Neue Einzelheiten über die Geburt eines bekannten Schwarzen Lochs, die vor Millionen Jahren stattfand, wurden dank eines Forschungsteams enthüllt, das Daten des Chandra X-ray Observatory, sowie optische, Radio- und andere Röntgenteleskope verwendete.
Vor über drei Jahrzehnten wettete Stephen Hawking gegen die Existenz eines Schwarzen Lochs in Cygnus X-1 – und verlor sie letztendlich. Heute sind Astronomen sich sicher, dass das System Cygnus X-1 ein Schwarzes Loch enthält und mit diesen neuesten Studien haben sie bemerkenswert präzise Werte seiner Masse, seiner Rotation und seiner Entfernung von der Erde gesammelt. Mit diesen Schlüsselinformationen wurde die Geschichte des Schwarzen Lochs rekonstruiert.
„Diese neuen Informationen geben uns deutliche Anhaltspunkte darüber, wie das Schwarze Loch geboren wurde, wieviel es wog und wie schnell es rotierte“, sagte Autor Mark Reid vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) in Cambridge (Massachusetts). „Das ist aufregend, weil nicht viel über die Geburt Schwarzer Löcher bekannt ist.“
Reid leitete eine von drei Studien – alle erschienen in der Ausgabe vom 10. November des The Astrophysical Journal – welche diese neuen Ergebnisse über Cygnus X-1 beschreiben. Die anderen Studien wurden von Jerome Orosz von der San Diego State University und Lijun Gou vom CfA geleitet.
Cygnus X-1 ist ein so genanntes stellares Schwarzes Loch und gehört zu einer Klasse von Schwarzen Löchern, die aus dem Kollaps eines massereichen Sterns hervorgehen. Das Schwarze Loch befindet sich in einem engen Orbit mit einem massereichen, blauen Begleitstern. Unter Verwendung von Röntgendaten des Chandra-Weltraumteleskops, dem Rossi X-ray Timing Explorer und dem Advanced Satellite for Cosmology and Astrophysics war ein Wissenschaftsteam in der Lage, die Rotation von Cygnus X-1 mit beispielloser Genauigkeit zu bestimmen und zu zeigen, dass das Schwarze Loch sehr nah an seiner Maximalrate rotiert. Sein Ereignishorizont – der Punkt, ab dem es für einfallende Materie keine Möglichkeit zur Rückkehr mehr gibt – rotiert mehr als 800 Mal pro Sekunde.
Eine unabhängige Studie, welche die Entwicklungsgeschichte des Begleitsterns mit theoretischen Modellen vergleicht, deutet darauf hin, dass das Schwarze Loch vor sechs Millionen Jahren geboren wurde. In dieser (astronomisch gesehen) relativ kurzen Zeit konnte das Schwarze Loch nicht genug Gas anziehen, um seine Rotation wesentlich zu beschleunigen. Die Schlussfolgerung ist, dass Cygnus X-1 wahrscheinlich sehr schnell rotierend geboren wurde.
Durch optische Beobachtungen des Begleitsterns und dessen Bewegung um seinen unsichtbaren Begleiter erhielt das Team die bislang präziseste Bestimmung der Masse von Cygnus X-1, welche der 14,8-fachen Sonnenmasse entspricht. Aufgrund von zu wenig Zeit, um merklich zu wachsen, war es wahrscheinlich schon bei seiner Geburt so massereich.
„Wir wissen jetzt, dass Cygnus X-1 eins der schwersten stellaren Schwarzen Löcher in unserer Galaxie ist“, sagte Orosz. „Und es rotiert so schnell wie kein anderes Schwarzes Loch, das wir jemals gesehen haben.“
Das Wissen über die Masse, Rotation und Ladung gibt dem so genannten „Keine-Haare“-Theorem zufolge eine vollständige Beschreibung eines Schwarzen Lochs. Diese Theorie postuliert, dass alle anderen Informationen außer diesen Parametern für die Ewigkeit hinter dem Ereignishorizont verloren sind. Die Ladung eines astronomischen Schwarzen Lochs ist erwartungsgemäß Null, also werden nur die Masse und die Rotation benötigt.
„Für mich ist es erstaunlich, dass wir eine vollständige Beschreibung dieses Objekts von der Größe eines Asteroiden haben, das tausende Lichtjahre entfernt liegt“, sagte Gou. „Das bedeutet, das Astronomen dieses Schwarze Loch besser verstehen als jedes andere in unserer Galaxie.“
Das Team kündigte ebenfalls an, dass es die bislang genauste Entfernungsschätzung von Cygnus X-1 gemacht hat, indem es das Very Long Baseline Array (VLBA) des National Radio Observatory benutzte. Die neue Schätzung beträgt 6.070 Lichtjahre. Diese genaue Distanz war ein entscheidender Bestandteil, um die präzisen Bestimmungen von Masse und Rotation durchzuführen.
Die Radio-Beobachtungen umfassten auch die Bewegung von Cygnus X-1 durch den Raum und ergab in Kombination mit seiner gemessenen Geschwindigkeit die dreidimensionale Geschwindigkeit und die Position des Schwarzen Lochs.
Diese Arbeit zeigte, dass Cygnus X-1 sich sehr langsam bewegt, was dafür spricht, dass es bei seiner Geburt keinen starken „Kick“ erhalten hat. Das unterstützt eine frühere Vermutung, wonach Cygnus X-1 nicht in einer Supernova geboren wurde, sondern aus dem dunklen Kollaps eines Vorläufersterns ohne Explosion hervorgegangen sein könnte. Der Vorläuferstern von Cygnus X-1 war wahrscheinlich ein extrem massereicher Stern, der eine Anfangsmasse von mehr als 100 Sonnenmassen besaß, bevor er viel Masse durch starke stellare Winde verlor.
Im Jahre 1974, bald nachdem Cygnus X-1 ein guter Kandidat für ein Schwarzes Loch wurde, wettete Stephen Hawking mit dem Astrophysiker Kip Thorne, einem Professor für theoretische Physik vom California Institute of Technology, dass Cygnus X-1 kein Schwarzes Loch enthält. Hawking, der sich viel mit Schwarzen Löchern und der allgemeinen Relativitätstheorie beschäftigte, sah das als Versicherungspolice an.
Bis 1990 hatten viele weitere Forschungsarbeiten über Cygnus X.1 allerdings die Hinweise verstärkt, dass es ein Schwarzes Loch ist. Mit Hilfe seiner Familie, Pflegerinnen und Freunden brach Hawking in Thornes Büro ein, fand die eingerahmte Wette und gestand seine Niederlage ein.
„Seit 40 Jahren ist Cygnus X-1 das Musterbeispiel eines Schwarzen Lochs. Trotz Hawkings Zugeständnis war ich aber nie ganz überzeugt, dass es tatsächlich ein Schwarzes Loch enthält – bis jetzt“, sagte Thorne. Die Daten und das Modell, welche in diesen drei Studien beschrieben werden liefern letztendlich eine vollständige, absolute Beschreibung dieses Binärsystems.“
Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Sience Mission Direcotrate in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory kontrolliert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen von Cambridge (Massachusetts) aus.
Quelle: http://chandra.harvard.edu/press/11_releases/press_111711.html
(THK)
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