
Durch jahrzehntelange Forschung haben Astronomen ein klareres Bild der chaotischen und dichten Nachbarschaft in der Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie entwickelt. Das Zentrum unserer Galaxie liegt rund 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt, und das dortige supermassive Schwarze Loch, bekannt als Sagittarius A*, besitzt etwa vier Millionen Sonnenmassen.
Wir wissen jetzt, dass die Region mit umherziehenden Sternen, interstellaren Staubwolken und einem großen Reservoir an sehr heißen und relativ kühlen Gasen übersät ist. Man vermutet, dass diese Gase das Schwarze Loch in einer ausgedehnten Akkretionsscheibe umkreisen, die sich ein paar Zehntel eines Lichtjahrs vom Ereignishorizont des Schwarzen Lochs erstreckt.
Bislang waren Astronomen allerdings nur in der Lage, den heißen Anteil dieses Gasstroms abzubilden, der eine grob kugelförmige Gestalt aufweist und keine offensichtliche Rotation zeigte. Seine Temperatur wird auf ungefähr 10 Millionen Grad Celsius geschätzt – das entspricht zwei Dritteln der Temperatur im Kern unserer Sonne. Bei dieser Temperatur leuchtet das Gas stark im Röntgenbereich, weshalb es mit weltraumgestützten Röntgenteleskopen bis in eine Größenordnung von einem Zehntel Lichtjahr um das Schwarze Loch untersucht werden kann.
Neben diesem heißen, leuchtenden Gas haben frühere Beobachtungen mit Teleskopen im Millimeterwellenlängenbereich innerhalb weniger Lichtjahre um das Schwarze Loch eine große Menge relativ kühles Wasserstoffgas registriert (ca. 10.000 Grad Celsius). Der Beitrag dieses kühleren Gases zum Akkretionsstrom auf das Schwarze Loch war bisher unbekannt.
Obwohl das Schwarze Loch in unserem galaktischen Zentrum relativ ruhig ist, ist die Strahlung in seiner Umgebung stark genug, damit Wasserstoffatome ständig ihre Elektronen verlieren und sich mit ihnen rekombinieren. Diese Rekombination produziert ein charakteristisches Signal im Millimeterwellenlängenbereich, das die Erde mit nur sehr wenig Verlusten erreichen kann.

Dank seiner bemerkenswerten Empfindlichkeit und seiner Fähigkeit, feine Details zu erkennen, konnte das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) dieses schwache Radiosignal registrieren und das erste Bild der kühleren Gasscheibe erstellen, die nur ein hundertstel Lichtjahr von dem supermassiven Schwarzen Loch entfernt ist. Das entspricht ungefähr dem Tausendfachen der Distanz zwischen Sonne und Erde. Diese Beobachtungen ermöglichten den Astronomen, sowohl die Position des Gases zu kartieren als auch dessen Bewegung zu verfolgen. Die Forscher schätzen, dass die Menge des Wasserstoffs in dieser kühlen Scheibe etwa einem Zehntel der Jupitermasse entspricht oder einem Zehntausendstel der Sonnenmasse.
Indem sie die Verschiebungen der Wellenlängen in diesem Radiosignal aufgrund des Doppler-Effekts kartierten, konnten die Astronomen deutlich erkennen, dass das Gas um das Schwarze Loch rotiert. (Der Doppler-Effekt des Lichts beschreibt den Sachverhalt, dass das Licht von sich nähernden Objekten blauverschoben ist, während das Licht von sich entfernenden Objekten in den rötlichen Bereich des Spektrums verschoben wird.) Diese Informationen werden neue Einblicke in die Art und Weise erlauben, wie Schwarze Löcher Materie verschlingen, und das komplexe Wechselspiel zwischen einem Schwarzen Loch und seiner galaktischen Nachbarschaft offenbaren.
„Wir waren die ersten, die diese schwer nachweisbare Scheibe abgebildet und ihre Rotation untersucht haben“, sagte Elena Murchikova vom Institute for Advanced Study in Princeton (New Jersey), die Hauptautorin der Studie. „Wir untersuchen auch die Akkretion auf das Schwarze Loch. Das ist wichtig, weil dies das uns am nächsten gelegene supermassive Schwarze Loch ist. Trotzdem verstehen wir noch nicht gut, wie der Akkretionsprozess funktioniert. Wir hoffen, dass diese neuen ALMA-Beobachtungen dabei helfen werden, dem Schwarzen Loch einige seiner Geheimnisse zu entlocken.“
Das National Radio Astronomy Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation und wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags von Associated Universities, Inc. betrieben.
(THK)
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