Neue Einblicke in den Hyperriesen VY Canis Majoris

Künstlerische Darstellung des Hyperriesen VY Canis Majoris. (Credits: NASA / ESA / Hubble / R. Humphreys, University of Minnesota / J. Olmsted, STScI)
Künstlerische Darstellung des Hyperriesen VY Canis Majoris. (Credits: NASA / ESA / Hubble / R. Humphreys, University of Minnesota / J. Olmsted, STScI)

Ein von der University of Arizona geleitetes Astronomenteam hat ein detailliertes, dreidimensionales Bild eines sterbenden Hyperriesen erstellt. Das Team um Ambesh Singh und Lucy Ziurys von der University of Arizona verfolgte die Verteilung, die Richtungen und die Geschwindigkeiten einer Vielzahl von Molekülen um einen roten Hyperriesen namens VY Canis Majoris.

Die Ergebnisse präsentierten sie am 13. Juni 2022 auf dem 240. Treffen der American Astronomical Society in Pasadena (Kalifornien). Sie bieten beispiellose Einblicke in die Prozesse, die den Tod von Riesensternen begleiten. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Robert Humphreys von der University of Minnesota und Anita Richards von der University of Manchester durchgeführt.

Extreme Überriesen, die auch als Hyperriesen bezeichnet werden, sind sehr selten. Es sind nur wenige in der Milchstraßen-Galaxie bekannt. Zu den Beispielen zählen Beteigeuze, der zweithellste Stern im Sternbild Orion, und NML Cygni im Sternbild Schwan, der auch als V1489 Cygni bekannt ist.

Im Gegensatz zu Sternen mit geringeren Massen, die sich nach dem Eintritt in die Roter-Riese-Phase aufblähen, aber im Allgemeinen kugelförmig bleiben, neigen Hyperriesen zu sporadischen Ereignissen, bei denen sie große Mengen Materie abstoßen. Aus diesen Ereignissen gehen komplexe, hochgradig irreguläre Strukturen aus Bögen, Klumpen und Knoten hervor.

VY Canis Majoris (kurz VY CMa) liegt etwa 3.900 Lichtjahre von der Erde entfernt und ist ein pulsierender veränderlicher Stern im Sternbild Canis Major (Großer Hund). Sein Durchmesser beträgt 10-15 Astronomische Einheiten, wobei eine Astronomische Einheit der durchschnittlichen Distanz zwischen der Erde und der Sonne entspricht. VY Canis Majoris ist laut Ziurys möglicherweise der größte Stern in der Milchstraßen-Galaxie.

“Man kann ihn sich wie Beteigeuze auf Steroiden vorstellen”, sagte Ziurys, eine Professorin, die am Department of Chemistry and Biochemistry der University of Arizona und am Steward Observatory tätig ist. “Er ist viel größer, viel massereicher und zeigt etwa alle 200 Jahre gewaltige Masseeruptionen.”

Das Team wählte VY Canis Majoris aus, weil er eines der besten Beispiele für diesen Sterntyp ist. “Wir sind besonders daran interessiert, was Hyperriesen am Ende ihres Lebens tun”, sagte Singh, Doktorand in Ziurys Labor. “Man hatte angenommen, dass diese massereichen Sterne einfach zu Supernovae werden, aber wir sind uns dessen nicht mehr sicher.”

“Wenn das der Fall wäre, sollten wir viel mehr Supernova-Explosionen am Himmel sehen”, sagte Ziurys. “Wir vermuten jetzt, dass sie ruhig zu Schwarzen Löchern kollabieren, aber wir wissen nicht, welche ihr Leben so beenden oder warum und wie das passiert.”

Frühere Hubble-Aufnahmen von VY Canis Majoris und spektroskopische Daten zeigten die Anwesenheit unterscheidbarer Bögen und anderer Klumpen und Knoten an, von denen sich viele bis in eine Entfernung von tausenden Astronomischen Einheiten zu dem Stern erstrecken. Um mehr Details über die Prozesse herauszufinden, durch die Hyperriesen ihr Leben beenden, verfolgte das Team bestimmte Moleküle in der Umgebung des Hyperriesen und kartiere sie auf frühere Bilder des Staubs, die mit dem Weltraumteleskop Hubble aufgenommen wurden.

“Bisher konnte niemand ein vollständiges Bild dieses Sterns erstellen”, sagte Ziurys und erklärte, dass ihr Team die Mechanismen verstehen wollte, durch die der Stern Masse abwirft. Sie scheinen sich von jenen in kleineren Sternen zu unterscheiden, die am Ende ihres Lebens in die Roter-Riese-Phase eintreten.

“Man sieht keinen schönen, symmetrischen Masseverlust, sondern Konvektionszellen, die wie riesige Kugeln durch die Photosphäre des Sterns schießen und Masse in verschiedene Richtungen abstoßen”, sagte Ziurys. “Das ist analog zu den koronalen Bögen, die wir auf der Sonne sehen, nur eine Milliarde Mal größer.”

Das Team nutzte das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile, um eine Vielzahl von Molekülen in Materie verfolgen, die der Stern von seiner Oberfläche abgestoßen hatte. Obwohl manche Beobachtungen noch analysiert werden, wurden bereits vorläufige Karten für Schwefeloxid, Schwefeldioxid, Siliziumoxid, Phosphoroxid und Natriumchlorid erstellt. Anhand dieser Daten konstruierte die Gruppe ein Bild der globalen Molekülabflussstruktur von VY Canis Majoris in Maßstäben, die das gesamte abgestoßene Material des Sterns einschließen.

“Die Moleküle lassen die Bögen in der Hülle erkennen, was uns verrät, dass die Moleküle und der Staub gut durchmischt sind”, sagte Singh. “Das Schöne an den Emissionen von Molekülen in Radiowellenlängen ist, dass sie uns Informationen über die Geschwindigkeit liefern, im Gegensatz zu den statischen Staubemissionen.”

Indem sie die 48 Radioantennen von ALMA in verschiedene Konfigurationen bewegten, konnten die Forscher Informationen über die Richtungen und Geschwindigkeiten der Moleküle gewinnen und sie entlang der verschiedenen Regionen der Hülle des Hyperriesen detailliert kartieren. Sie konnten sogar Zusammenhänge mit verschiedenen Masseauswürfen im Laufe der Zeit herstellen.

Die Verarbeitung der gesammelten Daten erforderte Schwerarbeit in Bezug auf die Rechenleistung. “Bis jetzt haben wir fast ein Terabyte ALMA-Daten verarbeitet und wir erhalten noch Daten, die wir noch sichten müssen, um die bestmögliche Auflösung zu bekommen”, sagte Singh. “Allein die Kalibrierung und die Säuberung der Daten benötigen bis zu 20.000 Iterationen, was für jeden Molekültyp ein oder zwei Tage dauert.”

“Mit diesen Beobachtungen können wir jetzt diese Karten an den Himmel halten”, sagte Ziurys. “Bis jetzt wurden nur kleine Bereiche dieser enormen Struktur untersucht, aber man kann den Massenverlust und die Größe dieser Sterne nicht verstehen, wenn man nicht die gesamte Region betrachtet. Deswegen wollten wir ein vollständiges Bild erstellen.”

Das Team plant die Veröffentlichung der Ergebnisse in einer Reihe von Abhandlungen.

Quelle

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*