Das dünn verteilte heiße Gas, das man heute zwischen den Galaxien findet, das sogenannte intergalaktische Medium, ist ionisiert. Das junge Universum begann heiß, aber expandierte dann rasch und erlaubte seinem Hauptbestandteil – Wasserstoff – abzukühlen, um neutrale Atome zu bilden. Wann und wie wurden diese neutralen Atome erneut ionisiert, um das intergalaktische Medium zu bilden, das wir heute beobachten? Astronomen vermuten, dass die von massereichen Sternen emittierte ultraviolette Strahlung diese Arbeit übernahm, als Sterne entstanden und während dieser Ära leuchteten, welche nach dieser Aktivität als Reionisierungsepoche bezeichnet wird.
Einer der Schlüsselschritte bei der Reionisierung des intergalaktischen Mediums ist das Entkommen der ultravioletten Strahlung aus den Galaxien hinein in das intergalaktische Medium, aber dies ist nicht gut verstanden. Astronomen wissen nur, dass es effizient gewesen sein muss, weil nur dann, wenn der Anteil der entkommenen Strahlung hoch genug ist, das Sternenlicht diese Arbeit hätte erledigen können. Sternbildende Galaxien sind allerdings reich an dichtem, molekularen Gas und Staub und dieser Staub absorbiert ebenfalls einen Großteil der ultravioletten Strahlung.
Das spricht dafür, dass eine andere entscheidende Quelle ionisierender Strahlung erforderlich ist. Spekulationen umfassen die mögliche Existenz von exotischen Objekten wie schwachen Quasaren, Röntgendoppelsternen oder sogar zerfallende oder sich gegenseitig auslöschende Teilchen. Es gibt bislang jedoch nur wenig Belege dafür, dass etwas davon so häufig vorhanden war, um die Arbeit zu übernehmen.
Die Astronomen Rohan Naidu, Sandro Tacchella, Charlotte Mason, Sownak Bose und Charlie Conroy vom CfA leiteten ein Projekt, um den unsichersten (und den am schwersten direkt zu messenden) Parameter in diesem Rätsel besser abzuschätzen: Den Anteil der entkommenden ionisierenden Photonen. Sie verglichen Messungen und Modelle der beiden anderen beteiligten Schlüsselprozesse: der Sternentstehungsrate in den Galaxien und der Anzahl der erzeugten ultravioletten Photonen.
Die Forscher bezogen diese Prozesse ein, um den Anteil der entkommenden Photonen einzugrenzen, so dass das Modell schlüssig wird. Die Messungen sind nicht widersprüchlich, aber die Modelle weichen davon ab und die Wissenschaftler wählten aus zwei Typen aus: Modelle, in denen der Anteil während der Reionisierungsepoche konstant ist und Modelle, in denen er von der Sternentstehungsrate abhängt.
Die Astronomen ziehen mehrere wichtige Schlussfolgerungen. Der Anteil der entkommenden Photonen (zumindest bei hellen Galaxien) muss im jungen Universum etwa 20 Prozent betragen, rund doppelt soviel wie vorher angenommen. Sie argumentieren, dass dies passieren könnte, weil konzentrierte Sternentstehungsregionen Kanäle erzeugen können, durch die das ultraviolette Licht entkommt. Mittels kosmologischen Simulationen stellten sie auch fest, dass sich das junge Universum in nur 300 Millionen Jahren von 90 Prozent neutralem Gas zu zehn Prozent neutralem Gas wandelt.
Nicht zuletzt schlussfolgern sie, dass der Großteil der Reionisierung durch eine kleine Anzahl der massereichsten und leuchtstärksten Galaxien erfolgte, die sie als “Oligarchen” bezeichnen. Frühere Studien hatten vorgeschlagen, dass es eine große Population schwacher Galaxien gab, die dies hätte bewerkstelligen können, aber die neuen Ergebnisse stimmen dem nicht zu und besagen, dass eine solche Population bereits entdeckt worden wäre.
Abhandlung: “Rapid Reionization by the Oligarchs: The Case for Massive, UV-bright, Star-forming Galaxies with High Escape Fractions” von Rohan P. Naidu, Sandro Tacchella, Charlotte A. Mason, Sownak Bose, Pascal A. Oesch und Charlie Conroy, The Astrophysical Journal 892, 109, 2020.
(THK)
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