
Seit vielen Jahren hindert Titans dicke, methan- und stickstoffreiche Atmosphäre Astronomen daran zu sehen, was darunter liegt. Saturns größter Mond erschien in Teleskopen als verschwommener orangefarbener Himmelskörper – im Gegensatz zu anderen kraterübersäten Monden im Sonnensystem.
Im Jahr 2004 durchdrang Cassini – eine Raumsonde, die an Titan vorbeifliegt, während sie Saturn umkreist – den Dunst von Titan und lieferte Wissenschaftlern die ersten detaillierten Bilder der Oberfläche. Radaraufnahmen offenbarten eine eisige Landschaft, die binnen Millionen Jahren von Flüssen aus flüssigem Methan gestaltet wurde, ähnlich wie sich Flüsse aus Wasser in die felsigen Kontinente der Erde gegraben haben.
Während Bilder von Titan seine aktuelle Landschaft enthüllt haben, ist sehr wenig über seine geologische Vergangenheit bekannt. Jetzt haben Forscher des MIT und der University of Tennessee in Knoxville Aufnahmen von Titans Fluss-Netzwerken analysiert und herausgefunden, dass die Flüsse in einigen Regionen eine überraschend geringe Erosion verursacht haben. Die Wissenschaftler sagen, dass es zwei mögliche Erklärungen gebe: Entweder vollzieht sich die Erosion auf Titan extrem langsam, oder einige andere Phänomene haben kürzlich ältere Flussbetten und Landschaften ausgelöscht.
„Es ist eine Oberfläche, die viel mehr erodiert sein sollte, als wir sehen, falls die Fluss-Netzwerke eine lange Zeit aktiv waren“, sagt Taylor Perron, der Cecil and Ida Green Assistenzprofessor für Geologie am MIT. „Es wirft einige sehr interessante Fragen darüber auf, was in der vergangenen Milliarde Jahren auf Titan vor sich ging.“
Eine Studie mit den detaillierten Ergebnissen der Gruppe wird im Journal of Geophysical Research – Planets erscheinen.
Was trägt zu einer geringen Krateranzahl bei?
Verglichen mit den meisten Monden in unserem Sonnensystem ist Titan relativ eben und besitzt wenig Krater, die sein Antlitz vernarben. Titan ist um die vier Milliarden Jahre alt, etwa dasselbe Alter wie der Rest des Sonnensystems. Aber gemessen an der Krateranzahl könnte man denken, dass seine Oberfläche viel jünger ist – ungefähr 100 Millionen bis eine Milliarde Jahre alt.
Was könnte die geringe Krateranzahl dieses Mondes erklären? Perron sagt, die Antwort könnte mit dem vergleichbar sein, was auf der Erde passiert.
„Auf der Erde haben wir nicht viele Einschlagkrater“, sagt Perron. „Die Menschen kommen in Scharen zu ihnen, weil sie so selten sind und eine Erklärung dafür ist, dass die Kontinente der Erde ständig erodieren oder von Sedimenten bedeckt werden. Das könnte auch auf Titan der Fall sein.“
Beispielsweise haben Plattentektonik, ausbrechende Vulkane, fortschreitende Vergletscherung und Fluss-Netzwerke die Oberfläche der Erde über Milliarden von Jahren neu gestaltet. Auf Titan könnten vergleichbare Prozesse – tektonische Anhebung, Eislava-Eruptionen, Erosion und Sedimentablagerung durch Flüsse – am Werk sein.
Aber zu identifizieren, welches dieser geologischen Phänomene die Oberfläche Titans verändert haben könnte, ist eine große Herausforderung. Bilder der Cassini-Sonde (ähnlich wie Luftbilder, aber mit gröberer Auflösung) sind flach und zeigen die Landschaft aus der Vogelperspektive ohne Informationen über die Höhe oder Tiefe eines Gebietes.
„Es ist eine interessante Herausforderung“, sagt Perron. „Es ist fast so, als seien wir ein paar Jahrhunderte zurückgeworfen worden, bevor es viele topografische Karten gab und wir nur Karten hatten, die den Verlauf der Flüsse zeigten.“
Video-Link: https://youtu.be/fJiHj0ZOdMA
Ausführliches Video mit Interviews und erklärenden Animationen. (Video, animations, and images courtesy Taylor Perron / Ben Black; ESA / NASA / JPL / University of Arizona; NASA / JPL)
Die Entwicklung eines Flusses kartieren
Perron und der MIT-Student Benjamin Black wollten bestimmen, inwieweit Fluss-Netzwerke die Oberfläche Titans erneuert haben könnten. Das Team analysierte Bilder von Cassini-Huygens und kartiere 52 bekannte Fluss-Netzwerke in vier Regionen auf Titan. Die Forscher verglichen die Aufnahmen mit einem von Perron entwickelten Modell über die Entwicklung eines Fluss-Netzwerks. Dieses Modell beschreibt die zeitliche Entwicklung eines Flusses mit gegebenen Variablen wie der Stärke des darunter liegenden Materials und der Durchflussrate der Flusskanäle. Wenn ein Fluss langsam durch das Eis erodiert, verwandelt er sich von einem langen dünnen „Faden“ in ein dichtes baumähnliches Netzwerk aus Nebenflüssen.
Black verglich seine Messungen von Titans Fluss-Netzwerken mit dem Modell und fand heraus, dass die Flüsse des Mondes am ehesten den frühen Stadien in der typischen Entwicklung eines irdischen Flusses entsprachen. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass Flüsse in einigen Regionen sehr wenig Erosion verursacht haben und damit auch sehr geringe Veränderungen der Oberfläche Titans.
„Sie sind eher lang und dünn“, sagt Black. „Man sieht aber schon ein paar ausgeprägte und verzweigte Netzwerke und das ist erstaunlich, weil es (mit weiteren Daten) interessant sein wird zu wissen, ob es tatsächlich regionale Unterschiede gibt.“
Black ging noch einen Schritt weiter und verglich die Bilder Titans mit kürzlich erneuerten Landschaften auf der Erde, inklusive vulkanischen Gebieten auf der Insel Kauai und vergletscherten Landschaften in Nordamerika. Die Fluss-Netzwerke in diesen Gebieten sind vergleichbar mit denen auf Titan, was ihre Form betrifft. Das spricht dafür, dass geologische Prozesse in der jüngeren Vergangenheit die eisige Oberfläche des Mondes neu gestaltet haben könnten.
„Es ist ein eigenartig erdähnlicher Ort, sogar mit diesen exotischen Kombinationen aus Materialien und Temperaturen“, sagt Perron. „Und deshalb kann man auch etwas Definitives über die Erosion sagen. Es ist dieselbe Physik.“
Diese Forschungsarbeit wurde vom Cassini Data Analysis Program der NASA unterstützt.
Quelle: http://web.mit.edu/newsoffice/2012/river-networks-on-titan-0720.html
(THK)
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