Ein Forschungsteam mit Beteiligung von Physikern und Astronomen der University of Amsterdam hat Gammastrahlen aus der Sagittarius-Zwerggalaxie untersucht, einer kleinen Nachbargalaxie unserer Milchstraßen-Galaxie. Sie zeigten, dass all die beobachtete Gammastrahlung durch Millisekundenpulsare erklärt werden und deswegen nicht als ein verräterischer Hinweis auf die Präsenz von Dunkler Materie dienen kann. Die Ergebnisse wurden diese Woche im Journal Nature Astronomy veröffentlicht.
Das Zentrum unserer Galaxie stößt zwei gigantische Blasen aus Gammastrahlung ab, die 50.000 Lichtjahre groß sind (im nebenstehenden Bild in Magenta dargestellt). Sie wurden vor einem Jahrzehnt mit dem Weltraumteleskop Fermi entdeckt und die Quelle dieses sanduhrförmigen Phänomens bleibt unklar.
Diese Fermi-Blasen sind mit wenigen rätselhaften Unterstrukturen aus sehr hellen Gamma-Emissionen durchsetzt. Einer der hellsten Bereiche, der sogenannte Fermi-Kokon, liegt in der südlichen Blase und wurde ursprünglich für die Folge von Ausbrüchen des supermassiven Schwarzen Lochs in unserer Galaxie gehalten.
Ein Team, zu dem Oscar Macias (University of Amsterdam / Kavli IPMU) sowie Roland Crocker (Australian National University) gehörten, analysierte Daten der Weltraumteleskope Gaia und Fermi, um zu zeigen, dass der Fermi-Kokon in Wirklichkeit durch Emissionen aus der Sagittarius-Zwerggalaxie entstand.
Diese Nachbargalaxie der Milchstraßen-Galaxie liegt von unserer Position auf der Erde aus betrachtet hinter den Fermi-Blasen. Aufgrund ihrer engen Umlaufbahn um unsere Galaxie und frühere Passagen durch die galaktische Scheibe hat sie den Großteil ihres interstellaren Gases verloren, und viele ihrer Sterne wurden aus ihrem Kern in längliche stellare Bänder auseinandergezogen.
Wenn man bedenkt, dass die Sagittarius-Zwerggalaxie ganz ruhig ist – sie besitzt kein Gas und keine Sternentstehungsregionen – gibt es nur wenige Erklärungsmöglichkeiten für ihre Gamma-Emissionen, darunter 1) eine Population unbekannter Millisekundenpulsare oder 2) Auslöschungsprozesse von Dunkler Materie.
Millisekundenpulsare sind die Überreste bestimmter Sterntypen, die deutlich massereicher als die Sonne sind und zu engen Doppelsternsystemen gehören. Infolge ihrer extrem schnellen Rotation emittieren sie kosmische Teilchen. Die von Millisekundenpulsaren emittierten Elektronen kollidieren mit energiearmen Photonen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds und übertragen Energie auf sie, bis sie in den Bereich hochenergetischer Gammastrahlung gelangen.
Crocker, Macias und ihre Mitarbeiter haben überzeugend demonstriert, dass der Gamma-Kokon durch Millisekundenpulsare in der Sagittarius-Zwerggalaxie erklärt wird, was die Dunkle-Materie-Hypothese stark anzweifelt. Diese Entdeckung wirft Licht auf Millisekundenpulsare als effiziente Beschleuniger hochenergetischer Elektronen und Positronen. Sie spricht auch dafür, dass ähnliche physikalische Prozesse in anderen kleinen Begleitgalaxien der Milchstraßen-Galaxie ablaufen könnten. Das ist sehr entscheidend, weil Forscher, die sich mit Dunkler Materie beschäftigen, lange Zeit vermuteten, dass eine Beobachtung von Gammastrahlen aus einer Zwerggalaxie eine verräterische Signatur für eine Auslöschung von Dunkle-Materie-Teilchen darstellen würde.
Diese Studie erzwingt eine Neubetrachtung der Fähigkeit von ruhigen stellaren Objekten wie etwa Zwerggalaxien, hochenergetische Strahlung zu emittieren, sowie ihrer Rolle als Hauptziele für die Suche nach Auslöschungsprozessen von Dunkler Materie.
Studie: „Gamma-ray emission from the Sagittarius dwarf spheroidal galaxy due to millisecond pulsars“ von Roland M. Crocker et al., Nature Astronomy, 2022.
(THK)
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