Ein Forschungsteam unter Leitung von Mitarbeitern des Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe (Kavli IPMU) hat zuvor gesammelte Daten analysiert, um die wahre Natur eines kompakten Objekts abzuleiten. Es handelt sich um einen rotierenden Magnetar, einen Neutronensterntyp mit einem extrem starken Magnetfeld, der sich innerhalb des hellsten Gammadoppelsternsystems in der Galaxie befindet, LS 5039.
Das Team vermutet auch, dass der Teilchenbeschleunigungsprozess in LS 5039 durch Wechselwirkungen zwischen den dichten Sternwinden seines massereichen Hauptsterns und ultrastarken Magnetfeldern des rotierenden Magnetars verursacht wird. Zu dem Team gehörten der frühere Doktorand Hiroki Yoneda, der Seniorforscher Kazuo Makishima und der leitende Wissenschaftler Tadayoki Takahashi vom Kavli IMPU.
Gammadoppelsterne bestehen aus einem massereichen, hochenergetischen Stern und einem kompakten Stern. Sie wurden erst im Jahr 2004 entdeckt, als Beobachtungen hochenergetischer Gammastrahlen im Teraelektronenvolt-Bereich von ausreichend großen Himmelsregionen möglich wurden. In sichtbaren Wellenlängen betrachtet, erscheinen Gammadoppelsterne als helle, blauweiße Sterne und sind von anderen Doppelsternsystemen, die einen massereichen Stern enthalten, nicht zu unterscheiden.
Wenn sie allerdings im Röntgen- und Gammabereich beobachtet werden, unterscheiden sich ihre Eigenschaften deutlich von jenen anderer Doppelsternsysteme. In diesen Energiebändern sind gewöhnliche Doppelsternsysteme komplett unsichtbar, aber Gammadoppelsterne produzieren intensive, nicht-thermale Emissionen, und ihre Intensität scheint mit ihren Umlaufperioden von mehreren Tagen bis mehreren Jahren anzusteigen und abzunehmen.
Als sich die Gammadoppelsterne erst einmal als eine neue astrophysikalische Objektklasse etabliert hatten, erkannte man schnell, dass in ihnen ein extrem effizienter Beschleunigungsmechanismus ablaufen sollte. Die Beschleunigung von Teilchen im Teraelektronenvolt-Bereich erfordert zig Jahre in Supernova-Überresten, die als kosmische Beschleuniger gut bekannt sind. Gammadoppelsterne dagegen beschleunigen die Elektronen in nur wenigen Sekunden auf Werte jenseits von einem Teraelektronenvolt. Deswegen können Gammadoppelsterne als einer der effizientesten Teilchenbeschleuniger im Universum angesehen werden.
Darüber hinaus emittieren manche Gammadoppelsterne starke Gammastrahlen mit Energien von mehreren Megaelektronenvolt. Gammastrahlen in diesem Energiebereich sind momentan schwer zu beobachten. Sie wurden erst bei rund 30 Himmelskörpern am gesamten Himmel registriert. Aber die Tatsache, dass solche Gammadoppelsterne sogar in diesem Energiebereich starke Strahlung emittieren, macht sie noch rätselhafter. Es deutet darauf hin, dass in ihnen ein extrem effektiver Teilchenbeschleunigungsprozess abläuft.
In der Milchstraßen-Galaxie wurden bislang etwa zehn Gammadoppelsterne entdeckt – verglichen mit mehr als 300 bekannten Röntgendoppelsternen. Warum Gammadoppelsterne so selten sind, ist unklar, und die wahre Natur ihres Beschleunigungsmechanismus war tatsächlich ein Rätsel – bis jetzt.
Aus früheren Studien ging bereits hervor, dass ein Gammadoppelstern im Grunde aus einem massereichen Hauptstern mit 20-30 Sonnenmassen und einem kompakten Begleitstern besteht. Aber es war in vielen Fällen nicht klar, ob der kompakte Stern ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern ist. Das Forschungsteam begann seinen Ansatz, indem es herausfand, was der Normalfall ist.
Einer der besten direkten Belege für die Präsenz eines Neutronensterns ist der Nachweis von periodischen, schnellen Pulsationen, die mit der Rotation des Neutronensterns zusammenhängen. Die Beobachtung solcher Pulsationen bei einem Gammadoppelsterns schließt das Schwarze-Loch-Szenario fast zweifellos aus.
In diesem Projekt konzentrierte sich das Team auf das im Jahr 2005 entdeckte System LS 5039, das nach wie vor seinen Spitzenplatz als der hellste Gammadoppelstern im Röntgen- und Gammabereich hält. Ursprünglich vermutete man aufgrund seiner stabilen Röntgen- und Gammastrahlung, dass dieser Gammadoppelstern einen Neutronenstern enthält. Die Versuche, mit Radiowellen und weichen Röntgenstrahlen solche Pulsationen nachzuweisen, waren jedoch bis jetzt nicht erfolgreich, weil Radiowellen und weiche Röntgenstrahlen durch die Sternwinde des Hauptsterns beeinflusst werden.
Dann konzentrierte sich das Team erstmals auf das harte Röntgenband (>10KeV) und Beobachtungsdaten von LS 5039, gesammelt vom Hard X-ray Detector (HXD) an Bord des Weltraumobservatoriums Suzaku (9.-15. September 2007) und von NuSTAR (1.-5. September 2016). Die sechstägige Beobachtungsperiode von Suzaku war in der Tat die längste, die harte Röntgenstrahlung nutzte.
Obwohl beide Beobachtungen sieben Jahre auseinanderliegen, lieferten sie Belege für einen Neutronenstern im Zentrum von LS 5039: das periodische Signal von Suzaku mit einer Periode von etwa neun Sekunden. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Signal aus statistischen Fluktuationen hervorging, beträgt nur 0,1 Prozent. NuSTAR zeigte ebenfalls ein sehr ähnliches Pulsationssignal, wenngleich die Signifikanz geringer war. Die NuSTAR-Daten sind nur vorläufig. Durch die Kombination der Ergebnisse konnte abgeleitet werden, dass sich die Rotationsperiode um 0,001 Sekunden pro Jahr erhöht.
Basierend auf der abgeleiteten Rotationsperiode und deren Zunahme schloss das Team die rotationsgetriebenen und beschleunigungsgetriebenen Szenarien aus und stellte fest, dass die magnetische Energie des Neutronensterns die Energiequelle ist, die LS 5039 versorgen kann. Das erforderliche Magnetfeld erreicht 1011Tesla, was drei Größenordnungen höher als bei typischen Neutronensternen ist. Dieser Wert wird bei sogenannten Magnetaren gefunden, einer Unterklasse von Neutronensternen, deren Mitglieder ein solch extremes Magnetfeld aufweisen.
Die Pulsperiode von neun Sekunden ist typisch für Magnetare, und dieses starke Magnetfeld hindert die stellaren Winde des Hauptsterns daran, von dem Neutronenstern eingefangen zu werden. Das kann erklären, warum LS 5039 keine Eigenschaften ähnlich wie ein Röntgenpulsar zeigt, wo die stellaren Winde von dem Begleitstern eingefangen werden. Röntgenpulsare treten normalerweise in Röntgendoppelsternen auf.
Interessanterweise wurden die bislang gefundenen 30 Magnetare alle als isolierte Sterne gefunden, daher wurde ihre Existenz in Gammadoppelsternen nicht als gängige Theorie betrachtet. Neben dieser neuen Hypothese schlägt das Team eine Quelle vor, die die nicht-thermalen Emissionen in LS 5039 versorgt: Sie vermuten, dass die Emission durch eine Wechselwirkung zwischen den Magnetfeldern des Magnetars und dichten stellaren Winden erzeugt wird. Ihre Berechnungen sprechen dafür, dass die Gammastrahlen mit Energien von mehreren Megaelektronenvolt stark emittiert werden können, wenn sie innerhalb einer Region eines extrem starken Magnetfeldes in der Nähe eines Magnetars produziert wurden.
Diese Ergebnisse lösen möglicherweise das Rätsel der Natur des kompakten Objekts in LS 5039 und den zugrundeliegenden Mechanismus, der das Doppelsternsystem versorgt. Allerdings werden weitere Beobachtungen und eine Verfeinerung der Forschung benötigt, um neues Licht auf ihre Ergebnisse zu werfen.
(THK)
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