachsystem mit Polaris Aa, Polaris Ab und Polaris B, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble. (Credits: NASA, ESA, N. Evans (Harvard-Smithsonian CfA), and H. Bond (STScI))

Polaris, der Nordstern oder Polarstern, ist ein Veränderlicher des Cepheiden-Typs: ein Stern, dessen Masse, Alter und physikalische Eigenschaften Schwankungen mit einer Periode verursachen, die proportional zu seiner Leuchtkraft ist. Diese außergewöhnlich hilfreiche Eigenschaft von Cepheiden, entdeckt und kalibriert ab 1908 von Henrietta Leavitt am Harvard College Observatory, ermöglicht ihre Verwendung als kosmische Distanzmesser. Aus Vergleichen der Leuchtkraft anhand der Periode (die leicht gemessen werden kann) mit der gemessenen Helligkeit kann im Prinzip eine präzise Entfernung abgeleitet werden. Dieser Zusammenhang ist als Perioden-Leuchtkraft-Beziehung bekannt.

Cepheiden in nahen Galaxien, die sich von uns entfernen, liefern die Grundlage für die berühmte Entfernungs-Geschwindigkeits-Beziehung von Galaxien, die das Modell des expandierenden Universums (das “Urknallmodell”) untermauern. Cepheiden sind so wichtig, dass sie auch zu einer Bezugsgröße für Überprüfungen unserer Erkenntnisse zur stellaren Entwicklung wurden.

Polaris ist nicht nur als Wegweiser für frühe Navigatoren bekannt, sondern ist als der nächstgelegene Stern des Cepheiden-Typs (445,5 Lichtjahre entfernt) auch Gegenstand intensiver Forschung. Er ist Mitglied eines Dreifachsystems, und eine Quelle der Unklarheit bezüglich seiner Entwicklung war das Ausmaß, in dem seine Begleitsterne seine Entwicklung beeinflusst haben könnten. Der Stern, den wir mit dem bloßen Auge sehen – Polaris Aa – besitzt einen nahen Begleiter namens Polaris Ab, der ihn in 29,59 Tagen umkreist. Ein dritter Stern namens Polaris B umkreist diese beiden Sterne, aber ist hundert Mal weiter entfernt. Zwei weitere nahe Sterne, Polaris C und D, könnten ebenfalls schwache Begleiter sein.

Die Astronomen Nancy Remage Evans, Margarita Karovska und Evan Tingle vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) leiteten ein Team, das Polaris seit 2005 mit dem Weltraumteleskop Hubble beobachtete. Mit den Bildern waren sie in der Lage, die beiden Sterne Polaris Aa und Ab aufzulösen und ihren scheinbaren Abstand zu verfolgen, der im Verlauf der gegenseitigen Umkreisung variiert. Die neueste Abstandsmessung für diese beiden Sterne bei ihrer gegenseitigen Umkreisung auf elliptischen Umlaufbahnen ergibt einen Wert von nur zwölf Astronomischen Einheiten – das entspricht ungefähr der Entfernung zwischen der Sonne und Saturn. Sie haben jetzt die neu veröffentlichten Daten der Gaia-Mission in ihre Ergebnisse einbezogen. Gaia ist ein Weltraumteleskop, das die Entfernungen zu mehr als einer Milliarde Sternen präzise neu gemessen hat.

Die Distanz zu Polaris (der oben erwähnte Wert stammt von Gaia) behebt eine lange bestehende Unsicherheit hinsichtlich seiner Entfernung, die frühere Autoren mit Werten zwischen 326 und 522 Lichtjahren angaben. Die neue verlässliche Distanzmessung legt auch die Leuchtkraft fest und ermöglicht dadurch eine sorgfältigere Kalibrierung der Perioden-Leuchtkraft-Beziehung von Polaris.

Schematische Darstellung der Umlaufbahn von Polaris Ab um den hellen Cepheiden Polaris Aa. (Credits: Evans et al. 2018)
Schematische Darstellung der Umlaufbahn von Polaris Ab um den hellen Cepheiden Polaris Aa. (Credits: Evans et al. 2018)

Die Situation entspricht nicht dem, was Astronomen bislang angenommen hatten. Polaris besitzt eine wesentlich geringere Masse (3,45 Sonnenmassen mit einer Unsicherheit von 22 Prozent), als von konventionellen Cepheiden-Modellen vorausgesagt wurde (ein Wert war nah an sieben Sonnenmassen). Es gibt auch Hinweise darauf, dass Polaris Aa einen Masseverlust erfahren hat, so dass er etwas älter ist, als anhand der Modelle erwartet worden war, und dass seine Entwicklung aufgrund eines früheren Verschmelzungsereignisses innerhalb des Dreifachsystems in der Tat sehr kompliziert war.

Obwohl diese entscheidenden Sachverhalte die allgemeinen Schlussfolgerungen aus Sternen des Cepheiden-Typs nicht wesentlich verändern, zeigen sie, dass weitere Verfeinerungen unserer Erkenntnisse über Cepheiden für eine genauere und unmissverständliche Perioden-Leuchtkraft-Beziehung unbedingt benötigt werden. Die längere Beobachtung der Umlaufbahnen wird dabei helfen.

Abhandlung: “The Orbit of the Close Companion of Polaris: Hubble Space Telescope Imaging, 2007 to 2014” von Nancy Remage Evans, Margarita Karovska, Howard E. Bond, Gail H. Schaefer, Kailash C. Sahu, Jennifer, Edmund P. Nelan, Alexandre Gallenne und Evan D. Tingle, ApJ 863, 187, 2018.

Quelle

(THK)

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