In den letzten Tagen wurden in den verschiedensten Social-Media-Kanälen und -gruppen wieder haufenweise Bilder von vermeintlich giftigen Kondensstreifen gepostet. Diese werden von den Anhängern der Verschwörungstheorie als “Chemtrails” bezeichnet und sollen aus schädlichen oder gar giftigen oder gedankenmanipulierenden Substanzen bestehen – je nachdem, welcher Version der Verschwörungstheorie man Glauben schenkt. Der Begriff “Chemtrail” ist dabei an das englische Wort für Kondensstreifen (“Contrail”) angelehnt und soll auf die schädliche Wirkung hinweisen, indem stattdessen der Wortstamm von Chemie eingebunden wird.
Der überzeugende Beweis, der von den Chemtrail-Verfechtern angeführt wird, ist immer derselbe: Die giftigen und schädlichen Chemtrails lösen sich kaum auf, breiten sich stärker aus und sind viel länger sichtbar als die gewöhnlichen und harmlosen Kondensstreifen der Flugzeuge.
Aber kann das sein? Ist eine globale Verschwörung im Gange, die die Menschheit mittels gedankenmanipulierender Chemtrails beeinflussen will? Nun… Nein. Der Grund für die Verbreitung dieser haltlosen Vermutung liegt darin, dass deren Anhänger die Zusammenhänge und Wechselwirkungen innerhalb der Atmosphäre nicht verstehen oder sie (bewusst oder unbewusst) missinterpretieren.
Die Atmosphäre ist ein komplexes und äußerst dynamisches System. Schon eine kleine Änderung eines Parameters kann sichtbare Auswirkungen haben. Und solche Parameter, oder sagen wir mal einflussnehmende Faktoren, gibt es reichlich. Zum Beispiel…
- Luftfeuchtigkeit
- Sättigungsgrad
- Anzahl der Aerosol- und Staubpartikel
- Größe der Aerosol- und Staubpartikel
- Temperatur bzw. Temperaturunterschiede (Gradienten)
- Windgeschwindigkeit(en)
- Windrichtung(en)
… um nur ein paar zu nennen.
Wie bereits erwähnt, ist die Atmosphäre ein komplexes System, das sich aus mehreren Luftschichten aufbaut. In der Praxis gibt es keine klare und undurchdringliche Trennlinie zwischen den einzelnen Schichten, so dass sie innerhalb derselben Schicht horizontal wechselwirken können, aber auch vertikal mit den darüber und darunter liegenden Luftschichten. Die Bedingungen können sich erheblich unterscheiden, so dass zum Beispiel die Windgeschwindigkeit und -richtung in einer Schicht anders sind als in einer anderen Schicht ein paar Hundert Meter darüber oder darunter. Selbiges gilt für die anderen Faktoren. So würde feuchtere Luft mit mehr Aaerosolen oder Staubteilchen für dauerhaftere Kondensstreifen sorgen, als es in trockenerer Umgebung der Fall wäre.
Das ist letztendlich der Grund für die Langlebigkeit und die flächige Ausbreitung mancher Kondensstreifen, während andere Kondensstreifen, die sich scheinbar(!) direkt daneben befinden, sehr begrenzt bleiben und sich schnell auflösen. In Wirklichkeit herrschen dort nur andere Umgebungsbedingungen, die die Entstehung von Kondensstreifen mehr oder weniger begünstigen und deren Aussehen so vielfältig gestalten. Großräumige Änderungen der Wetterlagen, etwa ein durchziehendes Tiefdruckgebiet, haben ebenfalls Einfluss auf die Bedingungen in den unterschiedlichen Luftschichten. In Kombination mit der geometrischen Ausrichtung der Hauptflugrouten und Knotenpunkte führt das zu den bekannten und leider oft fehlinterpretierten Bildern.
Das fehlende Verständnis für grundlegende physikalische Zusammenhänge ist übrigens auch der Nährboden für allerlei andere Verschwörungstheorien und pseudowissenschaftlichen Unsinn, beispielsweise die angeblich vorgetäuschte Mondlandung, die flache Erde, die Hohlerde, freie Energie aus dem Nichts und dergleichen. All das lässt sich bereits mit gewöhnlichem Schulwissen schlüssig widerlegen.
Ergänzungen:
Kurzinformation vom Deutschen Wetterdienst über Chemtrails
(THK)
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